Nach Krisensitzung: VP ist um Beruhigung bemüht
Die Journalisten warteten und warteten - und dann hieß es schließlich, es wäre nur eine "Routinesitzung" gewesen: VP-Parteichef Michael Spindelegger trommelte am Sonntag die schwarzen Landeshauptleute und Bünde-Chefs zusammen - um 22 Uhr bestellte er sie in die Parteiakademie in Meidling.
Grund für die ungewöhnliche nächtliche Zusammenkunft: Die heftige Kritik aus Vorarlberg, Tirol, Salzburg und der Steiermark wegen Spindeleggers Position in Sachen Gesamtschule. Er lehnt die geforderten Modell-Versuche ab. „Starrsinn“ attestierten ihm die Steirer.
Dass am Sonntag dann auch noch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer via KURIER kundgetan hatte, gegen Vermögenssteuern nichts zu haben, ließ Spindelegger reagieren: Damit konterkariert der Salzburger – zur Freude der SPÖ – die schwarze Parteilinie: Nein zu Steuern auf Vermögen. Ein Affront für Spindelegger. Der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ.
Keine Vertrauensfrage
Drei Stunden dauerte die Krisensitzung - danach hieß es "Entwarnung": Michael Spindelegger betonte in einer Pressekonferenz im Anschluss, dass er dabei nicht - wie im Vorfeld kolportiert - die Vertrauensfrage gestellt habe. Auch mit Rücktritt will er nicht gedroht haben. Die Sitzung bleibt also ohne personelle Konsequenz; weitere Gespräche werde es aber über über die von vier Bundesländern geforderten Schulversuche zur Gesamtschule brauchen.
Der Koalitionspartner blieb am Sonntag ruhig. Am Tag danach dann ein indirekter Kommentar: Kanzleramtsminister Josef Ostermayer strich in einer Aussendung der Partei hervor, dass die Vorbereitungen für die Regierungsklausur ab Dienstag "gut laufen": "Die Regierung arbeitet konstruktiv zusammen."
Keine Stellungnahme
Zum Streitthema der jüngsten Tage, der Bildungspolitik, betonte Spindelegger, dass das Gymnasium für alle Sitzungsteilnehmer "unverzichtbar" sei. Allerdings räumte er ein, dass es in der Frage der Schulversuche zur Gesamtschule "unterschiedliche Auffassungen" gebe, die man weiter diskutieren werde. Was die von Haslauer ins Spiel gebrachten Vermögenssteuern angeht, beharrte Spindelegger auf seiner ablehnenden Haltung: "Vermögenssteuern sind für uns kein Thema, aber klar ist auch, dass es für uns keine Denkverbote gibt."
Beruhigungspillen
Gleich eingangs hatte Spindelegger außerdem betont, dass die Schuldebatte erst das dritte Thema des Abends gewesen sei - am Montag setzte Klubobmann noch eins drauf:
Auch Wirtschaftsminister Mitterlehner und Wirtschaftsbundobmann Leitl waren am Montagvormittag nach der ÖVP-Krisensitzung sehr um eine Beruhigung der Emotionen bemüht. Man habe einen Weg gefunden, wie es weitergehen soll. Ein Rücktritt von ÖVP-Obmann Michael Spindelegger oder auch nur die Abgabe seiner Funktion als Parteiobmann seien nicht zur Diskussion gestanden.
Am Rande einer Pressekonferenz zur Expo 2015 sagte Mitterlehner, es habe Meinungsunterschiede gegeben, die habe man abgeklärt, auch wenn der Zeitpunkt für die öffentliche Auseinandersetzung vielleicht "nicht optimal" gewesen sei. Eine "Rebellion der Westachse" habe es nicht gegeben. Auch stelle sich die Frage nicht, ob er, Mitterlehner, als "Kronprinz" für Spindelegger infrage komme. Spindelegger habe die Partei im Griff. Nun sei "ein Prozess eingeleitet" wie es weitergehen soll. Er selber habe keine inhaltlichen Probleme, für ihn gelte das Regierungsprogramm, sagte der Wirtschaftsminister.
Kein "Obmann-Schlachten"
Leitl will am Abend nur an einem Koordinations- und Abstimmungsgespräch teilgenommen haben, nicht an einer Krisensitzung. "Man trifft sich halt einmal um 22 Uhr. So aus der Art ist das auch nicht.". Ein "Obmann-Schlachten" habe "überhaupt nicht" stattgefunden, es habe überhaupt keine Wortmeldungen gegeben, die die Kompetenz Spindeleggers infrage stellen würden. Wenn jemand laut nachdenke, dann könne man ja diskutieren, das sei aber kein Grund, die Kompetenz des Obmanns infrage zu stellen.
