SPÖ-Streit um Doskozil: Länderchefs stellen sich hinter Kern
"Grün-linke Fundi-Politik"? Davon könne bei der SPÖ keine Rede sein, stellt der niederösterreichische SPÖ-Chef und Landeshauptfrau-Stellvertreter Franz im KURIER-Gespräch klar. Der burgenländische Landesrat Hans Peter Doskozil (SPÖ) hatte am Donnerstag in der Krone angesichts des Klima-Schwerpunkts im neuen roten Parteiprogramm ja kritisiert, dass die SPÖ sich mit diesen Themen "selbst abschafft". Stattdessen solle sich die Partei mit Migration und Asyl beschäftigen.
Schnabl: Kern "absolut nicht angezählt"
"Wäre er (Doskozil) beim Präsidium am Dienstag dabei gewesen, dann wüsste er, dass niemand beabsichtigt, grün-linke Fundi-Politik zu machen", betont - Doskozil unterliege da einem "Missverständnis". Es sei „ganz klar, dass wir dem Migrationspapier, das gerade in einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet wird, hohe Bedeutung beimessen“. Mit dem Thema Klimawandel sei das Parteiprogramm „ergänzt und erweitert worden“.
Es gebe keine Priorisierung, stellt , ehemaliger Polizeigeneral, klar. Klimawandel sei ein "Mega-Thema", die SPÖ dürfe es in ihrem Programm nicht ausklammern. "Ein Migrationsexperte muss wissen, dass der Klimawandel einer der Hauptauslöser für Flucht und Migration ist und wir da eine Lösung brauchen", sagt Schnabl in Richtung . Klimapolitik sei deshalb "nicht nur ein berechtigtes Thema, sondern sogar ein gleichberechtigtes".
Kern verteidigt Positionierung auf Facebook
Freitagnachmittag meldete sich in der parteiinternen Debatte über die Positionierung (siehe unten) Parteichef Christian Kern selbst auf Facebook zu Wort. In dem Statement hielt er fest, dass der Kampf gegen den Klimawandel ein Kampf für soziale Gerechtigkeit sei. Die Klimakrise sei ein Thema, das alle Lebensbereiche berührt, so der Parteivorsitzende.
"Der drohende Klimawandel ist zu einer sozialen Schlüsselfrage geworden", ob die nächsten Generation ein gutes Leben führen könne, werde sich daran entscheiden, ob es gelinge, den Klimawandel zu bremsen, verteidigte Kern den Fokus auf ursprünglich grüne Kernthemen. "Manche möchten vielleicht noch geneigt sein, dieses Thema als unwichtig oder Randerscheinung abzutun. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Sozialdemokratie mit gleicher Leidenschaft um dieses Thema kümmern muss, mit dem wir insgesamt unseren Kampf für soziale Gerechtigkeit führen", erklärte der Parteichef.
Die Auswirkungen des Klimawandels betreffe auch Österreich, verwies Kern auf Trockenheit, Ernteausfälle oder Überschwemmungen. "Die Klimakrise ist aber auch eine ganz entscheidende Ursache für Migration", gab er zu bedenken. Menschen, deren Lebensgrundlage zerstört ist, werde auch keine noch so hohe Mauer aufhalten: "Ohne Bekämpfung der Klimakrise kann es daher auch keine sinnvolle und vor allem wirksame Migrations- und Flüchtlingspolitik geben."
Zentrale Frage für die SPÖ seien die Arbeitsbedingungen in langen Hitzeperioden. So würde die SPÖ es "niemals zulassen, dass ein Pflasterer zwölf Stunden bei 36 Grad arbeiten muss". "Sozialdemokratische Klimapolitik rückt den Kern sozialdemokratischer Politik, nämlich die Frage nach sozialer Gerechtigkeit, auch ins Zentrum der Umweltpolitik", sagte Kern weiter. Auch sollen Entwicklungsländer in der Bewältigung der Klimakrise unterstützt werden.
Niessl: Themen sind kompatibel
Hans Niessl, Landeshauptmann im Burgenland, versteht die Aufregung um den Sager seines Finanzlandesrates nicht - und würde sogar ein drittes Thema in die Auslage der Roten stellen: Wachstum und Beschäftigung seien trotz Wirtschaftsaufschwungs Themen, mit denen sich die Sozialdemokratie in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen müsse, sagt er zum KURIER.
Klima, Asyl, Beschäftigung: "Ich glaube, dass diese drei Themen miteinander kompatibel sind", betont Niessl.
