Budgetlüge oder Luxusproblem?
Harte Bandagen am Dienstag zu fortgeschrittener Stunde im Parlament. „Wer einen Funken Ehr im Leib hat als Abgeordneter, sollte diesem Begehren folgen“: Mit diesem Satz forderte Neos-Chef Matthias Strolz die Verschiebung des Budgetbeschlusses, weil die Budgetzahlen, die Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) dem Parlament vorgelegt hat, bereits Makulatur seien. Die Koalitions-Klubobleute Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP) regierten gereizt zurück und kritisierten Strolz für den angekündigten Auszug aus dem Nationalrat in den nächsten beiden Tagen. Dies verstoße gegen die Geschäftsordnung und sei „ehrlich gesagt nur letztklassig“, so Schieder.
Schieder sieht „keinen Grund für eine Rückverweisung des Budgets“. Lopatka bekräftigte seine Darstellung, dass Spindelegger alle Zahlen bereits dem Budgetausschuss genannt habe. Dies wiederum bestritt nicht nur Strolz, sondern auch der Grüne Bruno Rossmann, der Blaue Elmar Podgorschek und Gustav Vetter vom Team Stronach. Strolz warf dem Finanzminister „Verhöhung des Hohen Hauses“ und den „Versuch der Trickserei“ vor.
Den Vorwurf der Budgetlüge hatte die Regierung erwartet und bereits beim Ministerrat im Vorfeld der gestrigen Plenarsitzung vehement bestritten. Sie habe das Parlament nicht belogen; die Budgetzahlen seien richtig: Diese Botschaften versuchten Kanzler Werner Faymann und Vize Michael Spindelegger nach dem gestrigen Ministerrat zu transportieren. Es war der Versuch, die entglittene Diskussion über das Budget einzufangen.
Grund für die Aufregung ist Spindeleggers Brief an die EU-Kommission. Darin hat der Finanzminister acht Punkte bzw. Vorhaben aufgelistet, die in Summe bis zu 990 Millionen Euro bringen könnten – aber nicht im aktuell dem Parlament zum Beschluss vorgelegten Budget stehen. Da der Brief in der englischen Version der Ministeriumshomepage versteckt war, spricht die Opposition von Tarnen und Täuschen. Spindelegger richtet der Opposition aus: „Ich lasse den Vorwurf der Budgetlüge nicht auf mir sitzen.“ Jene, die behaupten, er hätte die Abgeordneten nicht über den Brief informiert, „wissen nicht, was im Ausschuss geredet wird“. (KURIER-Leser können Spindelegger heute persönlich Fragen zu Budget/Steuerreform stellen, siehe hier).
„Ein Luxusproblem“
Faymann versteht die Aufregung auch nicht. Er betonte, dass das (strukturelle) Budget-Defizit in den vergangenen vier Jahren stets besser ausgefallen sei, als es prognostiziert war. Daher reiht er die Rüge der EU in die Kategorie „Luxusproblem“.
19-Mal Nein
Des weiteren schmetterten SPÖ und ÖVP gestern im Nationalrat zum neunzehnten Mal einen Hypo-Untersuchungs-Ausschuss ab. Die namentliche Abstimmung ging mit 95 Nein- zu 71 Ja-Stimmen aus.
Diesmal hat die Regierung die Öffentlichkeit nicht angeschwindelt. Kanzler Werner Faymann sagte schon vor der Nationalratswahl, dass Österreich – anders als von der EU-Kommission gewünscht – das strukturelle Nulldefizit erst 2016 umsetzen will. Auch Michael Spindelegger nannte, seit er Finanzminister ist, keine andere Jahreszahl. Er machte sogar in seiner Budgetrede am 29. April im Nationalrat darauf aufmerksam, dass er mit einer Rüge durch die EU rechne.
Warum verschweigt er dann seinen Briefwechsel mit der EU-Kommission?
"Weil es für einen ÖVP-Finanzminister peinlich ist, wenn er die Schuldenbremse nicht einhält", lautet eine Erklärung in Koalitionskreisen.
Tatsächlich herrscht bei der ÖVP eine gewisse Diskrepanz zwischen Schein und Sein in der Budgetpolitik. Fiskalpakt und Schuldenbremse, von der ÖVP stets mit großer Verve vertreten, sehen vor, dass Österreich 2015 ein strukturelles Nulldefizit haben sollte. "Die EU-Kommission legt Wert darauf, dass wir die Regeln einhalten", sagt Fiskalrats-Chef Bernhard Felderer (siehe rechts). Die Regeln bedeuten in diesem Fall, nicht mehr als 0,5 % des BIP Defizit zu machen (siehe Infokasten). Diese 0,5 % strukturelles Defizit sollen in jährlichen Einsparungsschritten von je einem halben Prozent des BIP erreicht werden. Hingegen hat Michael Spindelegger von 2013 auf 2014 eine Einsparung von lediglich einem Zehntelprozent des BIP vorgelegt, was die kritischen Bemerkungen von EU-Kommission und Eurogruppe auslöste. Von 2014 auf 2015 hat Spindelegger erneut nur ein Zehntelprozent Einsparung geplant – dafür kann er bei der Revision durch die EU gleich mit der nächsten Rüge rechnen.
Jan Krainer fragte nach
SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer sprach Spindelegger am vergangenen Freitag im Budgetausschuss des Nationalrats auf dessen Briefwechsel mit der EU-Kommission an. Krainer wollte die Regierung vor dem Vorwurf bewahren, sie würde dem Parlament etwas verschweigen. "Wenn ich den Brief auf der Homepage des Finanzministeriums entdecke, war es nur eine Frage der Zeit, bis ihn jemand anderer auch findet", sagt Krainer (der Brief war in der englischen Version der Homepage versteckt).
Abgesehen von der intransparenten Vorgangsweise geht es in der Causa um die Budgetzahlen. Spindelegger kündigte in dem Brief – aber auch bei anderen Gelegenheiten – eine zusätzliche Konsolidierung um bis zu einer Milliarde im Jahr 2014 an. Wie der KURIER gestern aus dem Finanzministerium erfuhr, will Spindelegger im kommenden Juli "strenge Beichtstuhlgespräche" führen, um den Ministern weitere 350 Millionen Euro Einsparungen abzuverlangen.
Außerdem will Spindelegger laut einem Ministeriumssprecher das faktische Pensionsantrittsalter bei den Eisenbahnern stärker anheben. Verklausuliert steht dies auch in dem ominösen Brief (höheres faktisches Pensionsantrittsalter in Firmen mit Staatsbeteiligung).
Auf SPÖ-Wunsch wird ein Gesetz gemacht, wonach sich selbst anzeigende Steuersünder nicht mehr gänzlich von Strafen befreit werden.
Ein Krach zwischen SPÖ und ÖVP bahnt sich bei den Förderungen an. Im Sparpaket 2012 (damals im Amt: Vizekanzler Spindelegger, Finanzministerin Fekter, Wirtschaftsminister Mitterlehner) wurden massive Einsparungen im überbordenden Förderwesen beschlossen. Doch die ÖVP sagt die "Förderpyramide" kurzerhand einfach ab. "Wir werden das sicher nicht sang- und klanglos hinnehmen", heißt es grollend in der SPÖ.
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