BVT-Reform - Begutachtung endet mit viel Kritik an Razzia-Regelung
Die Begutachtung für die Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ging am Freitag zu Ende. Mehr als 8.000 Stellungnahmen sind eingelangt, der überwiegende Teil betrifft allerdings eine Änderung in der Justiz, die im Kern nur wenig mit dem neuen Staatsschutz zu tun hat: Die Beschlagnahmung von Unterlagen und Datenträgern der Behörden durch die Justiz soll künftig nur noch im Ausnahmefall möglich sein. Vor allem Juristen wehren sich dagegen.
Wie schon zuvor im Zuge der Corona-Gesetzgebung nutzen Aktivisten die Begutachtungsphase im Parlament, um ihren Protest gegen die neuen Regeln bei Hausdurchsuchungen kundzutun. Tausende Bürger haben Stellungnahmen mit zwei vorgefertigten Absätzen auf der Parlamentswebsite hinterlassen, der Tenor: "Durch die geplanten Beschränkungen der Hausdurchsuchungen wird die Bekämpfung von Korruption bei Behörden und in der Politik de facto verunmöglicht."
OGH: Sinn der Regelung "nicht erkenntlich"
Aber auch offizielle Stellen haben ihre Kritik hinterlassen. So meint etwa der Oberste Gerichtshof, der Sinn dieser Regelung sei "nicht erkenntlich". Die Ausnahme sei "eindeutig zu eng gefasst". Harte Worte findet auch das Oberlandesgericht Wien, das von einer "inakzeptablen Einschränkung" schreibt", die die Korruptionsbekämpfung erschwere. Die Regelung sei "krass überschießend". Gerade das Überraschungsmoment mache Hausdurchsuchungen effektiv.
Anschein der "Zweilklassenjustiz"
Auch die in erster Linie betroffenen Staatsanwälte schlossen sich der Kritik an. In der Öffentlichkeit dürfe kein Anschein einer "Zweiklassenjustiz" entstehen, schrieben sie in ihrer Stellungnahme. Auch bei Ermittlungsverfahren gegen Beamtinnen und Beamte sowie oberste Organe müsse zudem "höchstmögliche Effizienz bei der Sicherung von Beweisen gesichert sein". Und auch die Sektion für Richter und Staatsanwälte in der Beamtengewerkschaft GÖD fürchtet, dass Ermittlungen behindert werden könnten.
Kritik oder zumindest Änderungsvorschläge betreffen aber auch den Kern der Gesetzänderungen, die Umwandlung des BVT in eine Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst" (DSN). Der Entwurf des Innenministeriums sieht eine Trennung der Bereiche Staatsschutz und Nachrichtendienst sowie mehr parlamentarische Kontrolle vor. Konkret geändert werden dazu das Polizeiliche Staatsschutzgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz und weitere Rechtstexte.
So bezweifeln etwa die Österreichischen Rechtsanwälte (ÖRAK), ob die Aufgabenbereiche in der Praxis tatsächlich getrennt sind. So seien bestimmte Angelegenheiten des Verfassungsschutzes laut Entwurf dem Innenminister vorbehalten, "womit die gesetzlich postulierte Trennung stets im Weisungs-/Erlassweg einfach aufgehoben werden kann", heißt es in der Stellungnahme. "Damit ist jedenfalls keine strikte Trennung vollzogen", befinden die Anwältevertreter.
Ob der Entwurf in organisatorischer Hinsicht die entstandenen Vorbehalte ausländischer Geheimdienste ausreichend adressiert, will der ÖRAK nicht beurteilen, aber: "Die im Inland bestehenden Probleme adressiert der Entwurf nicht." Die "teilweise begrüßenswerten Regelungen" zur inhaltlichen Professionalisierung der Arbeit könnten dieses "grundsätzliche Problem, welches einfach fortgeschrieben wird, nicht wettmachen", heißt es in der ablehnenden Stellungnahme der Anwältevertreter.
Der Rechnungshof (RH) begrüßt grundsätzlich die neuen Strukturen, mahnt aber auch ein, mögliche Mehrfachzuständigkeiten zu vermeiden. Allerdings weist er in seiner Stellungnahme kritisch darauf hin, dass im Entwurf keine die finanziellen Auswirkungen nicht verordnungsgemäß dargestellt sind. Aus diesem Grund sei eine abschließende Beurteilung der BVT-Reform im Rahmen des Begutachtungsverfahrens nicht möglich.
Bestätigt durch die kritischen Stellungnahmen sah sich die SPÖ. "Die in der Regierungsvorlage beteuerte Trennung zwischen Sicherheitspolizei und Nachrichtendienst wird nicht vorgenommen", resümierten Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner und Wehrsprecher Robert Laimer in einer Aussendung. Besonders problematisch sei auch die Verlängerung der Berichtspflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) versprach bei einer Pressekonferenz Freitagnachmittag, die Begutachtungsstellungnahmen ernst zu nehmen und allenfalls einzuarbeiten. An der Grundstruktur der Reform wird er aber festhalten. Man habe sich viele internationale Organisationen angesehen und sei zum Ergebnis gekommen, dass eine Trennung von Gefahrenaufklärung und -abwehr sinnvoll und richtig sei. Nicht bewährt habe es sich international aber, beides komplett aus der Organisationseinheit hinauszureißen und Parallelstrukturen zu schaffen.
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