"Als wäre es nur ein unbedeutender Parteitag"

Werner Faymann
Am Tag nach dem SP-Parteitag war in Boulevard-Zeitungen die Kanzler-Schlappe nur ein Nebensatz.

Für den Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann war der vergangene Freitag ein harter Tag (mehr dazu siehe unten). Wochenlang hatte er versucht, Stimmung in eigener Sache zu machen, um beim Parteitag ein gutes Wahlergebnis zu erzielen. Unterstützung holte sich Faymann bemerkenswerterweise auch bei den großen Boulevard-Medien des Landes, etwa bei der Krone, bei Heute und Österreich. "Wie Faymann seine Delegierten heute überzeugen will", stand etwa in Österreich in großen Lettern noch am Freitag.

Und am Tag danach? Heute verlor am Montag kein Wort über den SP-Parteitag. Und in Österreich verlor Faymann auf Seite 1 das Duell gegen Volksmusiker Gabalier, weil der "das Christkind retten" will.

Betretenes Schweigen

"Grundsätzlich ist es natürlich eine geschickte politische Werbung, über den Boulevard Stimmung zu machen", erklärt Maximilian Gottschlich, emeritierter Professor für Medien- und Kommunikationstheorien. "Wenn sich aber Boulevard-Medien festlegen, wie das bei Faymann offensichtlich geschehen ist, und es kommt dann nicht so, bleibt ja nur mehr betretenes Schweigen. Sonst müssten sie ja ihre eigene Kampagne infragestellen", erklärt der Professor.

Für Gottschlich ist "Christkind statt Faymann" ein schönes Beispiel, wie der Boulevard arbeitet. "Bei den großen Themen wird nur die Oberfläche abgebildet, die Schichten darunter nicht mehr transparent gemacht." Grundsätzlich sei die Bevölkerung nicht an der Frage interessiert, ob Faymann mit 80, 90 oder 100 Prozent gewählt wird. "Der normale Bürger kann ja nicht einordnen, ob 83,9 Prozent viel oder wenig sind", erklärt Gottschlich.

Deshalb müsse man Zusammenhänge erklären. "Die politischen Eliten verstehen das Problem, Boulevardmedien bedienen aber nicht die Eliten, sondern die Massen. Boulevard-Medien werden von den politischen Eliten benutzt, um Stimmung zu machen."

Nichts passiert

Der Politikwissenschafter Fritz Plasser von der Uni Innsbruck hat die Berichterstattung der Krone rund um den SPÖ-Parteitag unter die Lupe genommen. "Da gab es für mich ein großes Kontrasterlebnis zu Berichterstattung vor dem Parteitag und danach", berichtet Plasser.

In der Krone sei zwar das Ergebnis berichtet worden, aber "so, als wäre nichts Großes oder Bemerkenswertes passiert, als wäre das nur ein unbedeutender Parteitag gewesen", beschreibt Plasser. Was Faymanns Wahlergebnis bedeutet, welche Konsequenzen das haben kann, sei nicht annähernd so breit beleuchet worden.

"Es waren generell schon große Unterschiede in der Berichterstattung zu erkennen. Da geht es nicht nur um die Tiefenschärfe, wie etwa beleuchtet wird. Sondern um ein fehlendes Bemühen, den Lesern doch ein realitätsnahes Bild eines Ereignisses zu vermitteln."

Schwere Niederlage für Werner Faymann auf dem SPÖ-Parteitag. Nur 83,6 Prozent der 605 Delegierten geben ihm bei der Parteivorstandswahl die Stimme. Als Parteichef bestätigen ihn 83,9 Prozent (siehe dazu auch unten). Dieses Ergebnis ist besonders bitter, weil der gesamte Parteitag von Geschlossenheitsappellen geprägt war, die aber offenkundig nicht fruchteten. Peinlich auch, dass alle anderen Vorstands- und Präsidiumsmitglieder mehr als 90 Prozent bekommen. Lediglich Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat mit 87,1 Prozent auch einen Achter vorne.

Nach dem Parteitag vor zwei Jahren in Niederösterreich wurde Faymann am Freitag in Wien zum zweiten Mal von der SPÖ abgestraft. Damals erhielt er 88 Prozent bei der Vorstandswahl, 83 Prozent bei der Parteichef-Wahl.

