Wut-Bauern treiben EU vor sich her: Grüne Pläne werden gekappt

Es war ein imposantes Rahmenprogramm, das Tausende Bauern an diesem Montag in Brüssel lieferten: Und zwar für das Treffen der EU-Landwirtschaftsminister, die sich durch Brigaden von Traktoren, Feuerwerk und Transparente in das Gebäude des EU-Rates durchschlagen mussten.
Maßnahmen ausgesetzt
Die bäuerliche Drohkulisse – in ganz Europa – macht inzwischen merklich Eindruck auf Europas Entscheidungsträger. Eine Maßnahme nach der anderen wird in diesen Wochen ausgesetzt. Strafen bei Nichteinhaltung von Umweltschutzauflagen nach Dürren, oder Hochwasser: Storniert. Umweltstandards für kleine bäuerliche Betriebe: Gelockert. Verpflichtung, vier Prozent der Ackerfläche stillzulegen: Aufgehoben. Man müsse jetzt rasch kurzfristige Maßnahmen setzen, um die Bauern zu beruhigen, so die Strategie in Brüssel. Dann aber sei langfristige Reform der EU-Agrarpolitik unausweichlich – gemeinsam mit den Bauern.
"Wut aufgestaut"
Auch die Landwirtschaftsminister in Brüssel – Österreichs Vertreter Norbert Totschnig war wegen einer Dienstreise entschuldigt – bemühten sich redlich, den Bauern jedes nur irgendwie mögliche Entgegenkommen zu signalisieren. So meinte Deutschlands Cem Özdemir: Es habe sich bei den Bauern „viel Wut“ über nicht gehaltene Versprechen aufgestaut.
Renaturierung
Das EU-Gesetz zur Renaturierung sieht vor, dass 20 Prozent aller Land- und Meeresflächen bis 2030 wieder in den natürlichen Zustand gebracht werden, bis 2050 sollen es dann 90 Prozent. Besonders umstritten ist die Renaturierung von landwirtschaftlich genutzten Flächen, etwa von trocken gelegten Mooren, die wieder bewässert werden sollen. Zahlreiche Ausnahmen sind aber inzwischen in das Gesetz hineinverhandelt worden.
Stilllegung
Die EU hatte beschlossen, dass ab 2023 vier Prozent der Ackerfläche stillgelegt werden. Unter dem Eindruck der Proteste der Bauern in ganz Europa wurde die Auflage vorerst storniert. Für Österreich hätte das Gesetz ohnehin nur geringe Auswirkungen, da etwa Bio-Bauern bereits solche Brachflächen einhalten.
„Gutes Geld verdienen“
Landwirte müssten mit Klima- und Artenschutz „gutes Geld verdienen“ können, anstatt dass sie zu Umweltmaßnahmen gezwungen werden. Die EU-Agrarpolitik sei ein „Bürokratiemonster“, das dringend reformiert werden müsse.
Prestigeprojekt wackelt
Eine bemerkenswerte Kehrtwende, für einen eigentlich Grünen Politiker wie Özdemir, aber auch für die gesamte EU-Umweltpolitik. Ursprünglich hatte die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen den Umwelt- und Klimaschutz auf ihre Fahnen geheftet. Der sogenannte „Green Deal“ galt als persönliches Prestigeprojekt der Kommissionschefin.
Gesetze geschrumpft
Der hat zuletzt ordentlich Federn lassen müssen, vor allem was die Landwirtschaft betrifft. So ist das EU-Gesetzesvorhaben, das den Einsatz von Pestiziden reformieren und reduzieren sollte, fürs erste vom Tisch. Die verbindlichen Regeln für den Schutz der Böden und der Wälder schrumpften zu Regeln für die regelmäßige Kontrolle dieser Böden und Wälder – und auch die stecken vorerst politisch fest.
Knapp überlebt
Eines der Gesetze, die den zunehmend härter geführten Kampf um Umweltschutz-Themen überlebt haben, ist da sogenannte „Renaturierungsgesetz“. Dessen Ziel: Europas oft schwer geschädigte Landschaften und Gewässer sollen zu einem wachsenden Anteil wieder in den natürlichen Zustand zurückversetzt, oder zumindest biologisch saniert werden.
Erbitterte Kämpfe
Das Gesetz hatte im Vorjahr erbitterte Kämpfe im EU-Parlament ausgelöst: Gerade christdemokratische Parteien wie die ÖVP, erklärten das Gesetz zur Gefahr für die Bauern, aber auch für die Lebensmittelversorgung Europas. Am Dienstag soll es im Parlament – wenn auch deutlich entschärft – endgültig abgesegnet werden . Die EU-Abgeordneten der ÖVP wollen trotzdem auch diesmal dagegen stimmen.
"Den Bauern zuhören"
Für ihren Agrarexperten Alexander Bernhuber enthält es weiterhin zu viele Widersprüche und offene Fragen, vor allem aber würde es den Bauern zu viel Bürokratie aufhalsen: „Wir haben schon zwei Dutzend EU-Richtlinien für die Bauern. Wir sollten die einmal vernünftig umsetzen, bevor wir noch eine draufsetzen.“
Den „Green Deal“, den selbst EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski inzwischen offen in Frage stellt, will Bernhuber trotzdem nicht aus der Welt schaffen, sondern umkrempeln, „im Dialog mit den Bauern. Denn denen muss man endlich zuhören.“
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