Budgetexpertin Schratzenstaller: "Ich mag das Wort Sparpaket nicht“
Mit 3,3 Prozent der Wirtschaftsleistung fällt das Budgetdefizit höher aus als vom Finanzminister vorher gesagt. Damit können die Maastricht-Kriterien der EU nicht mehr erfüllt werden. Für Margit Schratzenstaller ist eine Konsolidierung unabdingbar.
KURIER: Es wird derzeit sehr viel über die schlechte wirtschaftliche Lage von Österreich und über das hohe Budgetdefizit gesprochen. Wie steht es um Österreich?
Margit Schratzenstaller: Ich würde sagen, es ist schon einmal besser um Österreich gestanden, was die konjunkturelle Entwicklung anbelangt. Wir haben heuer eine Rezession zu erwarten, und nächstes Jahr rechnen wir nur mit einem doch eher verhaltenen Aufschwung. Das bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit zunimmt, das schlägt sich natürlich auch auf das Budget nieder.
Die Budgetzahlen haben sich verschlechtert gegenüber den Prognosen zuletzt. Das WIFO rechnet heuer mit einem Maastricht-Defizit von 3,7 Prozent der Wirtschaftsleistung, für nächstes Jahr sogar mit 4 Prozent. Das liegt über dem vorgegebenen EU-Limit von 3 Prozent. Und man geht davon aus, dass der Schuldenstand laufend steigen wird.
Ist es ein Trost, dass etwa Frankreich noch schlechter dasteht?
Nein, das hilft uns Österreichern unmittelbar gar nichts, weil wir natürlich mit unseren eigenen Herausforderungen konfrontiert sind.
Die Frage ist, ob diese finanzielle Schieflage bewältigbar ist, wenn wir derzeit kein richtiges Wirtschaftswachstum haben.
Das ist eine sehr wichtige Frage. Sie haben zurecht darauf verwiesen, dass ab dem kommenden Jahr das Wirtschaftswachstum zwar wieder ein bisschen anzieht, wir aber keinen Boom haben werden, eher ein gedämpftes Wachstum. Umso wichtiger ist es, jetzt die Konsolidierungsmaßnahmen zu setzen, die anstehen. Dabei muss aber unvermeidbar darauf geachtet werden, dass dieses zarte Pflänzchen nicht gleich kaputt geht. Das heißt: Wenn wir in den nächsten Jahren konsolidieren, dann sollten wir kurzfristig darauf achten, dass das mit Maßnahmen passiert, die die Konjunktur nicht abwürgen.
Ein Sparpaket – das Wort wollte im Wahlkampf niemand in den Mund nehmen – könnte dieses Wirtschaftspflänzchen abwürgen?
Ich mag das Wort Sparpaket überhaupt nicht, mir gefällt Konsolidierungsstrategie viel besser. Erstens, weil das auch bedeuten kann, dass man auf der Einnahmenseite bestimmte steuerliche Maßnahmen ergreift, dass man nicht nur Einsparungen macht. Zweitens, weil es eine Strategie benötigt, nicht bloß ein Sparpaket, bei dem mit dem Rasenmäher gekürzt wird, um die Fiskalziele einhalten zu können.
Wenn Sie von der Einnahmenseite sprechen, geht es da auch um neue Steuern?
Es muss ja nicht eine neue Steuer sein, es sind auch höhere Steuern möglich. Es geht darum, die Steuern kurzfristig zu erhöhen. Man könnte das auch unter verschiedenen Gesichtspunkten rechtfertigen: Zum einen ist es kurzfristig nicht so einfach, die Einsparungen, die wir brauchen, um die Ziele zu erreichen, auf die Beine zu stellen. Zum Zweiten, weil ein ausgewogenes Paket aus kurzfristigen Steuererhöhungen wahrscheinlich auch politisch besser durchsetzbar ist. Aber die Voraussetzung muss schon sein, dass man mittelfristig Strukturreformen einleitet. Wenn wir jetzt im nächsten Jahr Steuern erhöhen, dann sollten das Dinge sein, die auch strukturell sinnvoll sind. Mittelfristig sollte das aber wieder kompensiert oder zurückgeführt werden, indem man die Abgaben auf die Arbeit senkt.
