Dzihic: Rechnung macht sich für Strache nicht bezahlt

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Das Eintreten für die Abspaltung der Republika Srpska sei "gemeingefährlich".

Der Politologe und Balkan-Experte Vedran Dzihic glaubt nach den Aussagen von Vizekanzler Christian Strache (FPÖ) zugunsten einer Unabhängigkeit der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina "nicht, dass sich diese Rechnung bezahlt macht". Das Eintreten für eine Abspaltung des bosnischen Landesteils sei "gemeingefährlich", sagte Dzihic in der Nacht auf Freitag in der ZiB24 des ORF.

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In den 1990er-Jahren habe man gesehen, was Abspaltungstendenzen ausgelöst haben. Bosnien habe hunderttausend Opfer zu beklagen. Auch heute gebe es viele offene Grenzen am Westbalkan. Dzihic nannte den Kosovo, Mazedonien oder den Sandschak in Südserbien. "Wenn man beginnt, die territorialen Fragen aufzumachen, macht man die Büchse der Pandora auf und ruiniert ein kontinuierliches, jahrelanges Engagement der Europäischen Union und Österreichs", betonte der in Bosnien geborene Experte.

Österreich habe auf dem Balkan "wahnsinnig viel geleistet", sagte Dzihic. In der österreichischen Außenpolitik gebe eine Kontinuität. Seit Jahrzehnten befürworte Österreich die territoriale Integrität Bosniens. Dzihic erwarte keinen Kurswechsel in der österreichischen Außenpolitik nach dem Regierungseintritt der FPÖ. Man müsse differenzieren, ob Strache sich als Oppositionspolitiker geäußert habe oder jetzt als Vizekanzler.

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Die freiheitliche Partei habe "immer wieder versucht, innerhalb der serbischen Community in Österreich auf Stimmenfang zu gehen", erklärte der Politologe weiter. "Man hat dieses Thema ständig bespielt." Strache habe sich strikt gegen die Unabhängigkeit des Kosovos ausgesprochen, immer wieder die Nähe zu Serbien gesucht und zuletzt eben zur Republika Srpska. "Ich glaube, dass man da nicht sehr viel holen kann."

"Politik der Angstmacherei"

Der Präsident des bosnischen Landesteils, Milorad Dodik, der für Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina eintritt, sei international isoliert. In der serbischen Community gingen die Meinungen auseinander. Es gebe eine starke Opposition, die denke, dass Dodik "zündelt" und eine "Politik der Angstmacherei" betreibe, sagte Dzihic. Seine Regierungsbilanz sei "nicht so gut". Es gebe viel Klientelismus, Korruption, Nepotismus und Misswirtschaft. In Bosnien werde heuer gewählt. "Es durchaus möglich, dass Dodik im Herbst 2018 abgewählt wird."

Es sei wahr, dass Bosnien als Staat "nicht gut funktioniert". Aber, so betonte Dzihic: "Die Lösung darf nicht sein, etwas, was nicht mehr funktioniert, nochmal zu verstärken, indem man es weiter abspaltet." Die Lösung müsse stattdessen heißen: eine Erhöhung der Funktionalität durch ein Zusammenwachsen der drei Völker und der Landesteile. Und danach einen gemeinsamen, von der EU und der internationalen Gemeinschaft unterstützten Weg in Richtung der Europäischen Union, so Dzihic.

Wie am Donnerstag bekannt wurde, hatte Strache bei einem Besuch in Banja Luka vor der Nationalratswahl in einem TV-Interview gesagt: "Der Republika Srpska sollte die Möglichkeit der Unabhängigkeit gegeben werden." Er betonte auch: "Das heutige Bosnien und Herzegowina kann nicht funktionieren." Für seine Aussagen erntete Strache Kritik vonseiten der SPÖ, den NEOS und auch aus der Jungen ÖVP. "Straches Einmischung in den innenpolitischen Diskurs von Bosnien und Herzegowina ist inakzeptabel", kritisierte die Liste Pilz. "Darüber hinaus gefährdet er die außenpolitische Position Österreichs und die Stabilität am Westbalkan", so die außenpolitische Sprecherin, Alma Zadic, in einer Aussendung.

Noch vor Bekanntwerden der Strache-Aussagen hatte der Balkan-Experte Wolfgang Petritsch in einem Interview mit der "Presse" (Donnerstagsausgabe) die FPÖ-Balkanpolitik kristisiert. "Der Lackmustest wird sein, inwieweit sich die Ministerin (von der FPÖ nominierte Außenministerin Kneissl, Anm.) von diesen gefährlich-skurrilen außenpolitischen Ausritten der FPÖ freispielen kann", so der Ex-Diplomat. Als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina (1999 bis 2002) leitete er die zivile Implementation des Friedensvertrags von Dayton.

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