Kickls Asyl-Agentur laut Höchstgericht zum Teil verfassungswidrig

Herbert Kickl und Sebastian Kurz (im Hintergrund)
Der Verfassungsgerichtshof beschäftigte sich mit der von ÖVP und FPÖ eingerichteten Bundesbetreuungsagentur.

Die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylwerber ist durch die unter Schwarz-Blau eingerichtete Bundesbetreuungsagentur (BBU) nicht hinreichend gesetzlich abgesichert, wodurch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt wird. Das hat der VfGH in einem Gesetzesprüfungsverfahren entschieden. Die entsprechenden Bestimmungen werden als verfassungswidrig aufgehoben. Bis 1. Juli 2025 hat der Gesetzgeber nun Zeit, eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen.

Seit Juni 2019 ist die BBU, die zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes steht, damit betraut, die kostenlose Rechtsberatung von Asylwerbern im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen. Zuvor führten vor allem Vereine derartige Beratungen durch. Im Dezember 2022 beschloss der VfGH, mehrere Bestimmungen im BBU-Errichtungsgesetz (BBU-G) sowie im Verfahrensgesetz für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA-VG) von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Bedenken wurden unter anderem im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrecht auf "effektiven gerichtlichen Rechtsschutz" geäußert.

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Asylwerbern ist für ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen. Dieser muss den jeweiligen Asylwerber etwa bei der Einbringung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unterstützen, und hat unabhängig und weisungsfrei zu agieren. Bis zur Errichtung der BBU oblag die Auswahl der Rechtsberater vor dem BVwG dem Bundeskanzler; mit der Durchführung der Rechtsberatung konnten auch Vereine wie die Diakonie betraut werden.

Fehlende Unabhängigkeit

Eben jene Unabhängigkeit vom Innenminister sieht der Verfassungsgerichtshof bei den Rechtsberatern der BBU nicht gegeben. Zwar ist diese gesetzlich festgeschrieben, die Stellung der Berater innerhalb der BBU und gegenüber dem Innenminister, der gesellschaftsrechtlich als Eigentümervertreter fungiert, ist jedoch in einem Vertrag näher ausgestaltet, der die Geschäftsführung der BBU in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht an Weisungen des Innen-sowie der Justizministerin bindet, heißt es einer Presseaussendung des VfGH am Freitag.

Justizministerin Alma Zadić begrüßt die Entscheidung des VfGH, dass die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit gesetzlich abgesichert werden müssen. "Es ist uns im BBU-Rahmenvertrag gelungen, entsprechende Garantien der Unabhängigkeit zu verankern. Trotzdem habe ich bereits damals gesagt, dass es eine gesetzliche Lösung für die Unabhängigkeit braucht", betonte sie am Freitag in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Am Zug sieht sie nun den Innenminister, um einen verfassungskonformen Zustand herzustellen. Das Justizministerium werde seine "grund- und menschenrechtliche Expertise zur Verfügung stellen", um einerseits die unabhängige Rechtsberatung und Vertretung von Asylsuchenden sicherzustellen, andererseits die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rechtsberatung der BBU langfristig abzusichern. "Allein dieses Jahr haben diese in zweiter Instanz in mehr als 20.000 Fällen unabhängig und qualitativ hochwertig beraten und vertreten", sagte Zadić.

Verfassungskonform ist laut der Prüfung des VfGH hingegen die Rechtsform der GmbH. "Die so gestaltete Rechtsberatung und -vertretung stellt - anders als z.B. bei der Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) - keine funktionell staatliche Verwaltungsführung (..) dar", so die Entscheidung des VfGH. Zwar habe der Gesetzgeber einen staatlich beherrschten Rechtsträger mit der Rechtsberatung- und Vertretung beauftragt, diese Tätigkeit sei aber eine Leistung für die Betroffenen, die auch von Privaten erbracht werden kann und erbracht wird. Daher lasse sich die BBU oder einzelne Rechtsberater nicht zur staatlichen Verwaltung zuordnen.

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In einem weiteren Verfahren prüft der VfGH derzeit, ob die Einschränkung des Rechtes auf Verfahrenshilfe gegen rechtsstaatliche Grundsätze eines effektiven Rechtsschutzes verstößt und damit verfassungswidrig ist. Anlass des Gesetzesprüfungsverfahrens ist die Beschwerde einer afghanischen Staatsbürgerin, die 2004 Asyl erhielt und 2021 die österreichische Staatsbürgerschaft sowie deren Erstreckung auf ihre drei minderjährigen, in Österreich geborenen Kinder beantragte. Ihr Antrag wurde abgewiesen. Daraufhin erhob die Frau beim Verwaltungsgericht Wien Beschwerde und beantragte Verfahrenshilfe für dieses verwaltungsgerichtliche Verfahren. Dieser Antrag wurde mit Verweis auf eine Bestimmung im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz abgewiesen: Demnach hängt das Recht auf Verfahrenshilfe davon ab, ob Grundrechte Gegenstand des Verfahrens sind (was im konkreten Fall nicht zutrifft). Die Bestimmung schließt also für alle anderen Verfahren die Gewährung von Verfahrenshilfe aus.

Vorläufig ist der VfGH der Auffassung, dass der effektive Zugang zu den Verwaltungsgerichten unabhängig davon bestehen dürfte, ob sich der Rechtsschutzsuchende in einer Angelegenheit an das Gericht wendet, die in den Anwendungsbereich der Grundrechte fällt. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Grundrechte könnte es im Einzelfall Verfahren geben, in denen Verfahrenshilfe zu gewähren ist, um einen wirksamen Zugang zum Rechtsschutz sicherzustellen.

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