Propaganda-Feldzug mit Kriegs-Flüchtlingen

 
Heute liefert FPÖ-Chef Strache einen Vorgeschmack auf die Wahlkämpfe 2015. Er wettert gegen die Überfüllung des Erstaufnahme-Lagers in Traiskirchen.

Heute Abend macht sich Heinz-Christian Strache auf – in die Stadt, die von "gewissen" Asylwerbern "vermüllt" ist, wie sein niederösterreichischer Parteigeschäftsführer Christian Höbart meint.

Auf dem Hauptplatz von Traiskirchen wird Strache gegen Flüchtlinge wettern. Mit von der Hetzpartie: FPÖ-Landesobmann Walter Rosenkranz und Nationalratsmandatar Höbart, der Asylwerber als "Erd- und Höhlenmenschen" qualifiziert hat. "Überfüllung" des örtlichen Flüchtlingslagers und "Tumulte" in diesem werden die drei Blauen beklagen. Landeshauptmann Pröll mahnte schon im Vorfeld zu "Besonnenheit".

Propaganda-Feldzug mit Kriegs-Flüchtlingen
APA10396518 - 26112012 - TRAISKIRCHEN - ÖSTERREICH: FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache und FPÖ-Nationalratsabgeordneter Christian Höbart (L.) während eines Besuchs im Erstaufnahmelager Traiskirchen am Montag 26. November 2012, in Traiskirchen. APA-FOTO: ROBERT JAEGER

Im Jänner 2015 wird in den 570 niederösterreichischen Gemeinden gewählt. Schon jetzt wollen die Freiheitlichen nicht nur dort mit ihrem Lieblingsthema punkten: der Agitation gegen "Ausländer". Auch im Parlament haben sie es – wegen der vielen Kriegsflüchtlinge aus Syrien – verstärkt auf der Agenda. Mit Sagern wie "Asyl ist kein Wellnessurlaub" (FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl) und Slogans wie "Sicherheit statt Islamisierung und Asylchaos" wird Stimmung wider hilfesuchende Menschen gemacht.

Bei der Mehrheit der Bevölkerung, die nicht zwischen Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen differenziere, gehe das rein, befindet OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Jetzt erst recht ob des "großen Zustroms an Menschen. Die Leute lesen und hören von Problemen mit der Unterbringung, sind besorgt." Der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt urteilt: "Das ist ein Thema, bei dem die Leute sagen: Recht hat Strache." Und so sei es jedenfalls "erfolgversprechender als die Russophilie" der Blauen.

Anders verhalte es sich mit Höbarts Äußerung über Asylwerber, sagen Höbelt und Bachmayer. Damit könnten potenzielle Wähler abgeschreckt werden. Auch in puncto Regierungsfähigkeit der Freiheitlichen seien "solche Misstöne kontraproduktiv" (Bachmayer).

Manchen FPÖ-Funktionären missfällt Höbarts Verbalausritt ebenfalls, wie SOS Mitmensch eruiert hat. So sagt Fridolin Nessler von der FPÖ Innsbruck: "Äußerungen wie die von Herrn Höbart diskreditieren die anders denkenden FPÖ-Mitglieder und -Sympathisanten." Peter Hauser, FPÖ-Mann in Flachgau, erklärt: "Höbarts Aussage deckt sich nicht mit den Grundsätzen der Freiheitlichen Partei. Jegliche abwertende Bezeichnung ist eine Verletzung – und schmerzt."

Kritik an Straches Auftritt in Traiskirchen kommt von den Grünen, Minister Klug bietet zur Entspannung der Lage im Erstaufnahmezentrum eine Kaserne an.

Es kommen immer mehr Flüchtlinge zu uns!?

Heuer hat die Zahl der Asylanträge Monat für Monat zugenommen. Waren es im Jänner noch 1261 Anträge, stieg die Zahl im September auf 3360. Die meisten Asylwerber stammen aus Kriegs- bzw. Krisengebieten wie Syrien (4720) und Afghanistan (2818) gefolgt von Russland (1230). Seit Jahresbeginn wurden – gemessen an den Top 15 Herkunftsländern – 16.238 Asylanträge gestellt. Lediglich ein Viertel der Asylwerber sind Frauen.

Es gab noch nie so viele Flüchtlinge bei uns!?

Propaganda-Feldzug mit Kriegs-Flüchtlingen

Im Vorjahr erhielten laut UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen) 4133 Menschen in Österreich einen positiven Asyl-Bescheid. Das Gros stammt aus Afghanistan(1259) und Syrien (838), gefolgt von Russland (673). Zum Vergleich: Vor drei Jahren gab es ob der Unruhen in Nordafrika/Nahost 17503 Asyl-Neuanträge. Wegen des Afghanistan- (2001) und Irak-Krieges (2003) waren es zwischen 39.354 und 22.461 Neuanträge. Der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens vertrieb Anfang der 1990er-Jahre Zehntausende aus ihrer Heimat. Österreich nahm rund 90.000 Flüchtlinge auf; zu Beginn wurden rund 22.789 Asyl-Neuanträge gestellt. Im längerfristigen historischen Vergleich hat Österreich bereits mehrmals größere Flüchtlingsströme bewältigt: 1956/’57 flüchteten rund 180.000 Ungarn nach Österreich; zehn Prozent davon blieben. Nach dem „Prager Frühling“ kamen 1968 rund 162.000 Tschechen und Slowaken über die Grenze nach Österreich, von denen geschätzte 12.000 hier eine neue Heimat fanden.

Österreich nimmt die meisten Flüchtlinge auf!?

Aufgrund der geografischen Lage war und ist Österreich eines der wichtigsten Länder für die Erstaufnahme von Flüchtlingen in Europa. In der Dublin-Verordnung ist geregelt, welches Land in der EU für ein Asylverfahren zuständig ist. Gleichzeitig unterscheiden sich die Asylverfahren innerhalb der EU-Mitgliedsländer stark voneinander. Laut UNHCR bekommen fast 90 Prozent aller Syrer in Österreich Asyl gewährt, während es in Griechenland nur zehn Prozent sind. Wie in Österreich steigt auch in Deutschland die Zahl der Schutzsuchenden. Seit Jahresbeginn wurden in Deutschland 25.646 Asylanträge genehmigt – ein Rekordhoch.

Die Bundesländer haben bereits ausreichend Asylwerber aufgenommen!?

Während Wien mit 139 Prozent die von der Bundesregierung vorgegebene Quote über Gebühr erfüllt und Niederösterreich mit knapp 99 Prozent das Soll erreicht hat, hinken die übrigen sieben Bundesländer in puncto Grundversorgung von Asylwerbern hinterher. Bis zum 31. Jänner 2015 sollen alle neun Bundesländer die 100 Prozent-Quote insbesondere ob des stetig Anstiegs an Asylwerbern erfüllen. Die Erhöhung des Tagsatzes von derzeit 19 auf 21 Euro sowie eine faktische Verdoppelung des Betreuungspersonals – derzeit kommen auf einen Betreuer 170 Asylwerber – ist das zentrale Thema der Landeshauptleute-Konferenz am kommenden Dienstag in Kärnten. Die von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angedachte Quoten-Regelung für Gemeinden stieß bis dato auf Widerstand.

Propaganda-Feldzug mit Kriegs-Flüchtlingen
Das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen ist mit mehr als 1600 Asylwerbern überbelegt und derzeit politischer Spielball.

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