Austro-Türkinnen: Kopftuch, Karriere, Klischees

Fatma Cihan, Dilek Aksoy und Seyhan Cakmakci haben den Verein ATIK gegründet.
Drei austro-türkische Frauen über Integration, Ausgrenzung und den Wunsch nach Anerkennung.

„Wir fühlen uns einfach nicht mehr willkommen“, sagt die gebürtige Türkin Dilek Aksoy mit Wehmut in der Stimme. Früher sei ihr das weniger aufgefallen, aber als vor ein paar Jahren die FPÖ „Daham statt Islam“ überall in Wien plakatierte, hätte sich die Stimmung gegen Austro-Türken gedreht. Aksoy ist Ende Vierzig, geschieden, hat zwei erwachsene Kinder, arbeitet als Buchhalterin. Sie trägt Kopftuch, aus religiösen und kulturellen Gründen, wie sie sagt. Vor zwei Jahren hat sie den Verein ATIK (European Association of Turkish Business Women) gegründet. ATIK soll türkischen Geschäftsfrauen eine gemeinsame Plattform zum Austausch bieten.

Wir treffen uns in einem türkischen Kaffeehaus im 10. Wiener Gemeindebezirk. Neben Aksoy sind auch zwei weitere Frauen, die sich im Verein engagieren, zum Gespräch gekommen. Fatma Cihan, Anfang 30, ist genau das Gegenteil von Dilek Aksoy – kein Kopftuch, westlich gekleidet, verheiratet, noch kinderlos, berufstätig. „Meinem Mann ist es wichtig, dass ich arbeite“, sagt sie. Auch die dritte austro-türkische Frau, Seyhan Cakmakci, Anfang 50, trägt ihr Haar offen. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern, arbeitet auf Bezirksebene politisch.

Was die drei Frauen gemeinsam haben? Sie wurden in der Türkei geboren, sind erst im Kindesalter nach Österreich zu ihren Eltern nachgezogen. „Wir konnten nicht Deutsch, in der Schule war das nicht einfach“, sagt Cakmakci. Integration war vor allem in den Siebzigerjahren ein Fremdwort. „Wir wurden in vielen Belangen alleingelassen“, sagt Akoy. Viele türkische Mitschüler wären damals einfach in die Sonderschule abgeschoben worden, weil sie dem Unterricht nicht folgen konnten, erzählen die Frauen. Die Eltern konnten daheim nicht helfen, beherrschten die Sprache wenig bis gar nicht. Vor allem für die Frauen sei es schwierig gewesen, sich in einer völlig fremden Kultur zu integrieren. Gegen früher hätte sich natürlich viel verbessert, sagen sie, aber gegenwärtig werden „vor allem wir türkische Frauen mehr und mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt“.

Austro-Türkinnen: Kopftuch, Karriere, Klischees
türkisches Kaffeehaus in Wien, Türkinnen, Verein, Geschäftsleute
„Erdogan, Kopftuch und Islam, das sind die einzigen Themen, die mit uns in Zusammenhang gebracht werden, und die uns pauschal verurteilen, als wenn wir alle gleich wären“, sagt Cihan. „Die Medien und manche Politiker bauschen das alles auf, vieles, was geschrieben und gesagt wird, stimmt einfach nicht mit der Realität überein“, ergänzt Aksoy.

"Unsere Kultur hat auch viel mit Religion zu tun, die wir nicht verleugnen wollen"

Aber wie stehen sie zur Kopftuch-Debatte? Nimmt die Religiosität unter Austro-Türken zu? „Natürlich gibt es konservative Familien, die sehr religiös sind, aber das ist doch nicht die Mehrheit“, meint Cakmakci. „Und unsere Kultur hat auch viel mit Religion zu tun, die wir nicht verleugnen wollen“, erklärt Aksoy. Und das Kopftuch? „Meinen Eltern war das egal, mein Vater hat mir zwar nicht erlaubt einen Minirock zu tragen, aber sonst war er ganz locker“, erzählt Cihan und zeigt auf ihrem Handy Partyfotos von ihren Freundinnen, manche mit, die meisten ohne Kopftuch. Wenn eine Frau sich für das Kopftuch entscheidet, dann ist das ihr freier Wille, gegen Zwang wären sie alle, sagen die drei Frauen.

Ob viele Mädchen dazu gezwungen werden, darüber wollen sie nichts sagen. Aber sieht man nicht mehr Frauen mit Kopftuch als früher? „Nein“, sagt Cakmakci, „das glaube ich nicht, vielleicht schauen die Menschen jetzt einfach genauer hin“. Cihan ist sich sicher, dass die Stimmung gegen Frauen mit Kopftuch in der Öffentlichkeit aggressiver wird. Sie erzählt von einer Freundin, der das Kopftuch in der Wiener Innenstadt vom Kopf gerissen wurde.

"Auch wenn sie die gleiche Ausbildung genießen, werden Österreicherinnen immer bevorzugt werden"

Hat heute ein türkisches Mädchen aus der Gudrunstraße die gleichen Chancen wie ein österreichisches aus der Wiener Innenstadt? „Auch wenn sie die gleiche Ausbildung genießen, werden Österreicherinnen immer bevorzugt werden“, ist sich Cakmakci sicher. Der türkische Name sei ein Hindernis, und wenn die Frau am Bewerbungsfoto ein Kopftuch trägt, sei sie komplett chancenlos. Wichtig sei, dass bei den Eltern das Bewusstsein da ist, ihre Kinder ordentlich ausbilden zu lassen. Der Bildungsstand in der dritten und vierten Generation hätte sich sicherlich stark gebessert, sagen sie. Früher seien türkische Frauen fast ausschließlich in niedrigen Jobs zu finden und weniger berufstätig gewesen (siehe auch Abschnitt weiter unten), heute schaffen immer mehr Frauen den sozialen Aufstieg, meint Cihan.

Bleibt die Frage nach der Gleichberechtigung. Man liest und hört doch immer wieder von unterdrückten Frauen, von patriarchalischen Familienstrukturen und von jungen türkischen Burschen, die gleichaltrigen Mädchen diktieren wollen, was für sie laut Islam als rein und was als unrein zu gelten hat. Die Frauen antworten bei diesen Fragen zögerlich, meinen, dass sich auch hier vieles zum Positiven entwickelt habe, und dass man vor allem die jungen Burschen nicht ernst nehmen sollte. Probleme gibt es immer wieder, sagen sie, konkrete Antworten bleiben sie schuldig.

Aber haben Türken nicht selbst auch Fehler bei der Integration gemacht? Sicherlich, meinen sie, die Türken in Österreich seien noch immer eine sehr geschlossene Community, das merke man auch jetzt bei den vielen Debatten um Erdogan und das Kopftuch. Die Menschen ziehen sich noch mehr in ihre Strukturen zurück, das Aufeinander-Zugehen würde so immer schwieriger werden. Was sie sich wünschen als austro-türkische Frauen? „Mehr Anerkennung, Verständnis und Respekt“, sagt Dilek Aksoy.

Laut Integrationsbericht aus dem Jahr 2014 ist die Zahl der berufstätigen austro-türkischen Frauen mit 42 Prozent besonders niedrig. Auch die Bezahlung liegt weit unter dem Durchschnitt. Mit einem Bruttostundenverdienst von 8,31 € verdienten türkische Frauen um 34,6 Prozent weniger als österreichische Staatsbürgerinnen und 31 Prozent weniger als Männer mit türkischer Staatsangehörigkeit.

Anmerkung: Da keine sinnvolle Diskussion mehr stattgefunden hat, kann unter diesen Artikel nicht mehr gepostet werden.

Kommentare