Außenamt zu Italien-Konflikt: "Behalten den Fährverkehr im Auge"

Kurz traf italienischen Amtskollegen Alfano in Wien.
Außenminister Kurz' Forderung, Mittelmeerroute zu schließen und Fährverkehr einzustellen, lehnt italienischer Amtskollege Alfano ab. Kurz behält sich deshalb weiter vor, Brennergrenze zu schließen.

Man sei „noch nicht einer Meinung“, habe aber ein „ordentliches Gesprächsklima“, so das Fazit von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz nach einem etwa einstündigen Gespräch mit seinem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano gestern in Wien.

Anlass war eine OSZE-Sitzung, weil Italien 2018 den Vorsitz von Österreich übernimmt. Dabei erklärte Alfano, er werde den Fokus auf die Herausforderungen und Chancen der Migration und des Mittelmeerraumes legen. Freilich kamen Kurz und Alfano aber nicht drumherum, den österreichisch-italienischen Konflikt zur Brenner-Grenze zu diskutieren.

Mit dem italienischen Außenminister hatte Kurz eigentlich einen Gesinnungsgenossen vor sich. Alfano galt einst als „rechte Hand“ von Ex-Premier Silvio Berlusconi, gründete 2013 als Innenminister eine eigene Partei, die NCD, löste diese heuer auf und gründete dann die „Alternativa Popolare“ (mehr dazu am Ende des Artikels). Wie Kurz’ Volkspartei handelt es sich dabei um eine Mitte-Rechts-Partei.

Einig sind sich die beiden aber bei Weitem nicht.

Fährverkehr entscheidender Faktor

Kurz pochte bei dem Vier-Augen-Gespräch nach der OSZE-Sitzung darauf, dass die Mittelmeerroute geschlossen und der Fährverkehr zu Inseln wie Lampedusa eingestellt werden müsse. Flüchtlinge dürften nicht mehr aufs Festland gelassen werden, appellierte er an seinen Amtskollegen. Auf einen Punkt hat man sich zumindest verständigt: Dass das Weiterwinken gen Nordeuropa keine Lösung sei.

Vom Schließen der Route hält Alfano aber wenig, er fordert Solidarität in der EU ein und will die Hilfe in den Krisenregionen verstärken. Italienischen Medien sagte der Mitte-Rechts-Konservative vor einigen Wochen, seine Landsleute könnten "stolz darauf sein, Tausende Menschenleben und die europäische Ehre gerettet zu haben".

Zur Erinnerung: An der italienischen Küste sind heuer bereits 97.000 Flüchtlinge gelandet – ein neuer Rekord. Die Flüchtlingslager in Italien sind zum Bersten voll, eine Lösung ist nicht in Sicht. Derzeit wird die Lage am Brenner aber als ruhig beschrieben. Pro Tag werden etwa 15 bis 25 Flüchtlinge, meist afrikanischer Herkunft, aufgegriffen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es fast doppelt so viele.

Was also wäre ein Grund, die Grenze dichtzumachen? Der Fährverkehr sei entscheidend, heißt es aus dem Außenministerium zum KURIER. „Wir behalten ihn im Auge, weil er ein Indikator dafür ist, dass es zu größeren Ansammlungen an Flüchtlingen kommt. Wenn die Polizei sie nicht aufhält und wir den Eindruck haben, Italien ist überfordert, sind wir bereit, den Brenner zu schützen.“ Szenarien will man nicht nennen - man setze jedenfalls auf die Beobachtungen der österreichischen Beamten vor Ort.

Italiens Außenminister Angelino Alfano hat eine - sogar für italienische Verhältnisse ­- bewegte politische Karriere hinter sich.

Der Sizilianer war 1994 Rechtsbeistand von Silvio Berlusconi. Er soll mitgeholfen haben, Berlusconis Gerichtsverfahren bis zur Verjährung hinauszuzögern und wurde 2008 in seinem viertem Kabinett Justizminister. Mit 37 Jahren war Alfano damals jüngstes Kabinettsmitglied.

2013, in seiner Zeit als Innenminister, kam es zum Bruch mit Ziehvater Berlusconi. Alfano stieg aus dessen Partei aus und gründete seine eigene, die NCD, nur um diese 2017 aufzulösen und die Mitte-Rechts-Partei „Alternativa Popolare“ zu gründen. Beide Parteien lassen sich als konservativ und christlich-sozial einstufen, distanzieren sich jedoch von der rechtsextremen Lega Nord und den „Brüdern Italiens“.

Alfano hat in Italien auch wegen zahlreicher Mafia-Kontroversen mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. So soll er 1996 bei der Hochzeit der Tochter des Mafiabosses Croce Napoli gewesen sein. Gäste beobachteten einen "Bruderkuss" zwischen Napoli und Alfano. 2009 berichtete ein Mafia-Insider, dass Alfanos Vater mithilfe der Mafia Wahlstimmen für seinen Sohn gekauft haben soll.

Alfano dürfte sich dann aber doch mit der Mafia überworfen haben. Als Innenminister hat er für strengere Gesetze gegen mafiöse Strukturen gesorgt. 2015 wurden schließlich sechs Männer aus einem Mafia-Clan festgenommen, die einen Anschlag auf ihn geplant haben sollen.

- Bernardo Vortisch

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