Symbolische Geste: Sobotka und Deutsch übermalten antisemitische Beschmierungen
Isaak Pretzel macht nicht den Eindruck, ein besonders furchtsamer Mensch zu sein. Dennoch überlegt er sich seit der Vorwoche, einen Selbstverteidigungskurz zu machen oder sich einen Waffenschein zuzulegen. „Ich fühle mich bedroht“, sagt er zum KURIER.
In der Nacht von 30. April auf 1. Mai wurde neben mehreren anderen Geschäften im 2. Wiener Bezirk, wo die jüdische Community traditionell besonders stark vertreten ist, auch das Reisebüro Pretzels mit antisemitischen Parolen wie „Death to Zionism“ oder „Victory to Palestine“ beschmiert.
"Antisemitismus in diesem Ausmaß nicht vorstellbar"
Der aus München stammende Unternehmer betreibt seit 2001 sein Geschäft in der Leopoldstadt. Schon früher sei es vorgekommen, dass es mit kleinen Steinen beworfen wurde, weshalb er Werbung für Israel-Reisen aus der Auslage nahm. „Dass es wieder einmal zu einem Antisemitismus in einem derartigen Ausmaß kommen wird, war für mich nicht vorstellbar“, sagt der Sohn zweier Holocaust-Überlebender.
Die jüngsten Vandalen-Akte sorgten weit über Wien hinaus für Empörung. Geschahen sie doch ausgerechnet im Vorfeld der Gedenkfeiern zur Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen. Ein weiteres Beispiel für die seit dem Hamas-Terrorangriff am 7. Oktober rasant gestiegene Zahl an antisemitischen Vorfällen.
Am Montag trafen sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) mit Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, im 2. Bezirk, um symbolisch die Schmierereien zu übermalen.
Erinnerungen an das Jahr 1938
„Im Jahr 1938 hat sich hier der Hass auf gleiche Weise gezeigt“, betont Sobotka, der zeitgenössische Fotos von antisemitischen Ausschreitungen mitgebracht hat. „Das darf in Österreich keinen Platz haben. Hier ist eine klare Haltung nötig. Sonntagsreden allein reichen nicht.“
Sobotka verweist darauf, dass man seitens des Parlaments schon vor sechs Jahren auf die Gefahren durch den Antisemitismus hingewiesen habe. „Damals hieß es noch, wir malen den Teufel an die Wand.“ Dabei seien laut Studien 30 Prozent der Österreicher latent und acht bis neun Prozent manifest antisemitisch.
Einmal mehr warnt der Nationalratspräsident von der „ungeheuren Wucht“ des mit muslimischen Migranten importierten Antisemitismus. Mittlerweile würden sich Schulen mit migrantischen Kindern nicht mehr trauen, Demokratie-Workshops bei denen es auch um die Sensibilisierung gegenüber Antisemitismus gehe, zu belegen. „Das ist beklemmend.“
Dazu komme noch der im linken, intellektuellen Lager beheimatete „Feuilleton-Antisemitismus“, wie Sobotka betonte.
"Aufrufe zum Völkermord"
„Während die Graffiti mit Farbe überdecken werden, kann der Fleck des Antisemitismus nicht so einfach weggewischt werden“, betonte David Roet, Israels Botschafter in Wien. Es könne nicht hingenommen werden, dass Juden mit fadenscheinigen Anschuldigungen gegen Israel belegt und Aufrufe zum Völkermord an Wände gemalt, auf Universitäten oder Straßen in Wien gerufen werden.
Bei IKG-Präsidenten Deutsch kämen mit den jüngsten Beschmierungen in der Leopoldstadt düsterte Erinnerungen an die NS-Zeit zurück, als jüdische Geschäfte mit der Parole „Kauft nicht bei Juden“ versehen worden waren. „Geendet hat das dann mit der Ermordung von sechs Millionen Menschen.“
Auch Stadt übermalt Beschmierungen
Seitens der Stadt Wien hieß es Montagnachmittag, dass man umgehend im Auftrag von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Übermalung aller Beschmierungen veranlasst habe, welche nun größtenteils abgeschlossen sei.
Der Stadtchef beton, dass Antisemitismus eine abscheuliche Form von Hass sei, die man niemals tolerieren werde. Als Bürgermeister stehe er fest hinter dem Versprechen, dass Wien ein sicherer Ort für alle jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bleibe.
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