Wie stehen Sie zu Vermögens- und Erbschaftssteuern, wie sie von der SPÖ vorgeschlagen werden?
Grundsätzlich muss gesagt werden: Weder eine Vermögenssteuer noch eine Erbschaftssteuer werden uns kurzfristig Einnahmen bringen. Das Einzige, was man kurzfristig machen kann, ist die Erhöhung der Hebesätze bei der Grundsteuer. Mittelfristig halte ich für sinnvoll und auch für notwendig, dass man auf jeden Fall die Grundsteuer reformiert. Das ist auch in Arbeit.
Reformieren heißt erhöhen?
Ja, indem man die Bemessungsgrundlage anpasst und so tatsächlich das Einnahmenpotenzial erhöht. Mittelfristig halte ich es auch für sinnvoll, dass man die Erbschaftssteuer wiederbelebt. Das sollte aber in eine Abgabenstrukturreform eingebettet werden, wo man andererseits bei den hohen Abgaben auf Arbeit entlastet. Bei einer Vermögenssteuer auf nationaler Ebene bin ich – ehrlich gesagt – eher skeptisch. Es gibt fast kein Land mehr, das eine allgemeine Vermögenssteuer hat.
War es vielleicht voreilig und ein Fehler, die kalte Progression abzuschaffen? Jenes Geld, das bei Lohnerhöhungen zusätzliche Einnahmen in die Kasse des Finanzministers gespült hat.
Ich weiß nicht, ob ich es als Fehler bezeichnen würde. Es ist eine Maßnahme, die schon sehr lange gefordert worden ist. Aus struktureller Sicht war es keine schlechte Maßnahme, die kalte Progression in einer Zeit der hohen Inflation abzuschaffen. Was die Verschuldung anbelangt, wurde die Situation dadurch verschärft. Zumal auch alle möglichen Sozialleistungen angepasst worden sind.
WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller zu Gast im KURIER TV-Studio
Einer der größten Brocken im Budget sind die Pensionen. Braucht Österreich eine Pensionsreform?
Unbedingt. Das würde ich eher zu den mittelfristigen Maßnahmen zählen.
Dann muss das Thema angegriffen werden. Aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die Politik in diesem Bereich nicht eingreifen will.
Es ist eines der wichtigsten Themen, dass man das Pensionssystem so aufstellt, dass es auch wirklich langfristig und nachhaltig finanzierbar ist. Da geht es erst einmal darum, dass man relativ kurzfristig Maßnahmen setzt, um das effektive Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Wir haben ja noch immer eine Kluft zwischen dem gesetzlichen und dem effektiven Pensionsalter.
Diese Maßnahme allein wird wohl nicht reichen, oder?
Nein. Gleichzeitig muss eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters vorbereitet werden. Das kann man nicht von heute auf morgen machen. Da sind aber auch die Unternehmen gefragt. Es geht um altersgerechte Arbeitsplätze. Die Unternehmen müssen auch bereit sein, ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschäftigen. Aber es ist eine der wichtigsten Maßnahmen, dass man das Pensionssystem tatsächlich angeht.
Schätzen Sie unsere Wirtschaft derzeit so stark ein, dass sie zur Erholung des Budgets einen entscheidenden Beitrag leisten kann?
Ich denke schon, dass das gelingen wird. Es ist ja nicht das erste Mal, dass die Verschuldung so hoch ist. Wir hatten 2015 eine Schuldenquote von 85 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist danach wieder gesunken. Wir müssen dafür aber die Situation breiter denken. Wir müssen die Konsolidierungsmaßnahmen so gestalten, dass sie die Wirtschaft und die Konjunktur möglichst wenig schädigen. Es bedarf aber auch Wachstum stärkender Maßnahmen, etwa eines beschäftigungsfreundlicheren Abgabensystems. Man kann sich auch Maßnahmen überlegen, die die Wirtschaft ein bisschen ankurbeln, etwa beschleunigte Abschreibungen für Investitionen.
Kommentare