Budget: Regierung legt Opposition einen Elfer auf
Dass die Opposition die Regierung zerpflückt, gehört zum Politik-Alltag. Was sich in den kommenden Tagen im Parlament abspielen wird, passt allerdings nicht mehr in diese Kategorie. Die Woche des Budgets wird im Hohen Haus vom Disput um dessen Wahrheitsgehalt geprägt sein. „Wir werden einen Misstrauensantrag gegen Finanzminister Spindelegger einbringen“, kündigt Grünen-Vizeklubchef Werner Kogler an. Die Neos planen, das Plenum aus Protest zu verlassen, weil sie sich „verarscht“ fühlen, wie Parteichef Matthias Strolz sagt. Sie fordern, dass der für Freitag geplante Budget-Beschluss vertagt wird.
Auslöser
Auslöser des Wirbels: Spindeleggers Brief an Brüssel. Der ÖVP-Ressortchef hat der EU-Kommission diverse über das Budget hinausgehende Vorhaben angekündigt – um darzulegen, dass Österreich die EU-Vorgaben erfüllen werde. Der Brief steht zwar auf der Homepage des Ministeriums, ist aber nur in englischer Version zu finden. Die Opposition wirft Michael Spindelegger Geheimhaltung vor – und zweifelt seine Budgetzahlen an.
„Entweder belügt der Finanzminister die EU-Kommission – oder er hat das Parlament belogen“, urteilt Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Ihre Partei will nicht nur einen Misstrauensantrag gegen Spindelegger einbringen. Sie verlangt auch, dass über das Budget im zuständigen Ausschuss erneut beraten wird.
Brief versteckt?
Die Neos mutmaßen, der Brief sei aus wahltaktischen Gründen versteckt worden: „Wir werden da verschaukelt. Das ist dasselbe Strickmuster wie vor der Nationalratswahl“, befindet Frontmann Matthias Strolz. Budgetloch und Ausmaß der Hypo-Misere seien auch erst nach der Nationalratswahl bekannt geworden. Nun habe die Regierung den Brief verheimlichen wollen, „um vor der EU-Wahl keine Wellen zu schlagen“.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wirft Spindelegger & Co. „Dilettantismus“ vor: „Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass man vorgelegte Budgets offensichtlich nicht ernst nehmen kann.“ Auch das Team Stronach wettert gegen die Regierung.
ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka rückte zur Verteidigung seines Parteichefs und Finanzministers aus. „Mir fehlt jedes Verständnis für den Wirbel. Die Opposition kommt jedes Jahr mit dem Vorwurf der Budget-Lüge. Ich weise den Vorwurf der Geheimhaltung und der Lüge zurück. Es ist weder die Öffentlichkeit noch das Parlament falsch informiert worden.“ Spindelegger habe den Abgeordneten sehr wohl jene Vorhaben genannt, die er auch der EU-Kommission angekündigt habe. Der Brief sei vergangenen Freitag Thema im Ausschuss gewesen.
Strolz kontert, das Schreiben sei erst „am letzten Tag der Budget-Gespräche“ öffentlich geworden. Tatsächlich hat SPÖ-Finanzsprecher Krainer dieses im Parlament thematisiert, die Grünen haben es publik gemacht. Die SPÖ versucht die Causa herunterzuspielen – und stellt sich an die Seite des Koalitionspartners. Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl: „In dem Brief an Kommissar Kallas hat der Finanzminister lediglich Möglichkeiten aufgezeigt, wie wir zusätzlich strukturell konsolidieren könnten, wenn es notwendig sein sollte. Das heißt nicht, dass wir alle Maßnahmen brauchen.“
Angriff auf Kanzler
Nicht in allen Fragen sind sich Rot und Schwarz einig. ÖVP-Staatssekretär Jochen Danninger wirft Kanzler Werner Faymann Führungsschwäche vor. Er moniert, dass Verkehrsministerin Doris Bures den Ausbau des Breitband-Netzes vorantreiben möchte – obwohl Geld fehle. Bures ist unbeeindruckt. SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos sieht in Danningers Attacke „steigende Nervosität in der ÖVP“. Die Schwarzen würden vom Steuerreform-Thema ablenken wollen.
So sehr die Opposition tobt – dass das Budget abgesegnet wird, kann sie nicht verhindern. „Sie kann das durch Geschäftsordnungstricks nur verzögern“, erklärt Parlaments-Experte Werner Zögernitz. Für den Budget-Beschluss reicht die Zustimmung von SPÖ und ÖVP.
Diese Woche geht es im Parlament primär um Zahlen. Am kommenden Freitag wird das Budget beschlossen. In den Tagen zuvor wird ausführlich über den Staatshaushalt debattiert werden.
Dass Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) einen Brief an die EU-Kommission geschickt – und damit in der Öffentlichkeit für Verwirrung gesorgt hat, wird auch Thema sein. Die Opposition hat sich über die Vorgangsweise schon am Wochenende echauffiert. Auch in den sozialen Netzwerken gab es viel Häme. Tenor: Im Parlament würde nun ein Budget abgesegnet, das gar nicht mehr aktuell sei. Der Finanzminister habe die Abgeordneten falsch informiert. Zudem sei kurios, wie er so plötzlich eine Milliarde Euro zusätzlich aufgetrieben habe. Der Ressortchef hat der EU ja rund 990 Millionen Euro mehr angekündigt, als budgetiert sind.
Spindelegger weist alle Vorwürfe zurück. Was der Finanzminister vergangene Woche per Brief der EU-Kommission mitgeteilt hat, habe er auch dem Budget-Ausschuss im Parlament kundgetan, sagte ein Sprecher des Finanzministers am Sonntag. Von Geheimhaltung könne also keine Rede sein. Dass ein Teil der in dem Schreiben an die EU genannten Vorhaben noch nicht im Budget stehe, liege daran, dass diese noch nicht beschlossen seien. Das gelte etwa für jenen 25-prozentigen Strafzuschlag bei Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung, der im Oktober in Kraft treten soll. Das Finanzministerium kalkuliert, dass dadurch 150 Millionen Euro zusätzlich in den Staatshaushalt fließen. Reformen, die noch nicht fixiert sind, sollen auch noch Geld bringen. Am Dienstag wird im Ministerrat ein nächster Schritt gesetzt: Eine "Aufgabenreform- und Deregulierungskommission" wird eingesetzt. Diese soll binnen sechs Monaten "Umsetzungsvorschläge" vorlegen.
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