Buwog-Prozess: Kronzeuge wirft Hochegger wegen Skizze "Lüge" vor
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Am 102. Verhandlungstag wurde es wieder spannend im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und andere. Die Befragung von Willi Berner hat begonnen. Er musste zum Themenkomplex Skizze des mutmaßlichen „Tatplans“ aussagen - und bestätigte im Wesentlichen all das, was er gegenüber der Staatsanwaltschaft schon im Ermittlungsverfahren ausgesagt hat.
Zur Erinnerung: Berner war vor dem Prozess als Belastungszeuge aufgetreten. Er gab an, der Lobbyist Hochegger habe ihm im Jahr 2000 von einem Plan - laut Anklage der "Tatplan" - erzählt, wie Grasser, Meischberger, Ernst Plech und er bei Privatisierungen der Republik mitschneiden wollten. Berner war damals Kabinettschef im Infrastrukturministerium unter Minister Michael Schmid (FPÖ).
Treffen im Hotel Bristol: Berner schildert, wie er Hochegger im Hotel Bristol kennengelernt hat. Es habe Gespräche über eine Kick-off-Veranstaltung der Regulierungsbehörde und des Infrastrukturministeriums zur damaligen Handy-Frequenzversteigerung gegeben, angekündigt worden sei Peter Hochegger durch seinen Bruder Paul Hochegger.
Zweites Treffen laut Berner im Imperial: Es sei ein zweites Treffen vereinbart worden. Eine Woche später, im Mai 2000, sei man im Café des Hotel Imperial zusammengekommen. Dort habe ihm Hochegger erklärt, dass man den zweiten Auftrag für die Versteigerung der Telekom-Frequenzen nicht stornieren müsse. Er sei damals der Meinung gewesen, dass das nicht möglich sei. Es kam zur Stornierung des bereits bezahlten Auftrags, dafür habe es eine Gutschrift gegeben.
Die Skizze: Hochegger habe ihm bei diesem zweiten Termin eine Skizze aufgezeichnet mit mehreren Namen. Eine Version dieser Skizze wird im Gerichtssaal eingeblendet. In einem linken Strang habe er unter einem Kästchen mit dem Namen Grasser die Namen Meischberger, Plech und Hochegger, also sich selber, genannt. Im zweiten Strang standen unter dem Namen des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider (FPÖ/BZÖ) dessen Vertraute: Unternehmer H., Berner, Vertrauter M. und der ehemalige Haider-Presseaprecher P.
Darüber sei der Name einer liechtensteinischen Gesellschaft gestanden, den er vergessen habe, so Berner. Der Name sei "eine zynische Bezeichnung für so ein Konstrukt" gewesen, sagt Berner. Dieses Kästchen ist in der eingeblendeten Abschrift der Skizze leer.
Die ursprüngliche Skizze sei bei Hochegger verblieben, erklärt Zeuge Berner. Er habe dann auf dem Weg ins Ministerium lediglich auf seinem Timer-Gerät Psion eine digitale Zeichnung aus dem Gedächtnis angefertigt. diese Aufzeichnung sei "leider" nicht mehr erhalten, wie Berner sagt.
Berner hat für seine Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft die angebliche Skizze nachgezeichnet. Hier eine KURIER-Abschrift aus dem Gerichtssaal (KEIN ORIGINAL!)
"Als großer Macher und Checker dargestellt"
Angebot abgelehnt: Berner bejaht, dass ursprünglich auch der rechte Strang profitieren hätte sollen. Er habe das Angebot von Hochegger allerdings abgelehnt, weil ihm klar gewesen sei, dass das keine legale Sache sei. Hochegger habe erklärt, dass das aber so üblich sei, an Privatisierungen zu profitieren. Laut Hochegger habe sich die Gruppe Grasser damals zusammengesetzt. Haider sei laut Hochegger nicht informiert gewesen, sagt Berner aus. Aber man werde Haider unbedingt brauchen, weil Grasser in der Regierung nicht stark genug sein werde. Er selbst sei deswegen kontaktiert worden, weil er einen guten Kontakt zu Unternehmer H. und zu Haider gehabt habe.