In der Sitzung habe man die Situation analysiert, unterschiedliche Standpunkte gesehen und dann "einen Weg gefunden, wie es weitergeht", so Leitl, ohne den Weg im Detail zu erläutern. Klar sei aber, dass Kommentare "besser abgestimmt" werden müssten. Spindelegger "hat mein vollstes Vertrauen", so Leitl. Das Bild in der Öffentlichkeit "war nicht optimal", daher sei man zusammengekommen "um es zu optimieren". Die Regierungsklausur, die morgen Dienstag beginnt, werde durch die Situation der ÖVP nicht überschattet, meint Leitl.
Der bei der Pressekonferenz ebenfalls anwesende frühere ÖVP-Obmann Josef Pröll wollte die Situation in der ÖVP nicht kommentieren.
Der KURIER ist schuld. Als ÖVP-Chef Spindelegger hörte, dass der Salzburger Landeshauptmann Haslauer jetzt auch noch über Vermögenssteuern diskutieren will, ist ihm offenbar der Kragen geplatzt. Das ist einerseits verständlich, denn die ÖVP hat ja eben erst ein Regierungsprogramm mit der SPÖ verabschiedet, dem auch Haslauer zugestimmt hat. Andererseits wusste der Parteichef, dass dieses wirklich nicht sehr inspirierte Programm irgendwann zu parteiinternen Diskussionen führen würde. Dass es so schnell passiert ist, liegt an der Enttäuschung von Süd- und West-ÖVP, in der Regierung personell kaum vertreten zu sein. Das war in der ÖVP schon immer wichtiger, als irgendwelche Sachfragen.
Um die sollte es nämlich gehen. Es ist ein Faktum, dass auch immer mehr bürgerliche Wähler mit der Bildungspolitik nicht zufrieden sind. Und wer vor den Wahlen verspricht, dass keine neuen Steuern eingeführt werden, dies aber nach der Wahl sofort tut, verdient Kritik. Die ÖVP redet gerne von den Leistungsträgern und knöpft ihnen jedes Jahr noch höhere Steuern ab - schon durch die kalte Progression. Es ist unglaublich, dass eine angebliche Wirtschaftspartei in vielen Jahren kein ordentliches Steuerkonzept zusammenbringt. Hier hat Haslauer im KURIER zu Recht ein Unbehagen angesprochen.
Spindelegger hat jetzt also nochmals durchgehalten und angeblich nicht einmal die Vertrauensfrage gestellt. Aber viele solcher „ganz normaler“ Nachtsitzungen wird er nicht mehr veranstalten können.
Sind die Tage von Michael Spindelegger als ÖVP-Obmann gezählt? Steuer- und wirtschaftspolitisch ist er auf Schleuderkurs, schulpolitisch wirkt er wie gelähmt. Dabei wäre zumindest hier ein Befreiungsschlag gar nicht so schwierig. Er müsste nur die ÖVP-Mitglieder zu einer Urabstimmung rufen. Gesamtschule ja oder nein, das Ergebnis ist für alle bindend.
Aber darum scheint sich Spindelegger gar nicht mehr kümmern zu können: Seine Partei bezweifelt, dass er stark genug ist, um die Partei aus der Krise zu holen, in die sie sich selbst hineinmanövriert hat: So uneinig hat sich die ÖVP schon lange nicht mehr präsentiert. In Wahrheit läuft hier ein Zwergenaufstand ab: Die „Revoluzzer“ vom Schlage Günther Platter sind ja keine schillernden Figuren am bundespolitischen Parkett, bekommen mit ihrer Kritik an der Bundespartei aber plötzlich hohes Gewicht. In diesen Chaostagen ist keine Parteilinie mehr erkennbar. Diese hat allerdings davor auch schon Spindelegger verlassen: Details wie die Rücknahme der GmbH light, um wieder mehr Körperschaftssteuer kassieren zu können, frustrieren die kleinen Unternehmer zutiefst. So schaut „Entfesselung“ nicht aus. Die ÖVP wirkt uncharismatisch, anti-urban, visionslos. Die Europawahl heuer dürfte für sie glimpflich ausgehen. Doch die Wien-Wahl 2015 kann nur mit einem ÖVP-Debakel enden.
Dabei wären zumindest für die Bundespartei die Voraussetzungen gar nicht so schlecht: Die Schwarzen konnten mächtige Ressorts wie das Finanz- und das Innenministerium halten und hätten theoretisch die Chance, die Politik aktiv mitzubestimmen. Schließlich befindet sich die SPÖ selbst in einer tiefen Identitätskrise. Doch Spindelegger scharte ängstlich vor allem Vertraute aus seiner CV-Verbindung und in Summe eher blasse Figuren um sich. Einen logischen Nachfolger gibt es nicht. Die Partei steht am Rande der Selbstzerstörung.
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