Analyse: Wie fest sitzt Kern im Sattel?

Analyse: Wie fest sitzt Kern im Sattel?
Wer dem SPÖ-Chef nach Doskozils Kritik den Rücken stärkt und warum Kern mit dem Klima punkten will.

Ob Hans Peter Doskozil sein Interview mittlerweile bereut? Gut möglich.

Nicht einmal 48 Stunden sind vergangen seit der frühere Verteidigungsminister davor gewarnt hat, dass sich die SPÖ mit einer „grün-linken Fundi-Politik“ à la longue bald „selbst abschafft“.

Und die öffentliche Unterstützung aus den eigenen Reihen blieb bislang, nun ja, eher überschaubar.

Im Gegenteil: Nahezu alle Spitzenfunktionäre, die sich offen zu Wort gemeldet haben, erteilten dem Burgenländer einen mehr oder weniger deutlichen Rüffel.

„Die paar Zwischenrufe aus dem Burgenland gehen im Neusiedler See unter“, ätzte etwa Oberösterreichs SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer. Tirols Parteichefin Elisabeth Blanik tat Doskozils Angriff als PR-Taktik ab – er wolle wohl „Aufmerksamkeit auf seine Arbeitsgruppe ziehen“.

Dazu muss man wissen: Doskozil sitzt mit Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser in einer SPÖ-internen Arbeitsgruppe für die Themen Integration und Migration. Und just Kaiser war es, der die Kern-Kritik des Burgenländers als „Sturm im Wasserglas“ abtat.

Missverständnis

Einen Zacken härter formulierte Niederösterreichs SPÖ-Boss Franz Schnabl im KURIER-Gespräch: „Wäre er (Doskozil) beim Präsidium am Dienstag dabei gewesen, dann wüsste er, dass niemand beabsichtigt, grün-linke Fundi-Politik zu machen.“ Überhaupt unterliege Doskozil einem „Missverständnis“. Der Klimawandel sei ein „Mega-Thema und einer der Hauptauslöser für Flucht und Migration“ – das müsse ein Migrationsexperte eigentlich wissen.

Um keine Zweifel offen zu lassen, warum der Klimaschutz eine Frage der Solidarität und damit der SPÖ ist, verteidigte Christian Kern seine Ansagen zum Klimaschutz. Doch es wäre falsch zu behaupten, die Angelegenheit sei damit erledigt.

Nicht von ungefähr telefonierte Kern nach Doskozils Anwurf nicht nur mit Eisenstadt, sondern traf am Donnerstag auch den Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig zum Vier-Augen-Gespräch.

Denn in der Wiener SPÖ gibt es eine verschworene Gruppe an alt-eingesessenen Funktionären, die unter Kerns Vorgänger Gewicht hatten und immer noch eifrig gegen Kern opponieren.

Späte Rache

Was sie treibt? Vielleicht ist es wirklich die Sorge um die SPÖ; vielleicht ist es auch nur die späte Rache für den Sturz des Werner Faymann.

Faktum ist, dass Ludwig Kern vorerst Solidarität zugesagt hat. Nicht aus Sympathie, sondern vor allem aus macht-pragmatischen Erwägungen: Wenn Ludwig vor der Landtagswahl eines nicht gebrauchen kann, dann das, was er zuletzt mit viel Aufwand in der Wiener SPÖ kalmieren musste: einen offenen Richtungsstreit.

Aber sehen das auch diejenigen so, die intern lamentieren, das neue Parteiprogramm sei viel zu offensichtlich von einem Manager formuliert worden? Wohl kaum.

Ein Gewerkschafter solle die SPÖ übernehmen, fordern die Faymann-Freunde.

Das Tückische daran: Weder ist ein Alternativ-Kandidat in Sicht, noch sind führende Gewerkschafter für die Abwahl Kerns, im Gegenteil. „Verdeckte Obmanndebatten hat’s vor Parteitagen immer gegeben“, sagt Beppo Muchitsch, SPÖ-Abgeordneter und Chef der Baugewerkschaft zum KURIER. „Wer ernsthaft meint, einen besseren Kandidaten als Christian Kern im Talon zu haben, der soll ihn oder sie einfach am Parteitag präsentieren. Ich sehe derzeit niemanden.“

SPÖ-Chef Kern über das neue Parteiprogramm

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