Angelobt: "Vor dem heiligen Herzen Jesu Christi"
Heinzi, duas ned!“, war auf einem Plakat zu lesen – und ein paar Dutzend Demonstranten schrien aus vollen Kräften gegen die Kälte an: „Wir sind hier und wir sind laut, weil ihr uns die Wissenschaft klaut!“
So passiert am Montag vor der Wiener Hofburg, 20 Minuten vor der Angelobung. Die Fusion des Wissenschafts- mit dem Wirtschaftsressorts trieb Studenten auf die Straße. Doch ihr Appell wurde von „Heinzi“, also Bundespräsident Fischer, nicht erhört. – und das lag nicht nur an der Mundart.
Während draußen die Jugend skandierte und die Unis im ganzen Land schwarz beflaggt waren, wurde drinnen, im Kronleuchter-erhellten Maria-Theresien-Zimmer, alles für die Zeremonie vorbereitet: Die 16 Angelobungsurkunden wurden mit Post-it-Zetteln markiert, die Tintenfüller kontrolliert.
Sechs Minuten vor elf durchschritt der ministeriale Tross die Hofburg-Zimmer. Vorneweg: Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger; dahinter die Minister, Staatssekretäre samt Entourage.
Die Angelobung in Bildern:
Spärlich besetzt war diesmal die „Zuschauertribüne“: maximal zwei Angehörige pro Regierungsmitglied, so wollte es das Protokoll aus Platzgründen. Helene Karmasin, die bekannte Motiv-Forscherin und Mutter der neuen Familienministerin, war da; auch Martina Ludwig-Faymann. Die Frau des Kanzlers bildete mit ihrem pinken Blazer den einzigen Farbtupfer. Die Mehrzahl der Ministerinnen (Bures, Karmasin und Steßl) kam in schwarz, lediglich die Damen Mikl-Leitner und Heinisch-Hosek gewandeten sich in creme- bzw. graufarbenen Kostümen. Auffälligster Mann war – kleidungstechnisch – der neue Außenminister: Sebastian Kurz trug eine dunkelrote Krawatte. Das war insofern bemerkenswert, als er seine erste Angelobung vor zweieinhalb Jahren noch schlipsfrei bestritt.
Zum Amt selbst mochte der 27-Jährige nicht viel sagen. Er wolle die „Expertise des Hauses“ mit einem „frischen“ Zugang verbinden.
Irgendwie „frisch“ agierte auch Andrä Rupprechter. Der neue Landwirtschaftsminister mochte erst gar nicht verbergen, dass er sich in seiner Rolle wohlfühlt. Und dazu gehörte für den Tiroler eine ungewöhnliche Gelöbnisformel: „Herr Bundespräsident, ich gelobe, so wahr mir Gott helfe und vor dem heiligen Herzen Jesu Christi.“ Heinz Fischer brauchte eine Sekunde, eher er die Formel mit einem „Dankeschön“ für gut befand. Manch Nicht-Tiroler rümpfte die Nase, Rupprechter verstand’s nicht – Tirol ist das Herz-Jesu-Land, der Schwur seit Andreas Hofer Legende.
Sekt & Schnaps
Abgesehen davon verlief die Angelobung friktionsfrei. Nach einem Schluck Sekt marschierte die neue Mannschaft retour ins Kanzleramt. Auf dem Weg dorthin wurde der Regierung gleich einmal der Marsch geblasen: Die Trachtenkapelle Brandenberg war für „ihren“ Minister Rupprechter frühmorgens nach Wien aufgebrochen. Auch eine Abordnung der Schützen war auf dem Ballhausplatz angetreten, um dem Neo-Minister zu salutieren. Ein Schnapserl für Kanzler, Vize & Co. „auf die Große Koalition“ wurde auch getrunken, ehe Rupprechter befand: „I muass no ab bissl wos oarbeiten.“
Für einen anderen Tiroler war die Regierungsarbeit hingegen beendet. Karlheinz Töchterle empfing Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der die Wissenschaftsagenden übernimmt. Töchterle mochte seine Enttäuschung nicht ganz verbergen: „Möge das einigermaßen riskante Experiment gelingen.“ Enttäuscht ist auch Maria Fekter: Als die bisherige Finanzministerin ihr Amt am Montag an Michael Spindelegger übergab, brach sie in Tränen aus.
