Angst vor Ansturm: Zaun am Brenner "als letztes Mittel"
Vor einem knappen Monat, exakt am 14. Jänner, schrieb Tirols Landeshauptmann Günther Platter in einem Brief an Bundeskanzler Werner Faymann, dass "die langfristige Behinderung der Transitroute (über den Brenner, Anm.) für die Wirtschaft insgesamt, den Tourismus und die Tiroler Bevölkerung nicht zumutbar" sei.
Am Mittwoch hörte sich das plötzlich ganz anders an. Da gab der ÖVP-Landeschef in einem ORF-Radio-Interview seinen Sanktus zu einem Grenzzaun am Brenner bzw. für genaue Kontrollen aller Flüchtlinge ("Grenzmanagement-System").
"Für alles vorbereitet sein"
Wie passt das zusammen? Was hat Platter dazu bewogen, trotz seiner Bedenken nun Ja zum Zaun zu sagen? Es sei wichtig, auf alle Szenarien vorbereitet zu sein, er wolle am Brenner "kein zweites Spielfeld erleben", erklärte der ÖVP-Landeschef – und meint damit jene Bilder vom Oktober 2015, als die Situation an der südsteirischen Grenze aufgrund des Flüchtlingsandrangs beinahe eskaliert wäre.
Kritik aus Brüssel
In der EU wird der Zaun-Plan – wenig überraschend – kritisch gesehen. Ratspräsident Donald Tusk sagte: "Niemand in Europa möchte, dass Regionen wie Tirol durch ständige Grenzkontrollen zwischen Italien und Österreich aufgesplittet werden."
Im Büro Platter wird auf KURIER-Anfrage betont, der Zaun im Bereich des Brenner sei nur "das letzte Mittel. Der Landeshauptmann fordert ein Grenzmanagement-System südlich des Brenners" – also in Südtirol bzw. auf italienischem Staatsgebiet. Deshalb drängt Platter den Bundeskanzler auf Italien einzuwirken. Das kann Faymann am Freitag bei seinem Treffen mit Ministerpräsident Matteo Renzi tun.
Südtirol dagegen
Bisher zeichnet sich freilich nicht ab, dass die Flüchtlinge schon in Südtirol gestoppt werden könnten. Im Gegenteil: Die Südtiroler Volkspartei und Wirtschaftsvertreter sind vehement gegen einen Grenzzaun.
Die Tiroler Exekutive bereitet sich laut KURIER-Informationen dennoch intensiv auf die Errichtung einer "technischen Maßnahme" am Brenner vor. Die Polizisten haben sich in Spielfeld schon angesehen, wie das System dort funktioniert.
Die Kontrollpunkte
Doch nicht nur am Brenner will man gerüstet sein, falls sich die Flüchtlingsströme in naher Zukunft verlagern. Das könnte ja der Fall sein, wenn für Spielfeld Tageskontingente festgelegt werden (ab Mitte/Ende nächster Woche) – und somit nicht mehr so viele Asylwerber über die Südsteiermark ins Land kommen können wie bisher.
Österreichweit will die Polizei laut KURIER-Recherchen an rund zehn Grenzübergängen für intensive Kontrollen gewappnet sein bzw. notfalls dicht machen. Neben dem Brenner gilt das etwa für den Reschenpass (Tirol), den Grenzübergang Ambach bei Sillian (Osttirol) sowie für Thörl-Maglern, Lavamünd und den Karawanken-Tunnel in Kärnten.
Details Anfang nächster Woche
Landeshauptmann Peter Kaiser rechnet damit, dass ein Teil der Flüchtlinge über den Karawankentunnel einreisen wird, sagte er am Mittwoch im ORF-Radio. Bei der Kärntner Polizei bestätigt man auf KURIER-Anfrage auch Vorbereitungen für Thörl-Maglern und Lavamünd.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil wollen erst Anfang nächster Woche ihre Pläne für die Südgrenze präsentieren. Klar ist aber schon, dass das Heer die grüne Grenze sichern wird. Dafür sollen Rekruten eingesetzt werden.
Heuer 9000 Asylanträge
Dass die Politik Vorsichtsmaßnahmen ergreift, ist wenig verwunderlich. Der Flüchtlingsandrang ist bis dato größer als im vergangenen Jahr. Rund 9000 Asylanträge wurden seit Jahresbeginn in Österreich registriert, 7000 davon im Jänner, heißt es im Innenministerium. Zum Vergleich: Im Jänner des Vorjahres haben 4124 Personen um Asyl angesucht.
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