Böhmdorfer: "Haben Anfechtung nicht geplant"

Böhmdorfer: "Haben Anfechtung nicht geplant"
Dieter Böhmdorfer, Anwalt der FPÖ, wehrt sich gegen den Vorwurf des Verfassungsrichters Johannes Schnitzer, die Wahlanfechtung vorsätzlich geplant zu haben. Kritikern des Urteils spricht er die Kompetenz ab.

Kurier.at: Der Verfassungsrichter Johannes Schnizer wirft Ihnen indirekt vor, dass Sie und die FPÖ die Wahlanfechtung vorsätzlich geplant hätten.

Dieter Böhmdorfer: Also der Vorwurf lautet wie folgt: Schon im Vorfeld der Wahl hat man sich zusammengesetzt und überlegt, dass es sicherlich aufgrund von Erfahrungen der Vorwahlen zu Wahlverletzungen kommen könnte. Man beschließt in diesem Gespräch aber, dass man diese Wahlrechtsverletzungen vor der Wahl nicht beanstandet, sich auch an der Falschprotokollierung beteiligt und diese Informationen nach der verlorenen Wahl dann als Grundlage verwendet um die Anfechtung der Wahl vor dem Verfassungsgerichtshof zu begründen. Dem liegt die ungeheuerliche Vorstellung zugrunde, dass eine gemeinsame strafbare Handlung geplant wurde.

Das klingt nach einer kriminellen Vereinigung, also nicht unerhebliche Vorwürfe.

Er wirft einem Personenkreis, der der FPÖ zugehörig ist, strafrechtliches Verhalten vor. Das ist ungeheuerlich, weil es dafür nicht den geringsten Anhaltspunkt gibt. Ich kann beweisen, dass es in meiner Kanzlei erst Tage nach der Wahl zu ersten Kontakten wegen einer allfälligen Wahlanfechtung gekommen ist.

Also, die Idee der Anfechtung kam erst nach der Wahl und nicht wie Schnizer vermutet vorher. Das lässt sich halt schwer beweisen.

Wir sind an diese Causa mit größter Vorsicht herangegangen und haben erst am 31. Mai einen Akt bei uns in der Kanzlei angelegt. Das lässt sich elektronisch nachverfolgen.

Böhmdorfer: "Haben Anfechtung nicht geplant"
APA4287506-2 - 15062011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Verfassungsrichter Johannes Schnizer anl. eines Fototermines am Mittwoch, 15. Juni 2011, in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Wenn Sie das beweisen können, müssten Sie Schnizer klagen. Werden Sie das tun?

Das macht der Kollege Michael Rami, ich selbst führe keine Medienprozesse mehr.

Aber Sie müssten jetzt ja nicht einen Journalisten, sondern einen Richter klagen. Das wäre neu.

Ja, aber das macht wie gesagt direkt die FPÖ oder der Kollege. Das müssen Sie bei der FPÖ nachfragen.

Wenn wir nochmals zur der für Sie erfolgreichen Anfechtung zurückblicken. Am Anfang wurde das Urteil positiv aufgenommen, mit der Zeit haben sich aber immer mehr Verfassungsrechtler zu Wort gemeldet, die von einem Fehlurteil gesprochen haben.

Es hat sich am Anfang Univ.-Prof. Heribert Köck zu Wort gemeldet, der eigentlich Völkerrechtler ist, und dann der so genannte Verfassungsrechtler Alfred Noll, der ist das aber nur in homöopathischer Dosis. Er hat gesagt im Gesetz steht, das die Wahlrechtsverletzungen von Einfluss sein mussten. Das stimmt, aber seit 1927 wird das so judiziert, dass die Möglichkeit der Einflussnahme genügt. Soll das für die FPÖ nicht gelten? Es gibt kein einziges Lehrbuch für österreichisches Verfassungsrecht, in dem nicht steht, dass die Möglichkeit eines Einflusses genügt. Das geht auch nicht anders. Ich vergleiche das immer mit Sicherheitsvorschriften am Flughafen. Sie können, wenn die Sicherheitsvorschriften nicht funktionieren oder nicht eingehalten werden, den Direktor entlassen oder die Sicherheitsfirma kündigen. Aber diese können sich nicht damit verantworten, es sei kein Terrorüberfall passiert und die sei Entlassung deshalb unzulässig.

