"Kampf an mehreren Fronten": Bauern stellen 7 Forderungen an die EU
In Österreich werden pro Tag rund 280.000 geflügelte Tiere, 12.740 Schweine und 1.700 Rinder geschlachtet. 2023 produzierten heimische Fleischer laut Statistik Austria nur in diesen drei Kategorien 810.000 Tonnen Fleisch. Die Menge ist im Vergleich zu 2022 zwar minimal gesunken, dafür wurden mehr Ziegen und Pferde verarbeitet.
Dennoch: Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), Bauernbund und Landwirtschaftskammer sehen die heimische, nachhaltige Produktion gefährdet. Ein Problem: Laborfleisch, das in der EU zugelassen werden könnte. Totschnig ortet hinter dem kultivierten Fleisch eine „riesige Industrie-Lobby“. Eine neue Online-Umfrage im Auftrag des Thinktanks Good Food Institute Europe alarmiert den Minister. Demnach sind 63 Prozent der 1.000 befragten Österreicher für eine Zulassung.
Prinzipiell ist das Laborfleisch zwar ein Nebenschauplatz, doch die Debatte steht sinnbildlich für den massiven Streit zwischen Europas Landwirten und der EU. Der Bauernbund beschloss deshalb am Mittwoch bei einem Agrargipfel ein Grundsatzpapier mit sieben Forderungen, das tags darauf auch der EU-Kommission übermittelt wurde. Die Forderungen liegen dem KURIER vor.
Zölle für die Ukraine, weniger Schutz für den Wolf
„Unsere Bauernfamilien kämpfen zeitgleich an mehreren Fronten“, heißt es. Die EU fordere immer höhere Umweltstandards, gleichzeitig würden billige Importprodukte aus Drittstaaten auf den Markt drängen und die Bürokratie zunehmen. „Die Politik der EU-Kommission mit ihren hochtrabenden Zielen bringt unsere kleinstrukturierte Land- und Forstwirtschaft spürbar an ihre Grenzen. Das muss sich jetzt ändern“, heißt es im Papier, das auch Totschnig unterstützt.
Der Bauernbund fordert eine Kurskorrektur der EU-Agrarpolitik. Etwa einen Bürokratie-Abbau, eine bessere Nutzung von Wäldern, stärkere Eigenversorgung und die Wiedereinführung von Zöllen auf Getreide aus der Ukraine. Diese hatte die EU infolge des russischen Angriffskriegs ausgesetzt. Auch die bevorstehende Senkung des Schutzstatus des Wolfes ist Teil des Grundsatzpapiers.
- EU-Kurskorrektur im Sinne der europäischen Landwirtschaft (GAP) – mehr Beständigkeit und weniger Bürokratie
- Wald nützen und damit schützen!
- Versorgungssicherung durch Sicherstellung notwendiger Produktionsmittel
- Ukraine: Einführung von Handelskontingenten, Zöllen und verpflichtende Einhaltung von EU-Produktionsstandards!
- Eigenversorgung stärken und Herkunftskennzeichnung ausbauen
- Senkung des Schutzstatus für den Wolf!
- Neue Legislativvorhaben und Handelsverträge nur auf Basis umfassender Folgenabschätzung und Einbindung der Betroffenen
Was die EU-Kommission bereits unternommen hat
Die Unterstützer halten die Maßnahmen für dringend nötig, um „faire Einkommen auf den Höfen zu sichern und bürokratische Hürden abzubauen, damit wir uns wieder auf unsere Arbeit konzentrieren können“. Die Forderungen sollen nun den „strategischen Dialog über Agrarpolitik“ prägen, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Jahresbeginn startete.
Dieser stand bekanntlich im Zeichen europaweiter Bauernproteste – wenngleich diese in Österreich verhalten ausfielen. Während tausende Traktoren auf Berlin rollten, fanden sich auf FPÖ-Initiative am Wiener Ballhausplatz elf Vehikel ein.
Ein Reaktion der EU auf die Proteste: Bis 8. April können Landwirte online an einer Umfrage der Kommission zur Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) teilnehmen. Ziel: Bürokratieabbau. „Es darf aber nicht bei diesen gut gemeinten Ansätzen bleiben – jetzt müssen endlich Taten folgen“, sagt Bauernbund-Präsident Georg Strasser (ÖVP). Eine finale Analyse zum Stimmungsbild will die EU im Herbst vorlegen – und dann Maßnahmen erarbeiten.
Kommentare