Breite Kritik: Kommt Gefährder-Überwachung doch nicht?

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Fachleute zerpflücken Karners Gesetzesentwurf, skeptische Neos wollen Ende der Begutachtung abwarten.

International gehört es zum Standard, dass Behörden Unterhaltungen auf Messengerdienste überwachen können. Und es ergibt durchaus Sinn, denn potenzielle Terroristen tauschen sich mittlerweile in erster Linie über Dienste wie Telegram oder Signal aus. Österreichs Behörden dürfen derzeit lediglich Telefonate und SMS überwachen. Den Bundestrojaner, 2019 von Türkis-Blau eingeführt, kippte der Verfassungsgerichtshof, bevor er zur Anwendung kam. Hauptgrund: Der Eingriff in die Privatsphäre sei zu schwerwiegend.

Türkis-Rot-Pink hat sich bekanntlich darauf geeinigt, eine verfassungskonforme Regelung umzusetzen. Der Gesetzesentwurf des Innenministeriums – Anfang April von Minister Gerhard Karner (ÖVP) und Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) vorgestellt – sollte verfassungsrechtliche Zweifel beseitigen.

Die Begutachtungsphase endet am 4. Juni. Sind die Zweifel beseitigt? Nun, mit Blick auf die bisherigen Stellungnahmen von Experten, lautet die Antwort: nein.

Bekannte Bedenken

So bleiben unter anderem der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, die WU Wien und auch die Johannes Kepler Universität Linz dabei: Der neue Entwurf stellt einen weiterhin nicht verhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre dar. Auch hinsichtlich der technischen Umsetzung gibt es schwere Bedenken. Aus bereits bekannten Gründen: Es ist unklar, welche Software in die Geräte eingebracht werden soll und ob Sicherheitslücken bleiben, die dann auch Hacker nutzen könnten.

Ebenso große Zweifel gibt es daran, ob eine Lösung möglich ist, bei der Behörden nicht auf das gesamte Smartphone zugreifen können. Vorgesehen wäre, dass die Behörden nur spezifische Chats, nicht auch sämtliche Daten, auswerten können. Die Datenschutzbehörde ortet zudem unklare Formulierungen im vorgelegten Gesetzestext. Und sie warnt vor einer „erheblichen Verunsicherung“ von „weiten Teilen der Bevölkerung“ – durch die weitreichenden „technischen Eingriffsmöglichkeiten“.

Diese und weitere Punkte kritisierten zuletzt nicht nur Fachleute, sondern auch Neos-Mandatar Nikolaus Scherak. Wie beurteilen die Neos den Gesetzesentwurf?

Neos skeptisch

Karners Vorschlag sei ein erster Schritt, äußern sich die Pinken auf KURIER-Anfrage zurückhaltend: „Dieser Schritt bedeutet bei weitem noch keinen Beschluss, was eine gezielte Überwachung von Messenger-Diensten betrifft. Er ist der Start der Begutachtung.“ Nach Ablauf der Begutachtungsfrist würden „auch innerhalb der Koalition weitere intensive Gespräche stattfinden“. Und: „Wir werden dabei insbesondere darauf bestehen, dass eine allfällige Regelung, wie im Regierungsprogramm festgehalten, zweifelsfrei im Rahmen der Verfassung ist und ausschließlich gezielt bei einzelnen Gefährdern zur Anwendung kommt.“

Der Entwurf, das heben auch die Fachleute positiv hervor, zeigt hier erste Verbesserungen. Die Messenger-Überwachung soll erst nach richterlicher Anordnung und 35 Mal pro Kalenderjahr möglich sein. Ab jedem zusätzlichen Fall müsse das Innenministerium den Nationalrat informieren.

Politisch möglich, wenn auch unüblich, wäre übrigens ein türkis-roter Beschluss ohne Neos: ÖVP und SPÖ hätten ein Mandat Überhang im Hohen Haus.

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