EU-Coronahilfen - Franzosen warnen vor "Europas Ende"

Bruno Le Maire sieht auch Rekord-Neuverschuldung
Französischer Finanzminister drängt auf gemeinsame Schuldenaufnahme - "Ich habe den Eindruck, dass in manchen Mitgliedsstaaten nicht erfasst wird, was gerade passiert"

Frankreich sieht im Ringen um die EU-Coronahilfen die Existenz der Europäischen Union auf dem Spiel. Wenn wir Italien allein lassen, ist das Europas Ende", sagte der französische Finanzminister Bruno Le Maire der Tageszeitung "Die Presse" (Samstagsausgabe). "Wir wollen nicht, dass das europäische Projekt verschwindet. Wir wollen nicht, dass die Eurozone explodiert."

Le Maire sagte in Richtung von skeptischen Staaten wie Österreich, dass man die Kosten des Wiederaufbaus nicht unterschätzen dürfe. "Ich habe den Eindruck, dass in manchen Mitgliedstaaten nicht erfasst wird, was gerade passiert. In Frankreich erwarten wir acht Prozent Rezession: Das ist die schlimmste Situation seit 1945. Und sie ist dieselbe in Italien, Spanien, Deutschland, überall. Bitte öffnen Sie die Augen."

"Was wir hier vorschlagen, sind keine Eurobonds", warb Le Maire für den französischen Vorschlag eines Wiederaufbaufonds, der durch gemeinsame Schuldenaufnahme der EU-Staaten finanziert wird. Dabei gehe es aber nicht um eine Vergemeinschaftung alter Schulden, sondern von Schulden für künftige Ausgaben und für eine begrenzte Zeit, "fünf Jahre etwa". Dies sei auch kostengünstiger als eine Finanzierung über das EU-Budget, weil die Rückzahlung der Schulden über einen längeren Zeitraum gestreckt werden könne.

"Ich sage es ganz einfach: Wir brauchen Geld - sehr viel Geld", sagte Le Maire. Andernfalls laufe man Gefahr, jahrelang in einer tiefen Rezession festzustecken, "die eine Gegenreaktion mit heftigen politischen Folgen verursachen wird". "Ist es wirklich im Interesse der Niederlande und anderer, dass Italien für die nächsten Jahre in eine riesige Depression stürzt? Ich denke nicht", so Le Maire. "Ich sage nicht: Zahlen wir für die anderen. Das ist nicht die französische Position. Sondern: Wir stehen vor dieser riesigen Krise, es geht um Europas Zukunft, alle Staaten sind gefährdet - auch jene mit soliden Finanzen."

Auch das EU-Parlament hat sich am Freitag mit großer Mehrheit für gemeinsame europäische "Aufbau-Anleihen" zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise ausgesprochen. Bei dieser zweiten Plenarsitzung seit Ausbruch der Coronakrise in Europa haben die meisten Abgeordneten wieder per Mail abgestimmt.

Damit sollen künftige Investitionen finanziert, aber nicht die bestehenden Schulden vergemeinschaftet werden. Die Ausgabe von gemeinsamen Schuldtitel ist unter den EU-Ländern höchst umstritten.

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