Asylwerber in Lehre: Kurz will Altfälle "pragmatisch" lösen
ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat sich in der Frage, ob in Lehre befindliche Asylwerber bei negativem Bescheid sofort abgeschoben werden sollen, am Mittwoch für eine "pragmatische Lösung" von Altfällen ausgesprochen. Er und Ex-ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck schlagen vor, dass der Asylbescheid bei etwa 900 Altfällen erst nach dem Ende der Lehrausbildung ausgestellt bzw. vollzogen wird.
So könne die Lehre auf jeden Fall abgeschlossen werden, teilte die ÖVP am Mittwoch in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Sollte der Asylbescheid dann positiv ausfallen, könne der Asylwerber in Österreich bleiben. Im Falle eines negativen Bescheides müsse der Asylwerber das Land verlassen, könne jedoch mit einer abgeschlossenen Ausbildung in seinem Heimatland einen Beitrag zum Wiederaufbau seines Landes leisten, so die ÖVP.
Besonders in Oberösterreich stieß der Kurz-Vorschlag auf Zustimmung. Landeshauptmann und Parteikollege Thomas Stelzer freute sich über die neue Positionierung der Bundespartei. Er habe von Beginn an auf eine Regelung mit Hausverstand gepocht und klargemacht, dass Asylwerber einen Lehrabschluss machen können.
OÖ fordert weitere Schritte
Allerdings, betonte Stelzer, müsse auch weiterhin das Prinzip gelten, "dass Asylrecht und Arbeitsmarktpolitik nicht vermischt werden dürfen". Generell brauche es gerade für den Wirtschafts- und Arbeitsplatzstandort Oberösterreich eine noch gezieltere Migrationspolitik für Fachkräfte. "Hier muss eine neue Regierung noch weitere Schritte setzen", so der Landeshauptmann.
Auch der Wirtschaftsbund begrüßte den Vorstoß am Mittwoch in einer Aussendung. Der Tiroler ÖVP-Wirtschaftsbundchef Franz Hörl will aber noch einen Schritt weiter gehen. "Auch bei der Rot-Weiß-Rot-Karte muss nachgebessert werden", erklärte Hörl, Listenzweiter der Volkspartei für die Nationalratswahl in Tirol, gegenüber der APA.
Menschen mit negativem Bescheid müssten "unter entsprechenden Voraussetzungen" in Zukunft die Möglichkeit erhalten, wieder unter neuem Status nach Österreich zu kommen und hier ihr erlerntes Wissen in heimische Betriebe einzubringen, sagte Hörl. Neben der abgeschlossenen Lehre sollen dabei Deutschkenntnisse und branchenspezifisches Wissen in der Bewertung stärker berücksichtigt werden. Damit würden die Investitionen in die Ausbildung von Asylwerbern nicht verloren gehen und die Zukunft in Österreich für die Betroffenen unter möglichst guten Voraussetzungen starten
Kein 3+2-Modell
Eine Umkehr der ÖVP hin zu einem 3+2-Modell, wie es in Deutschland praktiziert wird, ist das damit allerdings nicht. Die Neos und die Grünen fordern dessen Einführung. So könnten Lehrlinge sowohl ihre Ausbildung (drei Jahre) abschließen als auch noch zwei Jahre in Österreich arbeiten. Im Anschluss können sie eine Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen. Entschließen sie sich, keine Rot-Weiß-Rot-Karte zu beantragen, kehren sie mit einer abgeschlossenen Ausbildung und Arbeitserfahrung in ihr Herkunftsland zurück.
ÖVP: Lehre während Verfahren "Fehler"
Weiters teilte die Volkspartei mit, dass in Zukunft schnellere Asylverfahren notwendig seien. Dadurch bestehe schon innerhalb kürzester Zeit Klarheit darüber, ob der betroffene Asylwerber bleiben kann oder nicht. Der Beginn einer Lehre soll in Zukunft überhaupt erst nach einem positiven Asylbescheid möglich sein.
Die Einführung der Möglichkeit, dass Asylwerber während des laufenden Verfahrens eine Lehre beginnen können, bezeichnete die ÖVP in der Aussendung als "Fehler der damaligen rot-schwarzen Bundesregierung". In der türkis-blauen Koalition hatte sich die ÖVP den Bestrebungen auch von einzelnen Vertretern der eigenen Partei für eine Lösung der in Lehre befindlichen Asylwerber widersetzt.
"Schwarz-grüne Katze ist aus dem Sack"
Keine Freude hat die FPÖ mit dem Vorstoß des ÖVP-Chefs. Asylmissbrauch werde damit Tür und Tor geöffnet, meinte der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl am Mittwoch. Er sieht in dem Vorstoß zudem "eine weitere Vorleistung auf eine schwarz-grüne Koalition".
"Damit ist die schwarz-grüne Katze aus dem Sack", befand Kickl in einer Aussendung. Es könne keine Rede mehr davon sein, dass Kurz den Kurs der Regierung fortsetzen wolle, meinte der frühere Innenminister, der während seiner Amtszeit maßgeblich die Abschiebung von in Lehre befindlichen Asylwerbern politisch vorangetrieben hatte. Wer rechtskräftig einen negativen Bescheid hat, habe das Land zu verlassen, bleibt Kickl bei seinem Standpunkt.
Für die NEOS ist der Vorschlag von Kurz "purer Populismus". Für Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn braucht es stattdessen "eine klare Regelung mit wirklicher Sicherheit für die Asylwerbende und für die Unternehmer". Der Vorschlag der ÖVP löse hingegen kein Problem, "weder das, dass Asylverfahren schneller durchgeführt werden müssen, noch jenes, dass Asylwerbende raschen Zugang zum Arbeitsmarkt haben müssen".
Begrüßt wurde der Vorschlag auch von Oberösterreichs grünem Integrations-Landesrat Rudi Anschober. "Die heutigen Ankündigungen von
Sebastian Kurz zeigen, dass die Mauer aus Unmenschlichkeit und Unvernunft langsam zu bröckeln beginnt und beharrliches Engagement für eine Lösung der Vernunft vielleicht doch eine Chance hat", schrieb er in einer weiteren Aussendung zum Thema. Er lud die Parteien zu Gesprächen für einen Beschluss in der nächsten Nationalratssitzung ein.
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