Im Streit zwischen Parteichef Kern und Doskozil versucht der Landeshauptmann zu schlichten: "Es stimmt, dass Klimaschutz ein wichtiges und wesentliches Zukunftsthema ist, man muss das sehr, sehr ernst nehmen." Und zu Doskozil: "Auch seine Ansicht ist eine richtige und wichtige. Das Thema Sicherheit hat das Ergebnis der vergangenen Wahl massiv beeinflusst, die Sozialdemokratie braucht auf diese Fragen die richtigen Antworten."
Einen möglichen Umsturz an der Parteispitze sieht er nicht, und stellt sich - wie andere Länderchefs - hinter Kern: "Er hat in den vergangenen Wochen, besonders zum 12-Stunden-Tag, sehr gut artikuliert, worum es uns geht. Auch jetzt vertritt er gute Ansätze, und wenn er diese ergänzt mit dem Integrations-Thema, dann finde ich, dass das eine gute Position ist."
Auch er geht davon aus, dass Kern beim Bundesparteitag im Oktober der einzige Kandidat für den Parteivorsitz sein wird.
SPÖ-Chef Kern über das neue Parteiprogramm
Kaiser betont "Geschlossenheit"
Nicht nachvollziehen kann die Kritik am Kurs der Bundes-SPÖ der Kärntner Landesparteichef Peter Kaiser: "Beim Parteivorstand haben wir einhellige Zustimmung und eine sehr, sehr große Geschlossenheit gehabt." Über die Bedeutung der Klimastrategie habe es keine Diskussionen gegeben: "Was das angeht, sind wir die einzige ernstzunehmende Partei, die sich mit Fragen der Zukunft beschäftigt." Die Berichterstattung über die Kritik des burgenländischen Landesrats Hans Peter Doskozil hält Kaiser für überzogen: "Ich habe gehört, dass er das, was widergegeben wurde, nicht eins zu eins so gesagt hat." Und: "Man weiß ja, welche Jahreszeit derzeit ist."
Heftige Kritik an Doskozil aus OÖ
Die oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer hat heftige Kritik an Doskozil geübt. "Wir hatten gestern, als Herr Doskozil das gesagt hat, mit 37 Grad den Höhepunkt der Hitzewelle", stellte Gerstorfer in einer Stellungnahme einen Zusammenhang der Diskussion mit dem Wetter her. Und: "Die paar Zwischenrufe aus dem Burgenland gehen im Neusiedlersee unter." Christian Kern habe in der SPÖ extrem großen Rückhalt, er sei "der Beste", hieß es zur APA. Kern werde bei der nächsten Nationalratswahl als Bundeskanzler kandidieren, gewinnen und dieses Land in eine bessere Zukunft führen. Unterstützung kam von ihr auch für den Parteichef: Unterstützung für Kern kam auch aus Salzburg.Die Regierung Kurz habe hingegen innerhalb weniger Monate gezeigt, "dass sie nichts, absolut nichts zusammen bringt - von Tempo 140 als Testversuch und ein paar Polizeipferden mal abgesehen".
Der Vorwurf, dass die Migration im Parteiprogramm nicht behandelt werde, "ist einigermaßen seltsam", findet Gerstorfer. Denn Doskozil leite gemeinsam mit dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser die Arbeitsgruppe Integration und Migration. "Diese Kritik richtet er also gegen sich selbst. Aber das lässt sich ja leicht ausräumen - Herr Doskozil müsste nur konkrete Ergebnisse vorlegen."
Die Themen Migration und Integration hätten sehr wohl einen hohen Stellenwert im neuen Parteiprogramm. "Wir sagen ganz klar: Die Integration von bereits in Österreich lebenden Ausländern muss Vorrang haben", betonte die oberösterreichische SPÖ-Chefin. Aber das Zynische an der schwarz-blauen Bundesregierung sei, dass zwar viel von Integration gesprochen werde, aber gleichzeitig Deutschkurse gestrichen würden. So könne das nicht funktionieren.
Vorarlberger SPÖ-Chef "verwundert"
Der designierte Vorarlberger SPÖ-Landesvorsitzende Martin Staudinger zeigte sich "verwundert" über die Diskussion um den Kurs seiner Partei. Dass es im Parteivorstand am Dienstag über die grünen Themen unterschiedliche Positionen gab, bestritt Staudinger. "Nein, es wurde gar nicht gestritten. Ich erwarte mir, dass jetzt auch medial nicht gestritten wird", sagte er zur APA.
