Bildungskarenz: Welche Reform Kocher den Grünen jetzt vorschlägt

Bildungskarenz: Welche Reform Kocher den Grünen jetzt vorschlägt
Eine WIFO-Studie zeigt, dass die aktuelle Form der Bildungskarenz nicht zielgerichtet ist. Kocher hat nun mit den Sozialpartnern ein Reformpaket erarbeitet.

Die Bildungskarenz boomt. Aber erfüllt sie auch ihren eigentlichen Zweck, Berufstätigen eine sinnvolle Weiterbildung zu ermöglichen? Der Rechnungshof und der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria stellten das zuletzt infrage. Eine Studie des WIFO, im Auftrag des Wirtschafts- und Arbeitsministerium (BMAW), bekräftigt die Kritik nun.

Die Kernaussagen der WIFO-Untersuchung:

  • Lagen die Ausgaben für die Bildungskarenz oder Bildungsteilzeit 2019 noch bei rund 210 und 2021 bei 295 Millionen Euro, sind sie 2023 auf rund 515 Millionen Euro angestiegen. Die Maßnahme verursacht also immer höhere Kosten. Von 2019 bis 2023 ist die Zahl jener Personen, die in Bildungskarenz gehen, von 14.500 auf 25.000 Menschen gestiegen.
     
  • Vor allem Frauen, junge Menschen und solche mit höherer Ausbildung nehmen die Bildungskarenz in Anspruch. Drei Viertel der Zugänge sind Frauen, nur vier Prozent der Teilnehmer sind über 50 Jahre alt. Zirka die Hälfte der Personen in Bildungskarenz hat zumindest die Matura.
     
  • Die Bildungskarenz hat einen moderaten, negativen Effekt auf die Beschäftigung. Arbeitnehmer, die in Bildungskarenz gehen, sind drei Jahre danach um 12,2 Prozentpunkte weniger in Beschäftigung. Nach zwölf Jahren ist der Beschäftigungsanteil um 1,9 Prozentpunkte geringer. 
     
  • Über die Hälfte der Personen kehrt nach der Bildungskarenz nicht mehr zu ihrem Arbeitgeber zurück. Ein Drittel geht davon aus, nicht zum Arbeitgeber zurückzukehren, bei einem Sechstel war das bereits vereinbart.

"Wir können uns vorstellen, dass man für die Bildungskarenz bestimmte Lehrgänge zertifiziert", sagt WIFO-Arbeitsökonom Helmut Mahringer. Zudem solle man den Fokus auf ältere Arbeitskräfte und Niedrigqualifizierte legen.

Kochers Reformvorschläge

Im Juli 2023 hat Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) nach der Rechnungshof-Kritik eine Reform der Bildungskarenz angekündigt. Mehrere Reformvorschläge habe er nun gemeinsam mit den Sozialpartnern erarbeitet, verkündet er am Dienstag bei der Vorstellung der WIFO-Studie. Formelle Gespräche mit den Grünen hätten noch nicht stattgefunden.

Die Bildungskarenz sei eine wichtige Weiterbildungsmaßnahme und solle erhalten bleiben, betont Kocher. In ihrer jetzigen Form sei sie aber "leider nicht zielgerichtet genug". Was will er dagegen unternehmen?

  • Mehr Geld: Der Mindestbetrag, den man während der Bildungskarenz erhält, soll von 14,53 Euro auf 31,18 Euro pro Tag erhöht und jährlich valorisiert werden. Das soll vor allem Niedrigqualifizierte bei der Weiterbildung unterstützen.
     
  • Verpflichtungen: Wer in Bildungskarenz geht, soll eine verpflichtende Bildungsberatung absolvieren und sein Ausbildungsziel angeben. Zudem sollen Teilnehmer Teilnahmebestätigungen für Kurse und Seminare verpflichtend vorlegen. Statt Selbstlernzeiten, sollen größtenteils nur noch Webinare und Seminare absolviert werden.
     
  • ECTS: Derzeit muss man während der Bildungskarenz faktisch nur 8 ECTS pro Jahr absolvieren. Künftig sollen es zirka 16 ECTS pro Semester sein. Die Prüfungen in diesem Ausmaß müssen zumindest angetreten werden. Geschieht das nicht, soll das Geld für die Weiterbildungsmaßnahme zurückgezahlt werden.
     
  • Elternkarenz: Eine Bildungskarenz im Anschluss an die Elternkarenz soll im Regelfall nicht mehr möglich sein. Eltern, die aus der Karenz kommen, sollen zumindest mehrere Wochen wieder arbeitstätig sein, bevor sie in Bildungskarenz gehen, meint Kocher.
     
  • Weitere Vorhaben: Ergänzend zur Reform der Bildungskarenz will Kocher das AMS-Fachkräftestipendium und das Pflegestipendium stärken.

Es gehe ihm nicht darum, Leistungskürzungen zu erzielen, so Kocher: "Vielmehr ist mir eine bessere Absicherung von Geringverdienerinnen und Geringverdienern, eine generelle Absicherung von Weiterbildungsangeboten für diese Zielgruppe und eine Stärkung von anspruchsvollen Weiterbildungsformaten ein Anliegen."

Loacker: "Kocher will System noch teurer machen"

Wie reagieren die politischen Mitbewerber? Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker hält Kochers Vorschläge für unzureichend. "Das einzig Konkrete an Kochers Vorschlägen ist die Verdoppelung des Weiterbildungsgeldes. Er will also das System teurer und noch attraktiver machen", meint Loacker. Die Kernprobleme, dass die Bildungskarenz zweckentfremdet und vor allem von jungen, gut ausgebildeten Menschen beansprucht werde, lasse Kocher unberührt. "Die Bildungskarenz wurde auch nicht erfunden, um die Babypause von Jungeltern zu verlängern. Doch auch diesem Problem widmet sich Kocher nur halbherzig, anstatt diesen gesetzlich erlaubten Missbrauch sofort abzudrehen", sagt Loacker.

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