Die Zukunft der Pensionen hat wie kaum ein anderes Thema Sprengkraft für die Regierung Faymann II. Zu gegensätzlich und ideologisch festgefahren sind die Positionen. Die Volkspartei wollte in den Regierungsverhandlungen neue Einschnitte und eine Pensionsautomatik für die Zukunft durchbringen. Die SPÖ legte sich quer.
Das Ergebnis ist ein dreifacher Zeitgewinn, den die SPÖ eingefahren hat.
2016 Zwei Jahre lang wird einmal beobachtet („Monitoring“). Sollte sich 2016 zeigen, dass das durchschnittliche Pensionsantrittsalter nicht rasch genug in Richtung 60 gestiegen ist, kommen nicht automatisch neue Eingriffe ins Pensionsrecht.
Verhandlung SPÖ und ÖVP müssen in diesem Fall neu über allfällige Gegenmaßnahmen verhandeln (z. B. neue Einschränkungen für Frühpensionen, nur eine minimale Pensionserhöhung).
Streitschlichtung Scheitern diese Gespräche, hat die SPÖ einen Streitschlichtungsprozess durchgesetzt, dessen Ergebnis für die Regierung bindend sein soll.
Wirklich unabhängige Meinungen sind freilich nicht gefragt, denn die Streitschlichtungsstelle besteht aus zwei Roten und zwei Schwarzen: Ein Vertreter des SPÖ-Sozialministeriums und der Chef der dort angesiedelten Pensionsreformkommission sowie ein Vertreter des ÖVP-Finanzministeriums und der Chef des ihm zuordenbaren Fiskalrates. Soll heißen, es muss ohnehin eine Einigung in der Regierung gefunden werden, sonst hilft die Streitschlichtung wenig.
Mitverhandler Joachim Preiss, Kabinettschef von SP-Sozialminister Rudolf Hundstorfer, sagte am Montag zu Journalisten: „Wenn wir in die Schlichtung gehen müssen, haben wir schon vorher ein echtes Problem. Das heißt Regierungskrise.“
Der politische Vorteil der Streitschlichtung liegt aber auch auf der Hand: Schlagen die Schiedsrichter neue harte Pensionseinschnitte vor, dann bekommen sie den schwarzen Peter – und nicht die Regierung.
Neue Regierung, altes Problem: In stundenlangen Verhandlungen wollten Kanzler und Vize in der Nacht auf Montag den Streit um die Erhöhung der Beamtengehälter beilegen – und so einen Riesen-Protest am Mittwoch in der Wiener Innenstadt abwenden. Doch daraus wurde nichts: Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) lehnte das Angebot ab.
„Ein Abschluss muss her, aber es kann nicht sein, dass es zum guten Ton gehört, uns immer mit einem Ergebnis unter der Inflationsrate nach Hause zu schicken“, sagt GÖD-Chef Fritz Neugebauer dem KURIER. Man wolle einen Zweier vor dem Komma sehen und habe als Kompromiss angeboten, die Gehaltserhöhung später in Kraft treten zu lassen. Die Regierung habe 193 Millionen hingelegt. Pferdefuß: 2014 hätte es zwar 1,7 Prozent mehr gegeben, doch einen Teil der Erhöhung wollte sich die Regierung zwischen 2015 und 2017 wieder zurückholen.
Jetzt rüsten die Beamten zum Protest: Rund 30.000 Teilnehmer werden erwartet, Sonderzüge und Busse sind bestellt. Etwa eine Stunde lang wollen die Beamten ab 14.30 Uhr am Wiener Ballhausplatz ihrem Unmut Luft machen. Mit Verkehrsbehinderungen entlang des Wiener Rings ist zu rechnen.
Anschließen werden sich nicht nur Bedienstete von Post, Telekom und Bundesbahn, sondern auch viele Lehrer, sagt Gewerkschafter Paul Kimberger. Im Pflichtschulbereich sei aber garantiert, dass die Kinder beaufsichtigt werden.
Neben der mageren Gehaltserhöhung sieht Kimberger auch das neue Lehrerdienstrecht als Motiv für Proteste. „Wir haben zwar bei den Verhandlungen im Parlament Schritte in die richtige Richtung gesehen, aber mit Hängen und Würgen“, sagt er.
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