Der linke Teil der Skizze sei das "illegale Konstrukt", sagt Berner. Hochegger hätte ihm gesagt, dass das eine sehr eng verbundene Freundesgruppe sei und man die Gunst der Stunde nützen sollte, dass alle an Privatisierungen und Aufträgen partizipieren.
Ihn habe es gewundert, dass Hochegger kaum auf seine Ablehnung reagiert habe. "Er hat sich als der große Macher und Checker dargestellt", sagt Berner. Es habe ihn auch gewundert, dass sich Hochegger gegenüber selbst belastet habe.
Hochegger weist die Angaben von Berner zurück. Auch die übrigen Angeklagten weisen den Vorwurf eines gemeinsamem Tatplans entschieden zurück.
Haider sprach von Freimaurerei: Der Zeuge erzählt, er habe Minister Schmid von Hocheggers Angebot erzählt, der habe ihm dazu geraten, unverzüglich Haider anzurufen. Er habe aber erst eine Woche später in einem persönlichen Termin mit Haider darüber gesprochen und ihm seine Erinnerungsabschrift der Skizze gezeigt. Haider sei überrascht gewesen, habe davon gesprochen, dass die Hochegger-Brüder doch kennen müsste, diese seien Freimaurer. Haider habe auch erwähnt, dass Hocheggers Vater einer der Gründer der VdU (Vorläuferpartei der FPÖ, Anm.) gewesen sei. Die Hocheggers würden halt jetzt "Kassa machen", wie sie das vorher schon im SPÖ-regierten Wien praktiziert hätten. Ob Haider abgelehnt habe? "Ja"; Ob Berner selbst abgelehnt habe? "Ja".
Richterin Marion Hohenecker fragte auch zum Verhältnis zwischen Unternehmer H. und Haider. Zeuge Berner spricht von einem freundschaftlichen Verhältnis, sagt der Zeuge, der über diese Freundschaft auch einen sehr guten Draht zu Haider bekommen habe. Die Freundschaft H-Haider sei dann gebrochen, weil H. im ORF-Kuratorium nicht das getan habe, was Haider wollte.
Ramprecht habe sich mit "Liebling des Boulevards" angelegt
Freundschaft zu Ramprecht: Michael Ramprecht habe er schon vor der Bildung von Schwarz-Blau gekannt. Als sie beide in den verschiedenen Kabinetten arbeiteten, habe man sich öfter getroffen, da habe sich eine Freundschaft entwickelt, bis heute. Man treffe sich aber nicht mehr so oft. Eine Woche nach der Zeugenaussage von Ramprechts Frau im Buwog-Prozess habe er ihn zufällig in der Stadt angetroffen. Ob er Ramprecht auch in Mediendingen berät, fragt die Richterin. Das verneint er, aber wenn Ramprecht Fragen habe oder Unterstützung brauche, rufe er an und frage ihn um Rat.
Ein Profil-Interview von Ramprecht im Oktober 2009 wirbelte viel Staub auf. Damals habe er, Berner, wenig Kontakt zu Ramprecht gehabt, nach diesem Interview habe er ihn aber ziemlich rasch getroffen. Ramprecht habe ihn gefragt, ob er den Ermittlern von der Skizze und dem angeblich "Illegalen Konstrukt" erzählen dürfe. Er habe ihm das untersagt und wollte auch nicht, dass sein Name bei Einvernahmen fällt. Berner: "Ich wollte nicht vorkommen in der Buwog, ich hatte mit der nichts zu tun."
Er habe das Vorgehen Ramprechts nicht klug gefunden und das gegenüber Ramprecht und seiner Frau auch so gesagt. Schon im Jahr 2006 habe Ramprecht schon alles auffliegen lassen wollen. Er habe ihm davon abgeraten und schon damals von der Hochegger-Skizze erzählt. Immer wieder habe er versucht, Ramprecht davon abzubringen, Wirbel zu machen. So habe Berner gesagt: "Lass die Finger davon. Der, den du hochgehen lassen willst, ist der Liebling des Boulevards."