Aber nicht nur Noll und Köck haben das Urteil kritisiert, sondern auch Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Der dürfte sich doch wohl auskennen.

Univ.-Prof. Mayer hat unmittelbar vor der Wahl und nach der Wahl gesagt, es geht nicht anders, die Wahl muss aufgehoben werden. Dann hat er plötzlich seine Meinung geändert. Nachdem er ja im Wahlkomitee von Van der Bellen ist, muss irgendwann irgendetwas passiert sein. Auf einmal hat er gesagt, das Urteil gefällt ihm nicht mehr, aber er hat das nicht überzeugend begründen können.

Nicht nur Verfassungsrechtler kritisieren das Urteil, es haben ja auch Mathematiker berechnet, dass eine Wahlmanipulation einfach nicht möglich gewesen wäre. Liegen die auch falsch?

Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Der VfGH begründet seine Aufhebungsentscheidung in seiner Erkenntnis gründlich. Er sagt, es muss eben eine gewisse Stimmenanzahl kontaminiert, also von Wahlrechtsverletzungen betroffen sein, und wenn dieses Paket zu groß ist, dann muss man die Wahl aufheben. In 94 von 117 Bezirkswahlkreisen haben wir Gesetzesverletzungen geltend gemacht. Der VfGH hat nach 14 Wahlkreisen aufgehört zu zählen und hat nach über 77.000 kontaminierten Stimmen gesagt, es reicht schon.

Waren Sie eigentlich selbst überrascht, dass die Wahl aufgehoben wird?

Wir haben bei Ausführung des Antrages eine Aufhebung zunehmend für wahrscheinlich gehalten.

Robert Menasse hat in einem Interview gesagt, die FPÖ gehe „Mit der Abrissbirne gegen die demokratischen Institutionen" vor. Er meint da auch Sie und die Anfechtung.

Wahlen sind das Heiligtum einer Demokratie, insbesondere Direktwahlen. Da kann es keinen Kompromiss geben, ob es politisch schlau ist oder nicht. Robert Menasse soll über Themen schreiben, die er versteht.

Hofer hat ja noch vor der Auszählung selbst, also am Wahlabend gesagt, dass das mit der Auszählung der Wahlkarten "immer so komisch" ist. Das heißt, er hat das schon selbst befeuert, dass da nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Ja das stimmt.

Das lässt natürlich schon Spielraum für die Interpretation, dass man es auf eine Wahlanfechtung angelegt hat.

Nein, es war mit Sicherheit keine Planung da. Ich habe das mit einer eidesstattlichen Erklärung bestätigt. Wahr ist natürlich, dass es schon immer Probleme gegeben hat, ausgehend von der Bestellung von Wahlkarten für Bettlägerige, Pflegebedürftige in Heimen etc. Das hat die OECD bereits 2010 beanstandet und das haben auch die Grünen beanstandet. Man hat in der Vergangenheit sehr leichtfertig und – das räume ich ein – vielleicht sogar in bester Absicht für Personen die selbst dazu nicht in der Lage waren, Briefwahlkarten beantragt. Das ist zu einer zunehmenden Praxis geworden und explosionsartig haben sich die Briefwahlkartenwähler auch aus diesen Gründen vermehrt. Das hat auch zu Missbräuchen geführt.

Das ist jetzt aber Spekulation und lässt sich nicht beweisen.

Es wird hier nie exakte Zahlen geben. Der VfGH hat dazu Folgendes klargestellt: Jeder der in Österreich das Wahlalter erreicht hat, darf wählen, aber er muss dazu selbst in der Lage sein. Das heißt, wenn jemand gerade im Koma liegt, oder jemand bewusstlos ist und keine Briefwahlkarte beantragen kann, kann er eben nicht wählen. Es darf auch niemand für ihn, weder ein Verwandter, noch ein Sachwalter, noch ein Notar oder ein Pfarrer eine Wahlkarte beantragen. Davon sind sehr viele Wahlberechtigte betroffen. Es gibt 60.000 Besachwaltete - auch diese müsse ihre Wahlkarten selbst beantragen. Es gibt mehrere Hunderttausend Bettlägerige. Der Gesetzgeber ist hier aufgefordert eine Regelung zu treffen, die - wenn möglich - die Ausübung des Wahlrechts gewährleistet. Das ist ganz wichtig.

