Zur Klarstellung: Die
EU ist Ihrer Ansicht nach nicht schnell genug bei der Entscheidung, ob bestimmte Staatshilfen den Wettbewerb verzerren?
Lassen Sie mich ein Beispiel bringen: Am Beginn der Krise haben wir geschaut, welche Länder gute Maßnahmen setzen. Die Schweiz hat einen Kredit ermöglicht, der mit einer staatlichen Garantie von 100 Prozent versehen war und bis zu 500.000 Schweizer Franken geht. Wir wollten das auch machen, aber das europäische Beihilfenrecht verbietet es. Wir haben den Wunsch bei der Kommission kundgetan. 14 Tage ist nichts passiert. Dann kam die Erlaubnis. Zu dem Zeitpunkt hatten wir andere Garantieprodukte entwickelt – um dann in Windeseile doch noch die 100-Prozent-Garantie aufzusetzen und sie mit der Kommission abzustimmen. Deshalb sage ich: Setzen wir die Beihilfen aus.
Eines der großen Themen ist der Wiederaufbaufonds für
Europa. Österreich gibt sich skeptisch. Warum?
Überhaupt nicht! Wir sind prinzipiell dafür und haben dem zugestimmt. Offen ist, wie der Fonds finanziert wird und wie hoch er dotiert ist.
Wie hoch muss er dotiert sein? Werden es die kolportierten 1,5 Billionen Euro?
500 Milliarden liegen ja schon jetzt auf dem Tisch mit den beschlossenen Hilfsmaßnahmen. Wie der Wiederaufbaufonds dotiert wird, ist in Verhandlung.
Der französische Finanzminister hat am Wochenende appelliert, Italien dürfe in der Krise nicht alleingelassen werden …
… das sehe ich wie er.
Und dennoch hat die Zustimmung zu Europa und der EU in der Krise massiv gelitten. Was macht Sie optimistisch, dass es die Union in zwei, drei Jahren so noch gibt? Hat Europa eine Zukunft?
Absolut, davon bin ich felsenfest überzeugt – sonst würden wir ja auch nicht viele Stunden jeden Tag daran arbeiten, die Krise zu bewältigen. Egal, ob die diversen Minister und Staats- oder Regierungschefs: Wir alle glauben an dieses Projekt, und das wird durch die Krise nicht gefährdet werden. Klar ist, dass es Veränderungen geben wird – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch was die Definition der kritischen Infrastruktur oder auch europäische Produktionsstätten angeht. Aber insgesamt ist die EU nach der Krise genauso wichtig wie vor und in der Krise.
Zu
Österreichs Budget: Der Fiskalrat rechnet mit einem Minus von 26 Milliarden. Ist das realistisch oder eine Ist-Aufnahme, die sich ändert?
Es ist eine Ist-Aufnahme, aber etwas anderes schaffen wir auch nicht. Zum Vergleich: In normalen Jahren reden wir von Unschärfen der Prognosen beim Wirtschaftswachstum von 0,5 bis einem Prozent. Heute reden wir von Unterschieden von fünf Prozent. Niemand weiß, was kommt.
Die Kosten für die Krise sind massiv. Ihr Koalitionspartner hat über Vermögenssteuern nachgedacht. Ist das für Sie denkbar?
Was die Finanzierung der Krise angeht, kann man Anleihen bei der letzten Krise nehmen. Auch damals sind die Staatsschulden massiv in die Höhe gegangen, aber man hat es innerhalb von zehn Jahren geschafft, von 85 auf 70 Prozent herunterzukommen – ohne massive Steuererhöhungen.
Für die Grünen ist fix: 2021 werden niedrige Einkommen entlastet. Für Sie auch?
Wir werden uns diesbezüglich mit dem Koalitionspartner gemeinsam hinsetzen.
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