Emotionaler Höhepunkt am Vormittag
Berner wirft Hochegger Lüge vor: Dann wird es zunehmend emotionaler. Berner spricht von einem "Kleiner-Mann-Syndrom", das Hochegger vielleicht zur Angeberei verleitet habe; Die angebliche Skizze sei aber auch "nicht das erste unsittliche Angebot, als ich Kabinettschef war", gewesen.
Hohenecker genügt das "Kleiner-Mann-Syndrom" nicht. Sie will wissen, warum Hochegger ihm diesen Plan darlegen habe wollen.
Berner: "Das müssen Sie ihn fragen. Ich habe es für dumm gehalten, dass er einem Unbekannten so etwas erzählt."
Hohenecker führt Hocheggers Aussage an, dass es keine Skizze und auch keinen Tatplan gegeben habe.
Berner wird unwirsch und sagt laut: "Für sein erstes Teilgeständnis hat er sieben Jahre gebraucht. Vielleicht sollte er nach Indien reisen, dann fällt es ihm vielleicht wieder ein ..."
Grasser-Anwalt Norbert Wess erhebt sich, um sich über die Ausdrucksweise Berners zu beschweren.
Die Richterin meint, sie hätte noch nicht einmal die Zeit gehabt, die "Sitzungspolizei" zu spielen. Jetzt führt sie aber aus: "Für Zynismus haben wir nach mehr als 100 Tagen keine Zeit." Berner sei hier, um ihre Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, und sonst nichts.
Berner drückt es dann so aus: "Da lügt der Herr Hochegger."
Die Richterin: "Haben Sie ein Motiv, Hochegger falsch zu belasten, oder jemand anderen?" Berner verneint.
"Haben Sie ein Motiv, Ramprecht in seinen Aussagen zu unterstützen?" Berner verneint.
Der Zeuge erinnert sich auch an ein Gespräch mit Ramprecht, als dessen Job im Finanzministerium nicht verlängert wurde. Ramprechts Handeln hänge weniger mit der Nichtverlängung seines Jobs zusammen, als mit dessen Enttäuschung über Grasser, "enttäuschte Liebe könnte man sagen".
"Kann nur Gerüchte liefern"
Mit Hochegger habe er nicht mehr über die Skizze gesprochen. Er habe auch keine Erkundigungen eingeholt, ob das angebliche Vorhaben umgesetzt wurde. Es habe aber dementsprechende Gerüchte gegeben. "Ich kann Ihnen nur das Gerücht liefern", sagt Berner. Diese Gerüchte und Vermutungen, dass das Netzwerk sehr aktiv sei, habe es immer wieder gegeben.
Im Ermittlungsverfahren sprach Berner von Gerüchten, wonach es ein "KHG-Inkassobüro" gebe und eine "Viererbande". Das sei nicht speziell auf einen Fall bezogen gewesen, sondern "ein gängiger Speak" gewesen, wenn die vier mittlerweile Angeklagten irgendwo aufgetaucht seien. Das sei bereits in Grassers Amtszeit gewesen. "Haben Sie überlegt, das anzuzeigen?", fragt die Richterin. Berner. "Ich? Nein."
Zufallstreffen auf Kärntner Straße
Eine Zeit nach dem Auffliegen der Causa Buwog traf Berner zufällig den damaligen Soravia-Manager Martin Ohneberg auf der Wiener Kärntner Straße. Man habe über Privatisierungen und die Vorwürfe bei der Buwog geredet, wiederhiólt die Richterin. Berner sagte im Ermittlungsverfahren, Ohneberg habe ihm gegenüber von Bargeld für Grasser bei der Privatisierung des Dorotheums gesprochen, Ohneberg, mittlerweile bei der Industriellenvereinigung, widersprach vor Gericht dieser Aussage. Er habe nur allgemein davon gesprochen, wenn jemand Schmiergeld nehmen würde, dann würde er nur Bares nehmen - habe aber damit weder Grasser noch das Dorotheum gemeint.
Die Rolle des Jörg Haider
Nach der Mittagspause interessiert sich Richterin Marion Hohenecker dafür, was genau Berner über die Absichten und Motive des früheren Landeshauptmannes Jörg Haider und sein Verhältnis zu Walter Meischberger weiß.
