Van der Bellen: Der Herr Professor erklärt die Politik
Am Donnerstag geht es für Alexander Van der Bellen wieder einmal zurück in die Heimat. Heimat – die heißt im Fall des Bundespräsidenten Kaunertal in Tirol.
Dem bekanntesten Sohn der Gemeinde wird von Landeshauptmann Günther Platter und Bürgermeister Josef Raich (beide ÖVP) die Ehrenbürgerschaft verliehen.
„Mit landesüblichem Empfang“, wie es in der Ankündigung heißt.
Für Ortsunkundige wird sicherheitshalber ausgeführt, was darunter zu verstehen ist: Schützenkompanie, Musikkapelle, Kinderchor, Fahnenschwinger. Das volle Programm also.
Man darf davon ausgehen, dass sich Van der Bellen darauf freut, wieder einmal in dem schmalen Tal an der Grenze zu Südtirol durchzuschnaufen. Denn kaum jemand war in den vergangenen Tagen und Wochen so gefordert wie der Bundespräsident.
Öffentlich sorgte das Staatsoberhaupt besonders mit seinen Medienauftritten für Aufsehen.
Unaufgeregt, mit ruhiger Stimme und ebensolchem Gestus hielt er die Öffentlichkeit über den Stand der Regierungskrise auf dem laufenden. Ganz der Universitätsprofessor, der es gewohnt ist, komplizierte Sachverhalte in einfachen Worten zu erklären.
Manche seiner Sager wurden fast schon zu geflügelten Worten. „So sind wir nicht“, ist einer. „Wir kriegen das schon hin“, ein anderer.
Der Optimist
Letzterer Satz ist freilich nicht nur aus der Situation geboren. Mut und Zuversicht waren und sind zentrale Begriffe im politischen Universum des Alexander Van der Bellen – nicht von ungefähr lautete einer der Slogans bei seiner Hofburg-Kampagne „Mutig in die neuen Zeiten“.
„Van der Bellen wurde auf der Uni sozialisiert, allein deshalb sind ihm junge Menschen und insbesondere deren Zukunftsängste ein Anliegen“, erzählt ein Kenner des Präsidenten.
Das bestätigt auch Sprachwissenschaftler Martin Reisigl von der Uni Wien, der in Van der Bellens Reden ein partizipatives Demokratieverständnis erkennt – etwa in den Versuchen, die in der Verfassung verankerten Verfahren in einfachen Worten zu erklären. Diese Erklärungen erfüllen gleich zwei Funktionen, erklärt Reisigl. Nämlich: „Möglichst vielen klarzumachen, was gerade passiert, und dadurch auch etwaigen Ängsten vor einem politischen Chaos vorzubauen.“
Einfache Sprache
Einfache Sprache, das ist nicht nur eine Formulierung, sondern ein Konzept. Ziel ist es, Sprache durch kurze Sätze, einfache Satzstrukturen und den Verzicht auf Fremdwörter für möglichst viele verständlich zu halten.
Van der Bellen schafft das zwar nicht zur Gänze, aber doch recht anständig, urteilen Expertinnen wie Walburga Fröhlich von der Grazer Firma Capito, die Texte in einfache Sprache überträgt. „Seine Reden sind ganz eindeutig einfacher zu verstehen als andere politische Reden“, analysiert sie.
Wenige Schachtelsätze, dafür viele Beispiele und wiederkehrende Erklärungen, warum er jetzt was in welcher Reihenfolge tut, machen es leicht, VdB zu folgen.
„In der einfachen Sprache soll ein Gedanke in einem Satz vorkommen, woran sich Van der Bellen sehr stringent hält“, lobt auch Expertin Linda Liebig von „Jugend am Werk“. Auch der rote Faden in den Präsidenten-Reden fällt ihr positiv auf. Denn dieser mache es einfacher, auch kompliziertere Konstruktionen und Sprachbilder zu verstehen – von denen VdB Liebigs Ansicht nach zu viele verwendet.
Der Bürger
Teils zu komplizierte Sätze kritisiert auch Reisigls Kollege Markus Rheindorf. Dafür erkennt er in den Formulierungen oftmals einen Rollenwechsel, „wo er nachspricht, was die Österreicher denken“.
Generell orientiere sich Van der Bellen oft an der Alltagssprache und an natürlichen Gesprächssituationen – dadurch wirke er „gleichzeitig authentisch und geübt“.
Zu Van der Bellens Sprache passt schließlich auch seine Körpersprache. Die ruhigen Bewegungen Van der Bellens stünden für das Alter, analysiert Experte Stefan Verra. „Das zeigt uns: Ich kenne alle Gefahren, ich bin völlig entspannt.“
Sprich: Entwarnung.
Alle Bürger könne er damit jedoch nicht erreichen, sagt Verra. Diejenigen, die Wut über die Entwicklungen verspürten, würden sich in den bedächtigen Worten und Bewegungen des Präsidenten nicht wiederfinden.
Dennoch: Für viele wirke VdB momentan „wie der ideale Ruhepol“ und vermittle vor allem „Stabilität, Sicherheit, Vertrauen“.
Dazu passt, was ein Vertrauter des Präsidenten erzählt. Es sei ein großes Anliegen Van der Bellens gewesen, den Bürgern Grundvertrauen zu vermitteln. Das kommt auch im Kaunertal gut an.
Kommentare