Kritik gibt es daran, dass Wiener nur 100 Euro Öko-Bonus bekommen, weniger als alle anderen Österreicher. Und das, obwohl der Finanzminister auch Wiener ÖVP-Chef ist …
Wir haben versucht, hier sehr seriös vorzugehen. Da geht es nicht darum, was mir politisch angenehm ist. Wir wollten eine Abstufung des Bonus, und da sagen Studien, aber auch der Hausverstand, dass jemand, der auf dem Land lebt, das Auto mehr braucht und daher der CO2-Preis ein größeres Thema ist als in der Stadt. Die Typologien wurde dann von der Statistik Austria und Wissenschaftern vorgenommen. Und ich habe gerade mit Verkehrsstadtrat Hanke vereinbart, dass sich der Bund zur Hälfte an den sechs Milliarden Euro für den U-Bahn-Ausbau beteiligt. So etwas gibt es in keiner anderen Stadt und wird auch von allen Österreichern bezahlt.
Glauben Sie ernsthaft, dass wegen Mehrkosten von acht Cent pro Liter Treibstoff jemand auf die Öffis oder ein E-Auto umsteigt? Um so viel schwankt ja der Preis oft untertags an den Zapfsäulen.
Es ist, wie Vizekanzler Kogler richtig gesagt hat, der Einstieg in den Umstieg. Der Preis wird ja weiter steigen und 2026 in einen Zertifikatshandel überführt. Aber die Steuerreform alleine wird nicht ausreichen. Es braucht eine Vielzahl an Maßnahmen, die es schon gibt und die noch kommen werden. Wie schnell das geht, ist noch ein Ratespiel, das wird man erst retrospektiv beurteilen können. Aber es ist uns ja nicht darum gegangen, dass wir definieren, dass man den Leuten das Geld aus dem Geldbeutel ziehen. Das soll ja auch sozialverträglich gestaltet werden. Das war ja auch das Schwierige an dieser ökosozialen Steuerreform, dass wir die verschiedenen Ziele miteinander verknüpfen. Wir haben vier Ziele gehabt: Erstens, dass den arbeitenden Menschen in dem Land mehr zum Leben bleibt, die aufstehen, die fleißig sind, die vielleicht auch das Auto brauchen. Zweitens dass umweltschädliches Verhalten einen Preis bekommt. Deswegen auch die CO2-Bepreisung. Drittens: Wir wollen, dass der Wirtschaftsstandort Österreich weiter gestärkt wird, damit Arbeitsplätze und Wohlstand in Österreich wachsen und erhalten bleiben. Und viertens dass die Schuldenquote Schritt für Schritt sinkt bis zum Ende des Budgetrahmens. Weil es darum geht, dass wir uns für die nächste Krise, die vielleicht irgendwann mal kommen wird, rüsten. Da braucht es viel Geld, um den Menschen zu helfen. Dafür braucht man einen ordentlichen Haushalt in guten Zeiten. Und deswegen müssen wir Schritt für Schritt die Schuldenquote senken. Und das war schon so etwas wie die Quadratur des Kreises.
Zum Verständnis: Was soll es bewirken, wenn jemand 80 Euro pro Jahr mehr fürs Tanken ausgeben muss, aber bis zu 200 Euro Öko-Bonus bekommt. Da brauche ich ja nichts ändern.
Die Idee ist, dass wir niemandem, der jetzt eine finanziell herausfordernde Situation hat, das Leben noch schwerer machen. Der Pensionist im Waldviertel kann sich vielleicht keine neue Heizung oder kein neues Auto leisten. Aber bei denjenigen, die ein Haus bauen oder ein neues Auto anschaffen, wird ein Lenkungseffekt erzielt werden, weil sie wissen, dass der CO2-Preis steigen wird.
Wie haben sich die Verhandlungen mit dem grünen Regierungspartner gestaltet. Standen Sie an der Kippe?
Das ist eines der großen Projekte dieser Bundesregierung. Wir haben ja in dieser Legislaturperiode schon einiges erlebt und auch einiges gemeistert. Und trotzdem haben wir es geschafft, gemeinsam durch diese Krise hindurch die richtigen Maßnahmen zu setzen. Dass Österreich stärker aus der Krise herauskommt, dass die Arbeitsplätze gesichert werden, dass die Unternehmen weiterhin bestehen können. Das ist schon sehr, sehr viel passiert. Gleichzeitig, haben wir gesagt, wollen wir die großen Projekte dieser Bundesregierung nicht hinten anstehen lassen und möglichst rasch umsetzen. Das hat zu einem gewissen Zeitdruck geführt. Und Zeitdruck ist bei Verhandlungen natürlich immer etwas, das zusätzlich Stress auslöst. Ich bin froh, dass es gelungen ist, das waren sehr harte, sehr herausfordernde Verhandlungen nächtelang hindurch. Aber ich glaube, es zeigt, wenn man sich internationale Zeitungsberichte ansieht, dass wenn man mit Vertrauen und Respekt miteinander umgeht, auch gemeinsam große Projekte zustande bringen kann, auch wenn man wie ÖVP und Grüne sehr unterschiedlich tickt.
Die Grünen haben ihr Ziel erreicht, obwohl sie dafür kritisiert werden, dass zu wenig passiert ist. Aber wo hat sich eigentlich die ÖVP durchgesetzt? Die Entlastung kleiner Einkommen ist per se ja kein ÖVP-Kernthema.
