Der Rückzug von Michael Rohregger an der Spitze der Rechtsanwaltskammer Wien hat die Gerüchteküche angeheizt: Ist der Strafverteidiger im Zuge einer blau-türkisen Koalitionsbildung etwa auf dem Sprung ins Justizministerium?
Stimmt nicht, heißt es aus seinem Umfeld. Sein Rückzug sei seit November bekannt und habe mit den starren, zuweilen zermürbenden Strukturen in der Kammer zu tun. Außerdem wolle er sich auf seine Kanzlei konzentrieren. Immerhin hat er ein anspruchsvolles Mandat in der Signa-Causa (Ex-Finanzchef Manuel Pirolt), ist Stamm-Anwalt der Novomatic und vertritt ÖVP-Klubchef August Wöginger in dessen Postenschacher-Causa.
Es tut sich aber etwas anderes auf:
Im Verfassungsgerichtshof (VfGH) wurde ein Richterposten frei, weil sich Helmut Hörtenhuber Ende 2024 vorzeitig zurückgezogen hat.
Sein Nachfolger muss – wie Hörtenhuber – von der Bundesregierung nominiert werden. Rohregger käme dafür infrage, sagen Kollegen: Der 57-Jährige sei fachlich ein „Top-Mann“, ist spezialisiert auf Wirtschaftsstrafrecht und Verfassungsrecht und hat reichlich Fachbeiträge und Kommentare publiziert.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er bekannt, weil er 2016 für die FPÖ die Anfechtung der Hofburg-Stichwahl verfasst hat. Sein Engagement an der Seite von Dieter Böhmdorfer rückte ihn in der Wahrnehmung ins freiheitliche Lager.
Wobei vergessen wird, dass Rohregger danach für SPÖ und Neos vor den VfGH gezogen ist – mit Erfolg: 2019 wurde dort der Bundestrojaner, ein Prestigeprojekt der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung, gekippt.
Rohregger, der größten Wert auf seine parteipolitische Unabhängigkeit legt, war 2018 schon einmal im Rennen für den VfGH, als der Bundesrat ein Ticket zu vergeben hatte. Zum Zug kam dann aber Rechtsanwalt Michael Rami, damals Wunschkandidat der FPÖ.
Ist ein Honorarprofessor Professor genug?
Ein neuer Anlauf setzt voraus, dass Rohregger bis zum 14. März eine Bewerbung einreicht, die dann regierende (blau-türkise?) Koalition ihn nominiert und die gesetzliche Regelung großzügig auslegt: Laut Bundesverfassung darf die Regierung nämlich nur aus dem Kreis der Richter, Verwaltungsbeamten und Uni-Professoren auswählen – anders als Nationalrat und Bundesrat, die Juristen jeder Berufssparte nominieren können.
Rohregger ist „nur“ Honorarprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Uni Wien – neben seinem Hauptberuf als Anwalt.
Rüdiger Schender, der dem FPÖ-Lager zugerechnet wird und sich 2018 auch für den VfGH beworben hat, hat keine Chance. Auch er ist zwar fachlich und persönlich hoch angesehen – aber nicht einmal „Honorarprofessor“.
Brandstetters Abgang aus dem VfGH
Unterdessen wurde diese Woche ein Ex-VfGH-Richter wieder Thema: Das Verfahren gegen Wolfgang Brandstetter wegen Amtsgeheimnis-Verrats wurde eingestellt – jenes Verfahren, das im Februar 2021 den Anfang vom Ende seiner VfGH-Karriere markiert hat.
Damals wurden sein Handy und jenes von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek sichergestellt; später wurden Chats publik, in denen sich Pilnacek über die VfGH-Vizepräsidentin und eine Höchstrichterin ausließ.
Brandstetter zog sich aus dem VfGH zurück; wissend, dass ihm der interne Rückhalt fehlte – das allerdings schon lange vor der Chat-Affäre.
Apropos: Die Höchstrichterin, über die sich Pilnacek lustig gemacht hat, war Claudia Kahr. Sie scheidet Ende 2025 altersbedingt aus dem VfGH aus, weil sie heuer 70 wird. Es tut sich also wieder eine Chance auf für einen Kandidaten, den die Bundesregierung nominieren darf. Allerdings wieder nur für einen Richter, Professor oder Verwaltungsbeamten.
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