Die Informationen sind eher spärlich, Berner erklärt, er habe mit Haider nur insofern immer wieder zu tun gehabt, als er verschiedene Firmen beraten hat, die - auch - in Kärnten tätig waren.
Relativ bald kommt die Richterin wieder auf die ominöse Skizze. Und dann auf einen Schlüsselsatz des anderen Belastungszeugen Michael Ramprecht.
“Hat Ihnen Ramprecht gegenüber erwähnt, dass der BUWOG-Verkauf ein abgekartetes Spiel war?“, will die Richterin wissen. Berner antwortet, dass er darüber im Detail nichts wisse.
Erstaunen bei den Anwälten
Für kurzfristige Empörung bzw. Erstaunen bei den Anwälten von Grasser und den anderen Angeklagten sorgt eine Aussage Berners kurz vor 15 Uhr. Er erzählt, dass er den damaligen Staatsanwalt in einem Wiener Kaffeehaus getroffen hat - und zwar vor seiner offiziellen Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft.
Auf die Frage, warum er das überhaupt getan hat, antwortet Berner, er habe ein „Gefühl“ dafür bekommen wollen, ob der Staatsanwalt die Sache überhaupt ernst nehme bzw. ermitteln wolle. „Denn als gelernter Politsekretär“ wisse er darum, dass es vielfach Verbindungen und Verbindlichkeiten gebe, die einer Aufklärung im Weg stehen - etwa eine Mitgliedschaft beim CV oder Ähnliches.
„Schlitzohr“ Berner
Wer Willi Berner beleidigen will, der kann es jedenfalls nicht mit dem Wörtchen „Schlitzohr“ tun. Denn als die Richterin Berner damit konfrontiert, dass Hochegger ihn in einem Protokoll ein „Schlitzohr“ nennt, reagiert Berner gelassen. Das kränkt ihn nicht. Widerspruch erntet Richterin Hohenecker allerdings, als sie Hochegger damit zitiert, dass er, Berner, die damalige Ministerin Monika Forstinger als Kabinettsmitarbeiter aktiv habe „ausrutschen“ lassen. „Das“, so Berner, „hat Forstinger schon selbst erledigt.“
Was hatte Willibald Berner eigentlich mit Karl-Heinz Grasser zu tun?
“Politisch sehr viel“, antwortet Berner. Da waren zum Beispiel die Budgetverhandlungen anno dazumal, wo der damalige Minister Schmid und Grasser aneinander gerieten - und Berner, wie er sagt, vermittelnd eingriff.
Im Laufe des Nachmittages wird klar, dass Berner ein guter Freund von Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer ist.
Mit-Angeklagter Walter Meischberger glaubt, dass dies - die gemeinsame sozialdemokratische Vergangenheit - ein Motiv dafür sein könnte, warum Berner Grasser und Konsorten mit seiner Aussage nun belastet.
Berner verneint - er selbst habe damals (bei seiner Aussage) keine politischen Motive gehabt. Und Alfred Gusenbauer nach seinem Abschied aus der SPÖ 2008 wohl auch nicht.
Lob für Grasser
Für Willibald Berner ist nach wie vor unbestritten, dass Karl-Heinz Grasser von der gesamten FPÖ-Truppe anno dazumal der „Professionellste“ war. „Wir haben gut zusammengearbeitet“, sagt er.
Seine nun sowohl Grasser wie auch Peter Hochegger schwer belastende Aussage erklärt er so: Er, Berner, wollte nicht, dass sein Freund Michael Ramprecht nach der öffentlichen Behauptung, wonach die BUWOG ein „abgekartetes Spiel“ war, als „Lügner“ übrig bleibt. Daher habe er handeln und vor der Justiz aussagen wollen.
Belastungszeuge Ramprecht kommt
Abgesehen von Berners Bestätigung seiner Aussagen bringt dieser Prozesstag nichts Neues.
Am Donnerstag sagt Belastungszeuge Michael Ramprecht wieder aus - es wird wohl spannend, denn den vergangenen Termin brach Richterin Hohenecker ab. Die Befragung war einfach zu emotional geworden.
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