Schieder: "Regierung fördert soziale Trennung"

"Das Nationalratspräsidium ist kein Durchhaus": Schieder kritisiert den Wechsel von Köstinger zu Sobotka
Türkis-blaue Pläne bei Mieten, Steuern und Sozialem richten sich gegen die Mittelschicht, sagt SPÖ-Klubchef Andreas Schieder.

Herr Klubobmann, zwei der drei Nationalratspräsidenten verabschieden sich in die Regierung. Wird die SPÖ Wolfgang Sobotka und Anneliese Kitzmüller am Mittwoch wählen?

Wir werden das in der Klubsitzung diskutieren, aber ich glaube nicht, dass Sobotka viele Stimmen von SPÖ-Abgeordneten bekommen wird. Das Nationalrats-präsidium ist kein Durchhaus. Es stellt sich auch die Frage der Parlamentserfahrung. Bei Köstinger hat uns die ÖVP erklärt, sie sei zwar nicht im Nationalrat, aber im EU-Parlament gewesen. Was wird die ÖVP bei Sobotka sagen? Dass er eh im Gemeinderat von Waidhofen war?

Was war Ihr erster Eindruck vom Auftreten der neuen Regierungsspitze Kurz/Strache?

Der des Wählerbetrugs und einer Umfallerkultur zurück in alte Zeiten. Ich nenne die Zurücknahme des Rauchverbots, den 12-Stunden-Arbeitstag, Studiengebühren, Ziffernnoten für Volksschüler und eine Schwächung der Arbeitnehmervertretung. Ich sehe in dem Programm wenige Reformen, aber viel Klientelpolitik. Die, die Sebastian Kurz im Wahlkampf finanziell unterstützt haben, bekommen nun, was sie wollten: den 12-Stunden-Arbeitstag und niedrigere Gewinnsteuern.

Bundespräsident Van der Bellen, der ja von der SPÖ unterstützt wurde, hat recht freundlich die neue Regierung angelobt. Sind Sie mit ihm zufrieden?

Nein. Ich hätte mir von ihm ein stärkeres Korrektiv im Sinne der Grundrechte erwartet. Die Kontrolle der Geheimdienste liegt beim Parlament und sollte dort ausgebaut werden. Jetzt sind beide Geheimdienste mit den sensiblen Daten und Informationen in Händen von FPÖ-Scharfmachern, und zur vorgeblichen Kontrolle bekommen sie eine Berichtspflicht an Vizekanzler Strache. Da hätte ich eine kritischere Haltung des Bundespräsidenten erwartet.

Wenn Sie den Koalitionspakt aus Sicht der Kernkompetenz Ihrer Partei, also sozialpolitisch, analysieren – zu welchem Schluss kommen Sie?

Bei Durchsicht von Mietrecht, Steuern und Sozialpolitik läuft es überall auf das Gleiche hinaus: eine Politik gegen die Mittelschicht, vor allem gegen das unterste Einkommensdrittel. Gefördert wird die soziale Segregation, die Trennung der Gesellschaft. Für urbane Räume, besonders für Wien, ist dieses Programm eine Gefahr, wenn etwa in sanierten Stadtvierteln die Mieten durch Zuschläge steigen sollen, sodass Durchschnittsverdiener sie sich nicht mehr leisten können. Besonders zynisch ist, in den Koalitionspakt zu schreiben: Man soll Eigentum bilden, das steigere die Unabhängigkeit im Leben. Ich sage: Ein guter Mietvertrag hebt auch die Sicherheit im Leben und ist realistischer.

Flüchtlingen und Asylwerbern sollen Sozialleistungen gekürzt werden. Halten Sie das für gut?

Ich bin grundsätzlich auch für Sach- statt Geldleistungen. Ich bin aber dagegen, dass in Österreich rechtswidrig aufhältige Personen nicht außer Landes gebracht werden. Wenn man diese Personen hier lässt und ihnen auch noch Unterstützung entzieht, hebt das nicht gerade das Sicherheitsgefühl. Die Regierung soll die einen außer Landes bringen und den legal Aufhältigen helfen, schnellstmöglich in den Arbeitsmarkt zu finden.

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