Alt-Innenminister Karl Blecha feierte seinen 90er

Heute sind sie wieder in aller Munde, die Mehrheiten abseits von ÖVP und FPÖ. Sowohl Hans Peter Doskozil als auch Andreas Babler versprechen der SPÖ-Basis Regierungen ohne Blau und Schwarz.

Doch das scheint ziemlich illusorisch. In Wahrheit hat es Mehrheiten gegen FPÖ und ÖVP seit der Nationalratswahl 1979 in Österreich nie mehr gegeben. Einer der Architekten der linken Mehrheiten in den 1970er-Jahren war Karl "Charly" Blecha. Bruno Kreiskys legendärer Wahlkampfleiter feiert seinen 90. Geburtstag.

Von den aktuellen Bewerbern um den SPÖ-Vorsitz ist nur die amtierende Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner anwesend - sie hat zur Feier für Blecha eingeladen. Und die Feier wirkt wie eine Kundgebung für Rendi-Wagner, alle ihre prominenten Unterstützer sind zugegen: Heinz Fischer und seine Frau Margit, Michael Ludwig, Michael Häupl, Franz Vranitzky, Brigitte Ederer. Als einzige ÖVPlerin ist Seniorenbundobfrau  Ingrid Korosec eingeladen, gemeinsam mit Pensionistenverbandschef Peter Kostelka.

Im Rahmen ihrer Begrüßungsworte lobt Rendi-Wagner die „Mischung aus Sozialwissenschaft, politischem Gespür und Menschlichkeit“, die Blecha als Politiker auszeichnete. Dann hält Rendi-Wagner eine Wahlrede in eigener Sache: „Manchmal weiß ich nicht, was Johanna Dohnal zu den Entwicklungen in unserer Partei gesagt hätte, dass die erste Parteivorsitzende mit so vielen Querschüssen von Männern zu kämpfen hat.“ Alt-Bundespräsident Heinz Fischer hält dann tatsächlich eine Rede für Blecha. Er erinnert sich an die Feier zum 30. Geburtstag Blechas. Damals habe er nicht gedacht, dass sie auch den 90er so feiern würden.

Langjährige Freundschaft

Dann spricht Fischer über die vielen gemeinsamen Erlebnisse dazwischen. Über Blechas notorische Unpünktlichkeit und seine engagierten Reden. Über die langjährige Freundschaft, beginnend in den Jugendorganisationen. Die beiden waren ungleiche Freunde. Während Blecha, der Abenteurer, sich in Algerien in der antikolonialistischen Befreiungsbewegung engagierte, pflegte Fischer Kontakte zu den braven Schweizer Sozis. Während Fischer immer spätestens um 23 Uhr nach Hause ging, war Blecha ein stadtbekannter Nachtmensch.

Fischer lässt stichwortartig die Reformen in den Kreisky-Jahren Revue passieren, erinnert an den unterentwickelten Parlamentarismus, an die Aufbruchstimmung damals. Er erzählt, wie er während der Lucona- und Noricum-Affären „mitgelitten“ habe. Die Vorfälle seien von „Jörg Haider und anderen in einer enorm unfairen Art und Weise ausgenützt worden“. Es sei weder bei Blecha noch bei Leopold Gratz ein moralisches Fehlverhalten vorgelegen.

Seine Frau Rosi schenkt ihm ein Buch, verfasst von Blechas Freunden, in dem jeder seine Erlebnisse mit Charly festhält - in Wort und Bild. Blecha dankt mit den Worten: "Ich freue mich, Mitglied dieser Wunder-, wunderbaren Familie zu sein“, gemeint: die SPÖ.

Pionier in der Wahlanalyse

Blecha war ein Pionier in der Wahlanalyse, er begründete das Meinungsforschungsinstitut IFES und führte die empirische Sozialforschung als Basis für Wählerforschung in Österreich ein.

Drei Mal erreichte die SPÖ mit ihm als Wahlkampfleiter die absolute Mehrheit (1971, 1975, 1979). In der rot-blauen Koalition ab 1983 berief der damalige Kanzler Fred Sinowatz Blecha zum Innenminister. Umstritten war sein Polizeieinsatz in der Hainburger Au. Blecha war auch in der ersten großen Koalition unter Franz Vranitzky noch Innenminister, trat aber 1989 unter dem Druck zweier Untersuchungsausschüsse (Noricum und Lucona) zurück.

1999 wurde er Obmann des Pensionistenverbands und erlebte einen dritten Frühling in der SPÖ. 2018 legte er diese Funktion aus Altersgründen zurück.

Zu Blechas engen Weggefährten in der SPÖ zähl(t)en der spätere Wiener Bürgermeister Leopold Gratz (Vorgänger und "Erfinder" von Helmut Zilk) sowie Alt-Bundespräsident Heinz Fischer.