Was das Heer alles kann: Die geheimen Waffen der "Hilfsarmee"
Telefonieren, Testen, Transportieren: Das sind gemeinhin die Assistenzleistungen, für die das Bundesheer in der Covid-Krise bekannt ist. Tatsächlich kann die Armee aber viel mehr.
28.11.20, 18:14
Bei den nun anstehenden Covid-19-Massentestungen wird auch das Bundesheer einmal mehr ordentlich mithelfen. Wie viele Soldatinnen und Soldaten helfen werden, lasse sich zwar jetzt noch nicht sagen, sagte der Ressortsprecher Oberst Michael Bauer gegenüber der Tiroler Tageszeitung, da jedes Land das anders organisiere.
Damit sei es von Land zu Land verschieden. "In der Steiermark übernimmt das Militär quasi die Testung. Das Bundesheer bietet den Bundesländern ein Susi-Sorglos-Paket in Sachen Massentestungen an. Die Bundesländer suchen sich aus, was sie aus unserem Angebot benötigen“, beschreibt Oberst Bauer das Verständnis der Armee.
Bei Hochwasser schaufeln sie Schlamm aus Kellern; liegt zu viel Schnee, dann befreien sie Dächer von der drückenden Last; und wenn – wie gerade eben – eine Pandemie wütet, dann helfen sie beim „Contact Tracing“ oder machen sich in Test- und Impfstraßen nützlich: Das sind die Bilder, mit denen man Bundesheer-Soldaten im Assistenzeinsatz zumeist verbindet.
Mehrere Tausend Mann sind seit Februar im Hilfseinsatz, zum ersten Mal in der Zweiten Republik wurde die Miliz mobilisiert.
Wirklich spannend aber ist, dass im Bundesheer jede Menge Spezialabteilungen und -Einheiten an der Bewältigung der Pandemie arbeiten. Und viele davon würde man in der Armee erst gar nicht vermuten.
An vorderster Front „kämpft“ etwa das „Amt für Rüstung und Wehrtechnik“, kurz ARWT.
Laienhaft ausgedrückt ist es das Versuchslabor der Armee. Alles, was im Militär eingesetzt wird oder werden soll, wird hier getestet und untersucht: In „normalen Zeiten“ analysieren Chemiker hier die Zusammensetzung der Schmiermittel für den Eurofighter. Waffentechniker prüfen die Flugkurven von Projektilen, und Optiker messen, wie stark die Schutzbrillen der Soldaten das Licht brechen.
„Die Maskenproblematik hat uns von 0 auf 100 gebracht“, erzählt Michael Janisch. Der Brigadier ist Chef des ARWT – und hat sich in den vergangenen neun Monaten unter anderem intensiv mit der Frage beschäftigt, wie gut und sicher Schutzmasken der Klassen FFP 1 bis FFP 3 sind.
Nach 470 Prüfaufträgen ist die Bilanz durchwachsen: „Von den von uns geprüften Masken haben 70 Prozent nicht bestanden. Und das, obwohl sie alle irgendein Zertifikat hatten“, sagt Janisch. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Prüfnormen und Passform in Asien seien anders als in Europa. „Und dann gibt es natürlich skrupellose Geschäftemacher.“ Nach wie vor seien sogenannte FFP2-Masken im Umlauf, deren Porenabstand so groß ist, dass sie nur ein Tausendstel (!) so sicher sind wie hochwertige Masken.
Kann man als Laie Unterschiede erkennen? Janisch: „Wenn eine FFP2-Maske nicht absolut dicht abschließt und beim Ein- und Ausatmen keinen Widerstand bietet, dann ist die Qualität zu hinterfragen.“
Die mentale Lage
Fragen – das ist das Stichwort für Stefan Rakowsky. Der Oberstleutnant ist Forscher am „Zentrum für menschenorientierte Führung und Wehrpolitik“ der Landesverteidigungsakademie. Das Zentrum erforscht die Stimmungslage im Land. Und zum „Lagebild“ gehört zu erkunden, wie die Bevölkerung das Heer und den Assistenzeinsatz wahrnimmt – und was die Krise mit der Gesellschaft anstellt.
„Insgesamt gibt es einen Trend zur Entsolidarisierung – und zwar auf zwei Ebenen“, sagt Rakowsky zum KURIER.
Im „Kleinen“, also in der österreichischen Gesellschaft, zeige sich das unter anderem bei der Bereitschaft, Schutzmasken zu tragen. „Da gibt es zunehmend die Aussage: ,Mir geht’s ja eh gut, und was mit den anderen ist, das ist mir egal.‘“
Diese Entsolidarisierung setze sich auf staatlicher Ebene fort. „Überspitzt formuliert, könnte man sagen: ,Das Hamstern beim Klopapier setzt sich auf der nationalstaatlichen Ebene fort. Die Mitgliedsländer ziehen sich zurück und agieren wieder stärker aus nationalstaatlichen Motiven heraus.“
Eine bemerkenswerte Antwort hat der Sozialwissenschafter auf die Frage, wie man die Gesellschaft in dieser fordernden Situation motivieren kann: „Wenn man Anreize schaffen will, damit die Bevölkerung Masken trägt oder sich testen und impfen lässt, dann sollte das ,Nudging’ (dt. Anstupsen) nicht allein mit Fakten versucht werden.“
Als Positiv-Beispiel nennt er Deutschland: „Die deutschen Corona-Spots arbeiten mit Schmäh.“
Humor wecke Emotionen – und damit könne man die Bevölkerung in einer Phase wie dieser noch erreichen. „Bei bloßen Fakten – noch dazu, wenn diese Angst machen – machen die Menschen mittlerweile sehr schnell zu. Und das passiert unabhängig davon, ob sie einem Politiker oder einem Experten zuhören.“
Militärische Aufgaben
Laut Verfassung ist die Kernaufgabe
des Bundesheeres die militärische Landesverteidigung. Einsätze bei Naturkatastrophen oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit sind nur auf Wunsch und in Assistenz der jeweiligen Ressorts (z. B. Innenministerium) zulässig
Umfang der Assistenzleistungen
2019 hat das Heer 72 Assistenzeinsätze erledigt. 57 waren Katastrophenhilfen (Hochwasser, Waldbrände, etc.), 15 waren sicherheitspolizeilich (Grenzschutz, Botschaftsbewachung, etc.)
Bis zu 12.000 Mann im Einsatz
Im Vorjahr waren im Jahresschnitt 869 Soldaten im sicherheitspolizeilichen Einsatz, 3.080 Soldaten im Katastropheneinsatz. Im Rekordjahr 2002 kamen rund 12.000 Soldaten zum Einsatz („Jahrhunderthochwasser“). Für 2020 schätzt man Pandemie-bedingt, dass 5.000 bis 6.000 Mann Assistenzeinsatz leisten werden
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