Ansturm auf Steuerberater, bevor Erben teurer wird

Ansturm auf Steuerberater, bevor Erben teurer wird
Bei Immobilien kommen zwei Steuererhöhungen zusammen - die Verunsicherung ist groß.

Soll man das Haus gleich an den Sohn übergeben, um ihm eine höhere Grunderwerbsteuer zu ersparen? Soll man eine Wohnung noch heuer verkaufen – oder ist es besser zuzuwarten? Die Steuerreform, die am Dienstag im Ministerrat beschlossen wird, wirft nach wie vor viele Fragen auf – und beschert Steuerberatern und Notaren großen Zulauf, bestätigt Margit Widinski von der BDO Austria. "Es gab schon im Vorfeld einige Aufregung, weil befürchtet wurde, dass eine Erbschaftssteuer kommt." Daher seien viele Immobilien bereits übergeben – und sogar Dividenden vorzeitig ausgeschüttet worden, um der bald höheren Grund- bzw. Kapitalertragsteuer zu entgehen.

Erklärungsbedarf

Dieser Trend werde anhalten und sich höchstwahrscheinlich noch "massiv verstärken", sagt KPMG-Partnerin Verena Trenkwalder, Vorsitzende des Fachsenats Steuerrecht in der Kammer der Wirtschaftstreuhänder. "Speziell bei Liegenschaften gibt es enormen Erklärungsbedarf. Hier treffen ja die Erhöhung der Grunderwerbsteuer und die Erhöhung der Immobilienertragsteuer aufeinander", so Trenkwalder. Dazu komme, dass für viele Kunden selbst die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer nicht vom Tisch sei. "Viele Klienten glauben, dass die Erbschaftssteuer in ein, zwei Jahren doch noch kommt, weil sie die jetzige Steuerreform für eine Mogelpackung halten."

Für die wesentliche Verteuerung bei der Grunderwerbsteuer sorgt die Umstellung von Einheitswerten auf Verkehrswerte (mehr dazu siehe unten). Ludwig Bitter, Präsident der Notariatskammer, weist auf ein zusätzliches Problem hin: Selbst bei Immobilien bis zu 250.000 Euro, für die künftig nur ein Steuersatz von 0,5 Prozent gilt, muss der Verkehrswert als Berechnungsbasis geschätzt werden. Ein Gutachter koste jedoch rund 2000 Euro. Unterm Strich drohe also auch hier eine Mehrbelastung.

Im Finanzministerium heißt auf KURIER-Anfrage, es sei noch offen, ob ein Gutachten nötig sei. Es würden auch noch andere Möglichkeiten geprüft. Bittner rät jedenfalls dazu, nicht in Panik zu verfallen. Eine Schenkung sollte jetzt nicht in jedem Fall durchgeführt werden, sondern nur, wenn die höhere Steuer ein letzter Anstoß für einen lang gehegten Wunsch sei.

Was ändert sich nun konkret bei der Grunderwerb- und Immobilienertragsteuer ab kommendem Jahr?

Grunderwerbsteuer: Bekommt man ein Grundstück oder ein Haus vererbt oder geschenkt, zahlt man künftig (voraussichtlich ab 1. Jänner 2016) bis zu einem Wert von 250.000 Euro 0,5 Prozent Steuer, bis 400.000 Euro zwei Prozent und darüber 3,5 Prozent – die Steuer wird progressiv berechnet (siehe rechts unten). Bemessen wird die Steuer in Zukunft nach dem Verkehrswert (derzeit dreifacher Einheitswert). Für Betriebe gibt es andere Schwellenwerte (siehe Hintergrund).

Immo-Ertragssteuer: Diese Steuer steigt von 25 auf 30 Prozent beziehungsweise für Alt-Immobilien von derzeit 3,5 Prozent auf einen noch nicht fixierten Satz (Insider gehen von vier bis sieben Prozent aus). Bemessungsgrundlage ist die Differenz zwischen Anschaffungs- und Verkaufspreis. Da ist Vorsicht geboten. Ein Beispiel: Wenn Eltern ihren Kindern jetzt ihre Eigentumswohnung schenken, um der bald höheren Grunderwerbsteuer zu entgehen, könnte eine saftige Immobilienertragssteuer anfallen, wenn die Kinder die Wohnung danach verkaufen. Der Grund: Die Differenz zwischen dem ursprünglichen Anschaffungspreis der Wohnung und ihrem heutigen Wert kann – nach den Boomjahren auf dem Wohnungsmarkt – beträchtlich sein. Steuerexpertin Trenkwalder: "Da muss man sich von Fall zu Fall ganz genau anschauen, was am vernünftigsten ist."

