Wieder eine Premiere in der 2. Republik, und wie trügerisch der Trend ist
Mal Hand aufs Herz - sind auch Sie bei den Vorsichtsmaßnahmen gegen eine Corona-Infektion etwas nachlässiger geworden? Waschen und desinfizieren Sie sich die Hände genauso oft wie vor sieben Wochen, oder haben auch Sie das eine oder andere Mal darauf vergessen? Als wir am 16. März, dem Tag des Lockdowns nur noch zu zwölft in die KURIER-Redaktion kamen, desinfizierte ich fast im Stundentakt die Hände und dreimal am Tag die Tastatur. Ein Kollege (Name der Redaktion bekannt) säuberte beim Eintreffen seinen Schreibtisch, als käme dieser direkt aus Wuhan, jedes Niesen wurde mit einem Corona-Verdacht quittiert.
Alles etwas easier
Die Aufhebung des Lockdowns hat auch im Unterbewusstsein der Menschen natürlich zu einem Durchatmen geführt. Wenn man die Szenen vor den Möbelhäusern, in den Innenstädten oder beim Eissalon vom vergangenen Wochenende betrachtet, so war von einem Meter Mindestabstand nicht immer die Rede.
Und wer hat schon seine Hände gewaschen, bevor er nach 30 Minuten Wartezeit die Eistüte in die Hand nahm, und das in den Mund steckte, was er zuvor angegriffen hatte?
Infektionen wie bei Tirol-Quarantäne
Doch auch wenn das Virus derzeit viel weiter weg zu sein scheint: Es ist immer noch da, und mehr als wir glauben. Heute sind in Österreich aktuell rund 1.600 Menschen positiv. Geht man davon aus, dass die Dunkelziffer ähnlich hoch ist, wie damals, muss man also nur den Tag heraussuchen, wann wir diesen Wert von 1.600 Erkrankten beim Hochfahren der Kurve hatten. Das war irgendwann zwischen dem 18. und 19. März.
Der KURIER berichtete damals, dass ganz Tirol unter Quarantäne gestellt wurde, Ärzte ihre Praxen schlossen und Tausende Österreicher an ihren Urlaubszielen festsaßen. Der Ministerrat beschloss die Mobilmachung des Bundesheeres (siehe unten). Natürlich kann man einwenden, dass jetzt die Zahl der Tests um ein Vielfaches höher ist; dass wir Masken im Supermarkt und den Öffis tragen; und dass wir damit gelernt haben umzugehen. Dennoch zeigt der Vergleich, dass die Krise noch nicht vorbei ist. Und vor der Gefahr einer zweiten Welle, die viel schlimmer sein könnte, warnen ja viele Virologen.
Wobei sicher das stimmt, was ÖGB-Chef Wolfgang Katzian im Ö1-Mittagsjournal am Samstag sagte: "Einen zweiten Shutdown wie diesen kann es nicht mehr geben. Das hält die Wirtschaft nicht aus. Das hält aber vor allem die Gesellschaft nicht aus".
2.300 Milizsoldaten rücken ein
Und weil die Krise eben noch nicht vorüber ist, rücken heute insgesamt 13 Jagdkompanien in Österreich ein. Nicht aber Grundwehrdiener zu ihrem Präsenzdienst (auch von ihnen kommen heute 1.500 erstmals in die Kasernen), sondern Milizsoldaten. Dass sie erstmals in der Geschichte der 2. Republik mobilisiert werden, wurde am 18. März (zufällig das gleiche Datum wie oben erwähnt) im Ministerrat beschlossen und von Verteidigungsminister Klaudia Tanner am 15. April ausgerufen.
Sie werden zunächst alle auf Covid-19 getestet und sollen die Polizei bei der Grenzsicherung und dort auch bei gesundheitlichen Maßnahmen unterstützen. Außerdem sichern sie kritische Infrastruktur und Botschaften sowie diplomatische Vertretungen. Raiffeisen-Chef Erwin Hameseder ist Generalmajor und der Regierungsbeauftragte für die Miliz. Er dankte den Soldaten aber auch den Unternehmen, die ja auf diese Mitarbeiter bis voraussichtlich Ende Juli verzichten müssen. "Die Miliz ist der Garant für die Durchhaltefähigkeit des Bundesheeres. Wie zahlreiche Rückmeldungen bestätigen, wird dieser Einsatz für die Allgemeinheit von den Österreichern auch wertgeschätzt.“
Und natürlich wird auch wieder Kritik laut: Wozu brauche man das jetzt noch? Erstens: siehe oben. Zweitens: Weil jene Grundwehrdiener, deren Dienst wegen Corona verlängert wurde, nun abrüsten dürfen. Und weil auch die Berufssoldaten bisher überdurchschnittlich drangekommen sind (ihnen allen - und auch den verlängerten und freiwilligen Zivildienern - sei auch an dieser Stelle einmal Danke gesagt).
Vielleicht übernehmen - etwas zynisch formuliert - die Leutnante ja auch den Schulunterricht an den Zwickeltagen, wenn die Lehrergewerkschaft ihren Lehrern den Dienst verbietet. Doch an den Schulen gibt es schon Unterschriftenlisten von jenen Lehrern, die entgegen der Forderung ihrer Gewerkschaft selbstverständlich am Zwickeltag unterrichten möchten. Auch dieser Aufstand der Lehrer gegen ihre Gewerkschaft ist vermutlich ein Republiks-Jubiläum.
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