Dabei hatte sich der Parteitag bis zu den Wahlgängen aus der Sicht Faymanns gut entwickelt. Es hagelte Pro-Faymann-Wahlaufrufe und Geschlossenheitsappelle. "Warum soll ich diesen Werner Faymann nicht wählen? Der sich für Vermögenssteuern einsetzt? Der sich für eine Lohnsteuersenkung einsetzt?" fragte der streitbare Gewerkschafter Josef Muchitsch vom Rednerpult herab. "Gescheit wählen – dann werden wir es schaffen, die Lohnsteuern zu senken." "Geschlossen für Werner Faymann", rief Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser den Delegierten zu.

Auffallend war allerdings, dass Bürgermeister Michael Häupl in seinem Begrüßungsstatement keinen Wahlaufruf abgab. Er sagte lediglich: "Wir haben viel Arbeit auf diesem Parteitag, aber genießt auch Wien!"

Holperndes Referat

Faymann hielt ein holperndes Referat ohne politische Höhepunkte. Dennoch bekam er Standing Ovations, denn der Inhalt der Rede traf den Geschmack der SPÖ-Delegierten. "Wir brauchen in Europa Haftungsschirme, nicht nur Bankenschirme. Denn die Menschen sind mehr wert als Banken", sagte Faymann. Er legte ein Bekenntnis ab, gegen Steuer- und Sozialdumping in Europa zu kämpfen. In der Bundesregierung werde er sich für die Lohnsteuersenkung einsetzen, versprach Faymann. Er erwarte jedoch Widerstand von der ÖVP: "Nur weil Mitterlehner ÖVP-Chef ist, ist die ÖVP nicht anders geworden. Die sind die gleichen geblieben. Sie werden es uns nicht leicht machen." Gemeinsam mit Andreas Schieder, Michael Häupl und Peter Kaiser hofft Faymann, sich in der Steuerreform-Gruppe gegen die ÖVP durchzusetzen. Faymann: "Es gibt eine Million, die für eine Steuersenkung unterschrieben haben. Wir wissen, dass wir diese Million Menschen nicht enttäuschen dürfen. "

"Als wäre es nur ein unbedeutender Parteitag"
ABD0062_20141128 - WIEN - ÖSTERREICH: Die Ex-Kanzler Franz Vranitzky (l.) und Viktor Klima am Freitag, 28. November 2014, anl. des 43. SPÖ-Bundesparteitages in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Die früheren Bundeskanzler Franz Vranitzky und Viktor Klima wohnten dem Parteitag bei.

In der Diskussion wurde eindringlich an die Delegierten appelliert, Faymann zu wählen. Faymann gebe sein Bestes, die SPÖ solle sich mit einem schlechten Wahlergebnis für ihren Vorsitzenden nicht selbst schaden.

"Als wäre es nur ein unbedeutender Parteitag"
ABD0072_20141128 - WIEN - ÖSTERREICH: SJ-Vorsitzende Julia Herr am Freitag, 28. November 2014, anl. des 43. SPÖ-Bundesparteitages in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Julia Herr von der Sozialistischen Jugend hielt dagegen: "Die Sozialdemokratie wird es aushalten, wenn die Jugend kritisch ist." Sympathisierender Applaus.

Klubchef Andreas Schieder rieb sich in seiner Wortmeldung an der FPÖ. "Die FPÖ soll offenlegen, was sie in Moskau immer so treibt." Mit Verweis auf Berichte, wonach Russland rechtsextreme Parteien finanziert, sagte Schieder: "Wir brauchen im österreichischen Parlament keine Putin-Partei."

Parteikassier Christoph Matznetter gab bekannt, dass die SPÖ in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 2,5 Millionen Euro neue Schulden gemacht hat. Wegen der angespannten Finanzlage wären vorzeitige Nationalratswahlen nicht empfehlenswert, sagt Matznetter.

Von den Mitgliedern sind auch immer weniger Einnahmen zu erwarten. Die SPÖ hat nur noch 205.000 Mitglieder, 7600 sind allein seit dem letzten Parteitag vor zwei Jahren weggestorben.

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