Also, die sollten ihrer Meinung nicht mehr wählen dürfen? Aber geht es der FPÖ nicht generell darum, die Briefwahl selbst, die sie, nachdem man sie verloren hat, einzuschränken, wenn nicht sogar abzuschaffen?

Das ist nicht meine Meinung. Das hat der VfGH in seiner Erkenntnis entschieden. Die Briefwahl ist leider missbrauchsanfällig. Das ist einfach so. Man muss ein System finden, in dem Missbrauch eingeschränkt oder ausgeschlossen wird.

Diese Sicherheit wird es nie ganz geben. Was ist also die Konsequenz daraus?

Ich bin ja kein Politiker, also warum sollen wir nicht auch während der Arbeitswoche an einem Werktag wählen, da gehen sicherlich viele zur Urne.

Aber die nicht können, im Ausland sind, etc. die haben Pech gehabt?

Der Gesetzgeber muss eine Regelung finden. Fakt ist, das es eine Fülle von Hinweisen gab, dass mit Briefwahlkarten Missbrauch getrieben wurde. Wir kennen Fälle, wo im Nachkastel vom Vater im Altersheim eine Wahlkarte gefunden wurde, die dieser gar nicht bestellt haben kann. Aber derartiges konnte nicht Thema vor dem VfGH sein.

Alfred Noll sagt ja auch, dass das gar keine Wiederholung mehr ist, sondern einer Neuwahl gleichkommt, auch durch das neue Wählerverzeichnis.

Schauen Sie, das ist leider wie bei der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft. Wenn sie schlecht ist, haben wir auch auf einmal acht Millionen Trainer. Durch diese zum Teil sehr unsachliche Diskussion ist leider ein Autoritätsverlust des Verfassungsgerichtshofes eingetreten. Und da schalten sich jetzt selbsternannte Experten ein. Ich kann das nicht nachvollziehen. Genauso wenig Sinn macht das Vorhaben von Georg Zanger, der zum Europäischen Gerichtshof gehen will. Das ist alles sozusagen nur Geplauder. Wenn das die FPÖ sagen würde, wäre sie ein „schlechter Verlierer“.

Kann die Wahl am 4. Dezember, auch mit dem Hintergrund der Kleberaffäre, überhaupt noch korrekt über die Bühne gehen? Oder lässt sich das eh gleich wieder anfechten?

Ja vom Bemühen her schon. Ob das Innenministerium in der Lage ist, eine ordentliche Leistung zu erbringen, so wie es in der Privatwirtschaft von jedem Installateur verlangt wird, weiß ich nicht.

Haben Sie schon den Auftrag, dass Sie wieder anfechten werden, sollten der FPÖ nach einer Niederlage wieder die geringsten Zweifel kommen?

Nein ich habe keinen Auftrag. Die Anfechtung war ein korrekter Vorgang, nämlich eine Wahlanfechtung zur Wahrung des demokratischen Prinzips. Und die wurde leider von politischen Pseudo-Wissenschaftlern oder Pseudo-Politikern im wissenschaftlichen Mäntelchen ziemlich desavouiert. Dieser Autoritätsverlust hat soweit geführt, dass sogar ein Verfassungsrichter den Weg zu Armin Wolf ins Fernsehen findet, um dort seine Verschwörungstheorie in die Welt zu setzen.

Aber der wird das doch nicht nur als Freundschaftsdienst gemacht haben? Wenn ja, nochmals die Fragen. Warum klagen Sie das nicht ein?

Wie gesagt, da müssen Sie den Herbert Kickl und den Anwalt Michael Rami fragen. Ich glaube sie werden diese Sache in die Hand nehmen. Ich selbst führe keine Medienprozesse mehr. Das habe ich hinter mir.

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