Man habe bei der Erstellung des neuen SPÖ-Grundsatzprogramms eine breit aufgestellte, lange Diskussion geführt. Dass Ökologie nun stärker betont werde als in der Vergangenheit, finde er richtig, aber das sei eben nur eines unter vielen Themen, "auch wenn das medial herausgegriffen wurde". Migration finde im neuen Programm keinesfalls zu wenig Beachtung, schließlich gebe es dazu eine eigene Arbeitsgruppe. "Alle Themen kommen vor: Digitalisierung, Arbeit, ... es fehlt nichts. Also beide Seiten ruhig bleiben. Ich möchte nicht, dass da jetzt gestritten wird", mahnte Staudinger. "Die SPÖ ist eine Volkspartei, die auf alle Themen die richtigen Antworten hat und den Führungsanspruch stellt, keine Nischenpartei. Darum bin ich Mitglied der SPÖ", betonte er.
Wenn es um die Inhalte geht, gebe es kein links oder rechts, nur ein Miteinander. Für Umweltschutz zu sein, habe etwa nichts mit links oder rechts zu tun, dass die Regeln des Zusammenlebens eingehalten werden müssten, auch nicht.
Tirol und Salzburg stärken Kern den Rücken
Rückendeckung für Christian Kern kommt auch vom Salzburger SPÖ-Vorsitzenden Walter Steidl. "Unser Parteivorsitzender macht eine sehr gute Arbeit und hat meine hundertprozentige Unterstützung. Ich schätze seine Art der verbindlichen und verbindenden Politik." Steidl selbst hat am Dienstag urlaubsbedingt nicht am Bundesparteipräsidium teilgenommen. "Es ist aber eine zutiefst soziale Angelegenheit, Antworten auf die aktuellen Herausforderungen der Migration zu finden, als auch die Gründe und die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen und eine intakte Umwelt und nachhaltiges Wirtschaften sicherzustellen." Alleine schon deshalb, weil diese Punkte in direktem Zusammenhang stünden. Die SPÖ beschäftigte sich intensiv damit, eigene Lösungen und Antworten auf die Fragen der Migration zu finden, die von der Bevölkerung mitgetragen werden.
"Das Programm ist ein sehr gutes", erklärte Tirols SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik im APA-Gespräch: "Klimaschutz und Umwelt sind zentrale Themen. Damit kann ich gut leben." Auf die Frage, ob Kern der geeignete Parteichef sei, meinte Blanik: "Ja, selbstverständlich."
In Sachen Klimaerwärmung bestehe Handlungsbedarf, argumentierte Blanik: "Das geht uns alle an. Man braucht derzeit nur aus dem Fenster zu schauen." Außerdem sollte der Klimawandel in einem größeren Zusammenhang gesehen werden und welche Rolle er als Fluchtursache spiele. Die Sozialdemokratie sei bekannt für "internationale Solidarität" und diese sei auch in dem Bereich gefragt.
Das Thema Migration sei selbstverständlich "wichtig", so Tirols SPÖ-Chefin: "Daher bin ich auch gespannt, was die Arbeitsgruppe zu diesem Thema unter der Führung von Doskozil und Kaiser liefert." Gerade Doskozil sei aufgrund seiner Erfahrungen im Bereich Integration und Sicherheit "ein Experte auf diesem Gebiet". Dessen jüngste Kritik am Bundes-Kurs interpretierte Blanik als "PR-Geschichte". Wahrscheinlich wolle er die nötige Aufmerksamkeit auf seine Arbeitsgruppe und die Präsentation der Ergebnisse ziehen. Einen Graben mache sie innerhalb der Sozialdemokratie nicht aus.
Wiener Landesspitze schweigt
In Wien gab es am Freitag gegenüber der APA weder aus dem Büro des Bürgermeisters Michael Ludwig noch aus der Landespartei eine Stellungnahme zu dem Thema. Sehr wohl kommentieren wollte die Debatte Nationalratsabgeordneter Harald Troch, der auch SPÖ-Bezirksparteichef in Simmering ist. Er sieht die Aussagen Doskozils "positiv". Es sei gut, dass Positionen in der Öffentlichkeit diskutiert würden. "Die SPÖ muss mehrheitsfähige Politik machen", findet Troch. Da werde man um die Themen Flüchtlinge, Migration und Integration nicht herumkommen. Denn dies beschäftige viele Leute. "Und es genügt nicht nur, den Menschen zuzuhören, sondern man muss Vorschläge machen." Parteichef Christian Kern wollte Troch nicht angreifen - im Gegenteil sogar "verteidigen". Denn dieser wolle verständlicherweise Akzente setzen. "Aber für den Parteivorsitzenden stellt sich eben die Frage: Was ist mehrheitsfähig?"
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