Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderung nimmt drastisch zu

Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderung nimmt drastisch zu
Experten schlagen Alarm: Statistik zeige Rekordarbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderung „seit Beginn der Aufzeichnung“.

Rund 1,4 Millionen Menschen sind in Österreich in irgendeiner Form behindert. Vielen ist das gar nicht anzusehen, da sie etwa nicht auf einen Rollstuhl angewiesen sind, sondern psychische Leiden (Burnout, Depressionen) aufweisen.

Kaum bekannt ist, wie dramatisch die Situation von Menschen mit Behinderung in Österreich ist: Diese sind in einem hohen Ausmaß vom Arbeitsmarkt und damit von einem wesentlichen Teil des gesellschaftlichen Lebens ausgenommen. In einer Gesellschaft, die sich vor allem über die Erwerbsarbeit definiert, ist das für die Betroffenen nicht nur in einem hohen Ausmaß beschämend, heißt es aus den Behindertenverbänden, sondern bewirkt auch, dass sie ein Leben lang von Sozialleistungen leben müssen – und oftmals von Armut bedroht sind.

"Anstieg in der Arbeitslosigkeit von 140 Prozent"

„Wenn man die Situation heute mit jener vor der Wirtschaftskrise vergleicht, sieht man einen Anstieg in der Arbeitslosigkeit von 140 Prozent“, sagt Markus Neuherz vom Dachverband für berufliche Integration. Damit ist die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderungen so hoch wie noch nie seit Beginn ihrer statistischen Erfassung.

Darüber hinaus sind nur 55,9 Prozent der Menschen mit Behinderungen im erwerbsfähigen Alter auch erwerbstätig – oder auf Arbeitssuche. Bei Menschen ohne Behinderungen sind es hingegen 77,1 Prozent. Das wird auch als Folge der Wirtschaftskrise gesehen.

Kommenden Dienstag wird Neuherz gemeinsam mit den größten Behindertenverbänden Österreichs konkrete Forderungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt an die künftige Bundesregierung richten. Die Experten sehen eine Reihe von behindernden Regelungen als Ursache für die immer größer werdende Misere. Zwar verfüge Österreich über einige wirksame Instrumente zur Integration am Arbeitsmarkt, doch hätten zu viele Menschen mit Behinderung gar keinen Anspruch auf diese Hilfe – zum Beispiele jene 23.500 Personen, die als „arbeitsunfähig“ gelten, und damit ein Leben lang von Unterstützungen der Länder abhängig sind. Diese „Arbeitsunfähigkeit“ wird derzeit durch ein ärztliches Gutachten attestiert, oft schon gleich nach der Pflichtschule. „Auch das muss abgeschafft werden, bei jungen Menschen sofort.“

Kritik an Ausgleichstaxe

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das System der Ausgleichstaxe: Betriebe über 25 Mitarbeitern müssen Behinderte beschäftigen – oder eine „Ausgleichstaxe“ (von wenigen hundert Euro) zahlen. „Diese soll durch eine allgemeine Solidarabgabe in Höhe von 0,3 Prozent der Lohnsumme aller Arbeitnehmer ersetzt werden“, erklärt Neuherz. Mit dem Geld könne man weitere Integrationsmaßnahmen finanzieren.

Eine bessere Integration zahle sich überdies wirtschaftlich aus, zeigt eine aktuelle Studie, da jeder Behinderte, der einer Arbeit nachgehen kann, die Volkswirtschaft 14 Mal billiger kommt. Gefordert wird deshalb auch ein inklusives Schulsystem – da man ja nicht erst nach der Schule über Inklusion sprechen könne.

Die Dachverbände haben in einem 20-seitigen Dokument ihre Forderungen zusammengefasst und an Bund- und Länder übergeben, denn derzeit sind bei einem festgestellten „Leistungsvermögen“ von unter 50 Prozent die Länder, sonst der Bund zuständig. „Was nicht selten dazu führt, dass die Menschen in einem Ping-Pong zwischen den Behörden aufgerieben werden.“

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