Aufregung: Pharma-Lobbyistin soll Chefin der Medizinmarktaufsicht werden

AGES leistet Hilfe für Stellen ohne ausreichend Testkapazitäten
Politische Opposition und Transparency International orten massive Interessenskonflikte.

Bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) herrscht Aufregung über eine Postenvergabe. Neue Chefin des Geschäftsbereiches Medizinmarktaufsicht, der für die Zulassung von Medikamenten und Impfstoffen zuständig ist, soll ausgerechnet eine Lobbyistin aus der Pharmaindustrie werden. Laut einer noch nicht öffentlich gemachten Entscheidung, die inzwischen durchgesickert ist, soll Helga Tieben der bisherigen Leiterin Christa Wirthumer-Hoche nachfolgen. 

Tieben ist seit 18 Jahren für den Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) tätig und leitet dort den Bereich "Regulatory Affairs, Supply & Innovation". Die Oppositionsparteien SPÖ und Neos sehen in der Neubesetzung einen klaren Interessenskonflikt. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried spricht von "Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern, die hinter Corona eine Verschwörung der Pharma-Industrie vermuten". Die SPÖ will eine parlamentarische Anfrage zum Bestellungsprozess einbringen.

"Das ist unglaublich"

Transparency International hält die Postenbesetzung mit Tieber sogar für unmöglich. "Das ist unglaublich, da  setzt sich Österreich über internationale Standards hinweg", sagt Claudia Wild, Gesundheitsexpertin bei Transparency International (TI) im ORF Morgenjournal am Samstag. Tieben hätte Pharma-Lobbying betrieben und diesen Hut könne man nicht von einem Tag auf den anderen absetzen. Das wäre so, als ob jemand aus der Tabakindustrie Leiter der Tabakaufsichtsbehörde werden würde, das gehe so nicht, ergänzt Anti-Korruptionsexperte Martin Kreutner in dem Radiobeitrag. 

Das Gesundheitsministerium verwies hingegen darauf, dass die AGES beim Auswahlprozess mittels Ausschreibung und Hearingkommission den Vorgaben entsprochen habe. Und von der AGES selbst hieß es, Tieben habe durch ihre fachliche und persönliche Kompetenz etwa im Arzneimittelrecht im Auswahlverfahren am meisten überzeugt und sei als Expertin anerkannt.

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