Wie wirken sich die Änderungen bei der Grunderwerbsteuer aus? Bis 250.000 Euro fallen 0,5 Prozent Steuer an, der Anteil zwischen 250.000 und 400.000 Euro ist mit 2 Prozent zu versteuern, für alles, was darüber liegt, fallen 3,5 Prozent Steuer an. Als Bemessungsgrundlage gilt künftig der Verkehrswert (derzeit dreifacher Einheitswert).

Beispiel 1: Für ein Haus im Wert von 450.000 Euro steigt die Steuerlast von 2400 auf 6000 Euro: Für den Anteil bis 250.000 Euro zahlt man 1250 Euro (0,5 Prozent), für 150.000 (2 Prozent) 3000 Euro, für die restlichen 50.000 Euro (3,5 Prozent) 1750 Euro – macht 6000 Euro.

Beispiel 2: Für ein Haus im Wert von 185.000 Euro (im Burgenland) sind derzeit 1214,90 Euro an Grunderwerbsteuer zu zahlen, künftig sind es 942,60 Euro.

Beispiel 3: Villa im Wert von einer Million: derzeit 3600 Euro, in Zukunft 25.250 Euro Grunderwerbsteuer.

Für Betriebe wird es einen Freibetrag von 900.000 Euro geben, bis 1,1 Millionen beträgt die Steuer 0,5 Prozent, bis 1,3 Millionen 2 Prozent, darüber 3,5 Prozent. Wird eine Firma im Wert von 2 Millionen in der Familie übergeben, muss der Junior 29.500 Euro an den Fiskus abliefern. Ausgenommen sind Landwirte. Ihre Regelung gilt weiterhin.

Die Umstellung der Grunderwerbssteuer weg von den Einheits- hin zu Verkehrswerten bei Schenkung oder Vererbung innerhalb der Familie „kommt teuer und bedeutet viel Bürokratie“. Zu dieser Einschätzung gelangt Ludwig Bittner, Präsident der österreichischen Notariatskammer. Die bisherige Regelung sei „unheimlich praktisch“ gewesen, denn in 95 Prozent der Fälle sei der dreifache Einheitswert gezahlt worden. Nur bei Streitfällen galt der Verkehrswert.

Bei Immobilien bis zu 200.000 Euro fallen künftig 0,5 Prozent des Verkehrswertes als Steuer an. Das ist zwar weniger als früher, jedoch kostet ein Gutachter rund 2000 Euro. Unterm Strich wird es also teurer. Um ein Gutachten würde ein Erbe kaum herumkommen, denn sonst drohten bei einer Prüfung durch die Finanz Probleme.

Hinzu kommt, dass diese Grenze bei vielen Häusern und Grundstücken in boomenden Immobilienmärkten leicht übertroffen wird. Bis 400.000 Euro fallen 2,0 Prozent an, darüber 3,5 Prozent. „Die Leute können sich nicht aussuchen, wo sie wohnen, das ist nicht sehr gerecht“, sagt Bittner. Zudem werden die Grenzen nicht an die Inflation angepasst, im Laufe der Jahre fallen also immer mehr Immobilien in teurere Kategorien.
Bittner hätte eine pauschale Liegenschaftsbewertung, die aber nicht mehr auf den veralteten Einheitswerten von 1974 beruht, bevorzugt. Er rät dennoch, nicht in Panik zu verfallen. Eine Schenkung sollte jetzt nicht in jedem Fall durchgeführt werden, sondern nur, wenn die höhere Steuer ein letzter Anstoß für einen lang gehegten Wunsch sei.

Für die Notare rechnet er mit stressigen Monaten. „Unsere Mitarbeiter werden sicher drankommen.“ Ein Mehrgeschäft sei es aber nicht, denn es handle sich um einen Vorzieheffekt.

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