Harald Mahrer: "Das wäre ein volkswirtschaftliches Todesurteil“
Er will die Prognose, die auf Berechnungen der Synthesis Forschung und des WIFO beruht, als „Weckruf an die Republik“ verstanden wissen.
Als Denk- und noch vielmehr als Debattenanstoß für Politik, Bund, Länder, Gemeinden und Sozialpartner, sich mit dem Arbeitskräftebedarf auseinanderzusetzen, „denn wenn wir nicht gegensteuern, dann kostet uns das alle Wohlstand“, sagt Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer.
Wiewohl die Berechnungen bis 2040 naturgemäß Unschärfen enthielten, sei ein Trend klar erkennbar: „Es fehlt an allen Ecken und Enden. Es geht nicht um Super-Spezialisten, sondern um Arbeitskräfte quer durch alle Branchen, Ausbildungsgrade und Bundesländer“.
In 17 Jahren fehlen demnach zusätzlich zu den bereits jetzt 206.500 offenen Stellen rund 363.000 Arbeitskräfte. Den größten Bedarf gibt es in Wien (83.278) gefolgt von Oberösterreich (64.426) und Niederösterreich (60.442) – und im Bereich der Herstellung von Waren (59.082), der öffentlichen Verwaltung (54.972) und im Handel (53.083).
Allein im öffentlichen Dienst klaffe österreichweit bis 2040 eine Lücke von 3.500 Arbeitskräften bei der Polizei (entspricht der Polizei-Belegschaft von Vorarlberg und Tirol) und rund 10.000 im Schul- und Erziehungsbereich (vergleichbar mit Personalstand von Ober- und Niederösterreich).
Mit dieser Entwicklung einhergehen steuerliche Mindereinnahmen von rund 150 Milliarden Euro, die sich auf unser aller tägliches Leben auswirken werden, so der WKÖ-Präsident. Weder werde das Gesundheitssystem in seiner jetzigen Form aufrechtzuerhalten sein, noch werde Österreich die Energietransformation umsetzen können, da öffentliche Mittel wie das notwendige Personal schlicht fehlen werden.
Geschuldet sei die Entwicklung, die ganz Europa betrifft, der Überalterung der Gesellschaft und der Abwanderung ausländischer Arbeitskräfte in ihre Heimatländer. Grund: Vor allem das Lohnniveau in Osteuropa habe sich zuletzt an das heimische angeglichen, so Mahrer.
Zu lösen sei das Problem nicht mit Einzelmaßnahmen wie qualifizierter Arbeitsmigration allein, sondern „nur systemisch“ und mit „tabulosen Debatten“. Betreffend der Arbeitszeitmodelle müsse es eine „echte Wahlfreiheit“ geben, genug Kinderbetreuungsplätze und mehr Netto- vom Bruttogehalt, wenn Teilzeitkräfte sich für Mehrarbeit entscheiden. Diese Debatte werde öffentlich aber nicht geführt, so Mahrer „und wenn, dann verkürzt“. Als Beispiel nennt er die 4-Tage-Woche.
„Es ist ein Märchen, dass es dem Land besser geht, wenn alle nur 32 statt 40 Stunden arbeiten. Das wäre ein volkswirtschaftliches Todesurteil. Diskutieren müssen wir über eine flexiblere Gestaltung von Arbeit.“
Es müsse jedem klar sein, welche Konsequenzen weniger Arbeit mittelbar (geringere Pension) und unmittelbar für die Allgemeinheit hat. „Wenn wir weiter am Sonntag frisches Brot wollen, sollten wir bedenken, dass dafür jemand am Sonntag arbeiten geht.“
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