Antibiotika bis Schmerzmittel: Wichtige Medikamente nicht verfügbar

Medikamente - Antibiotika
Ärztekammer fordert von der Politik Maßnahmen gegen die zuletzt gehäuft aufgetretenen Engpässe bei Arzneimitteln.

Auch im vergangenen Winter kam es immer wieder vor, dass Patienten dringend benötige Medikamente wie etwa Antibiotika oder Schmerzmittel nicht in der Apotheke bekommen haben. Grund waren internationale Lieferengpässe, die zuletzt gehäuft auftraten.

Für die Ärztekammer ein unhaltbarer Zustand: „Es kann nicht sein, dass es in einem der reichsten Länder der Welt zu solchen Versorgungsproblemen kommt“, sagt Präsident Johannes Steinhart. Zumal es keine Überraschung sei, dass in der kalten Jahreszeit der Bedarf an solchen Medikamenten steigt.

Interview mit Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhar

Johannes Steinhart

Die Kammer nimmt die Politik in die Pflicht, um für eine sichere Versorgung zu sorgen: Sie müsse allen voran verhindern, dass die Produktion zusehends aus Europa abwandert. „Im Jahr 2000 stammten noch 59 Prozent der Wirkstoffe aus Europa, mittlerweile liegen fast 70 Prozent der Produktionsstätten, die den europäischen Markt versorgen, in Asien“, rechnet Vizepräsident Harald Mayer vor. 

Hier gelte es gegenzusteuern und eine eigene unabhängige europäische Produktion auszubauen. „Auch wenn die Politik dafür Geld in die Hand nehmen muss“, wie Mayer betont. 

Wirkstoff-Notfalllager, wie sie etwa Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) präsentiert hat, könnten hingegen nur eine kurzfristige Lösung sein. Vielmehr brauche es eine europaweit abgestimmte Lösung. 

Schädlicher Parallelhandel

Steinhart spricht ein weiteres Problem an, dass die Versorgung beeinträchtigt: Die sogenannten Parallelexporte. Dabei machen sich Händler die unterschiedliche Medikamentenpreise in den einzelnen EU-Ländern zu Nutze, indem sie Arzneien in dem einen Land günstig einkaufen und dann mit Gewinn in einem anderen Land teuer verkaufen. „Österreich, das im EU-Schnitt als Niedrigpreisland gilt, hat dann bei der Versorgung das Nachsehen“, sagt der Präsident. 

Er fordert, dass der Parallelhandel eingeschränkt oder überhaupt verboten wird.

In der Pharma-Industrie wünscht man sich ebenfalls eine größere Unabhängigkeit Europas, bremst aber gleichzeitig ein: „Vollkommen autark wird Europa nicht werden. Eine vollintegrierte Herstellung von allen Arzneimitteln von A bis Z in Europa und Österreich ist nicht realistisch“, sagt Alexander Herzog vom Fachverband Pharmig. „Aber es gibt Bereiche, in denen die Ausweitung der Produktion durchaus möglich ist und auch bereits geschieht“, erklärt er und verweist auf die vor kurzem erweiterte Antibiotika-Produktionsstätte des Herstellers Sandoz in Tirol.

Hoher Preisdruck

Hinzu komme die Preisproblematik: „Der hohe Preisdruck bringt schwerwiegende Folgen für die Arzneimittelversorgung mit sich. Pharmazeutische Unternehmen produzieren in Österreich oftmals nah an der Wirtschaftlichkeitsgrenze. Aber jedes Unternehmen muss kostendeckend produzieren und auch profitabel wirtschaften können, um sein weiteres Bestehen sicherzustellen. Andernfalls wird es gezwungen, sich aus der Versorgung zurückzuziehen. Das führt dazu, dass sich der Arzneimittelschatz stetig ausdünnt.“  

Was schon passiert ist

Im Gesundheitsministerium verweist man auf  Maßnahmen der EU-Kommission, mit denen die Produktion wieder nach Europa gebracht werden und der Austausch von Medikamenten zwischen den EU-Staaten ermöglicht werden soll. 

Auf nationaler Ebene habe man bürokratische Erleichterungen veranlasst, um Arzneien rascher verfügbar zu machen. Engpässe bei verschreibungspflichtigen Medikamenten müssten seit 2020 gemeldet werden. Gleichzeitig damit trete ein Paralellexportverbot für das jeweilige Produkt in Kraft. 

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