Die ÖVP verfolgt seit 30 Jahren das Ziel der ökosozialen Marktwirtschaft. Die Unternehmen sollen Gewinne erwirtschaften, damit steht Geld für den sozialen Ausgleich und die Ökologisierung zur Verfügung. Das ist uns, glaube ich, gut gelungen. Für Unternehmen werden die Steuern gesenkt, die niedrigen Steuerstufen entlastet, stark belastete Familien bekommen deutlich mehr.
Aber ein Spitzensteuersatz von 55 Prozent für Super-Verdiener und 50 Prozent für viele Leistungsträger kann einem Finanzminister einer Wirtschaftspartei nicht gefallen …
Wir haben einen bestimmten budgetären Spielraum, weil es uns auch darum geht, das Budget für die nächsten Generationen solide aufzustellen. Der Spitzensteuersatz ist ein sehr hoher, aber wir wollten kleine und mittlere Einkommen entlasten, weil man sich leichter tut, wenn man mehr Geld im Börsel hat. Daher mehr für Familien; aber auch für jene, die gar keine Steuern zahlen, bleibt durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge mehr übrig.
Alles, was Sie jetzt gesagt haben, hätte genauso ein Sozialdemokrat sagen können.
Ich glaube nicht, dass Sie mit einem sozialdemokratischen Politiker viel über Steuersenkungen diskutiert hätten, oder über niedrigere Unternehmenssteuern. Das würde mich sehr überraschen.
Den Bauern wird es auch gut gehen. Dass dieses Privileg ist nicht gefallen, sorgt schon für erhebliche Kritik an den Grünen, dass Sie da nachgegeben haben.
Das würde ich nicht so sehen, weil letztlich geht es uns allen in der Bundesregierung darum, dass regionale Produkte einen sehr hohen Stellenwert haben. Gerade wenn es um die Frage des CO2-Fußabdruckes geht, ist es viel gescheiter, wir essen österreichisches Rindfleisch als das importierte aus Argentinien, beispielsweise Österreich. Und wenn man dann den Bäuerinnen und Bauern das Produzieren noch teurer und schwerer macht, obwohl die gar nicht umsteigen können, dann wäre das ja kontraproduktiv. Und deshalb haben wir uns gemeinsam darauf geeinigt, dass die Land und Forstwirtschaft natürlich die Mehrbelastung zurückerhält. Alles andere wäre auch absurd, gerade im Sinne des Klimaschutzes.
Wie wichtig ist der Ausgang der deutschen Koalitionsverhandlungen für die finanzielle Stabilität Europas?
Ich glaube, dass die Frage, wer in Deutschland die nächste Koalition bilden wird, eine der wichtigsten europapolitischen Fragen dieses Jahrzehnts sein wird. Und wenn man jetzt mal annimmt, dass die CDU/CSU nicht in der Koalition mit dabei ist, dann hoffe ich sehr auf Christian Lindner und die FPD, dass die solide deutsche Budgetpolitik weiterhin ein großes Thema sein wird. Weil sonst, da gebe ich Ihnen absolut recht, wird es für Europa schwierig werden. Wir haben jetzt die Briten verloren, das waren so die wirtschaftsliberalen Kräfte in Europa, die sich sehr stark auf solche Dinge geschaut haben. Wenn jetzt die Briten weg sind und Deutschland eine Kursänderung macht Richtung einer Verschuldungspolitik à la Frankreich, dann glaube ich, wäre das schlecht für ganz Europa.
Wie sehr sorgt Sie, dass eine Stadt wie Graz jetzt kommunistisch wird? Wird der Finanzminister ein waches Auge drauf haben, ob mit den Finanzen sparsam gewirtschaftet wird?
Na ja, das ist ein Ergebnis, das niemand so erwartet hat. Ich rätsle auch noch, wenn man das Programm dieser Partei ernst nimmt, wie man da überhaupt dafür stimmen kann, wo es ganz offen für Enteignungen und Enteignungen geht. In der ersten Formulierung der Menschenrechte war das Recht auf Eigentum ganz vorne festgeschrieben. Da wird jetzt einfach gesagt: Wir sind für Enteignung und trotzdem gibt es einen Zulauf. Das ist etwas, was sich in meinem demokratischen Verständnis noch nicht ganz ausgeht, aber ich muss nicht alles verstehen.
Es gibt mediale Gerüchte über einen Wechsel von Ihnen zurück ins Kanzleramt. Kommt der jetzt nach erledigter Steuerreform?
Das schließe ich aus. Mich wundert selbst, dass das ein Journalist geschrieben hat und jetzt einige offenbar abschreiben. Nein, es ist falsch.
Gegen Sie wird immer noch ermittelt. Bleiben Sie im Fall einer Anklage?
Ich halte das für Spekulation. Es ist mittlerweile aktenkundig, dass bei allen Gegenständen, die bei mir mitgenommen worden sind, nichts gefunden wurde. Das überrascht mich nicht, und ich gehe davon aus, dass das auch später eingestellt wird.
Ein Teil der Steuerreform ist durch höhere ORF-Gebühren bald wieder weg. Was sagen Sie dazu?
Ich habe generell ein Problem mit Gebührenerhöhungen. Daher ist meine Haltung dazu sehr klar.
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