Aktionstag: Mikl-Leitner wirbt für Wehrpflicht

„Applaus für Soldaten“: Mikl-Leitner im Gespräch mit Bürgermeister Staska und Brigadier Striedinger
Die ÖVP-Innenministerin lobt den Schnee-Einsatz des Heeres und wirbt persönlich für Wehrpflicht.

Da sieht man, was man hat. Um 12 Uhr habt ihr angerufen und drei Stunden später waren sie schon da.“ Dass Johanna Mikl-Leitner am Freitag ausgerechnet im niederösterreichischen Baden für die Wehrpflicht wirbt, ist zwar schon länger geplant, trifft sich aber auch ganz gut.

Denn während die Innenministerin mit Flugzetteln und in Gesprächen Passanten von der „Beibehaltung des bewährten Systems“ erzählt, schaufeln im Hintergrund Rekruten der örtlichen Martinekkaserne den Schnee aus der Fußgängerzone.

„Die Leute haben lautstark applaudiert und Fotos gemacht“, schildert Bürgermeister Kurt Staska (ebenfalls ÖVP). Er hat das Bundesheer zum Assistenzeinsatz angefordert – im Kampf gegen den Schnee. Und Mikl-Leitner bekam damit gleich ein augenscheinliches Argument: „Wenn man auf Hilfe wartet, können schon Minuten eine Ewigkeit sein. Hier hat das super wie auf Knopfdruck funktioniert“, lobt die Innenministerin das Team rund um den niederösterreichischen Militärkommandant Brigadier Rudolf Striedinger.

„Ich beiße nicht“

Mehr als eine Stunde harrt sie dann im Badener Schneetreiben aus und verteilt Broschüren: „Das können Sie ruhig nehmen. Ich beiße nicht.“

In Richtung der „Gegenseite“, sprich zu SPÖ und Berufsheer-Befürwortern, sagt sie: „Während andere Pressekonferenzen machen, sind wir bis zur letzten Minute draußen unterwegs. Schließlich stehen wir unmittelbar vor einer Jahrhundertentscheidung.“ Und sucht gleich wieder das Gespräch: „Am Sonntag bitte hingehen, damit wir unsere Präsenzdiener erhalten.“

Überzeugungsarbeit ist zu leisten: „Wissen Sie, ich bin ja eigentlich für das Berufsheer“, sagt eine Dame. „Dann sollten Sie sich unsere Broschüre durchlesen“, lässt sich Mikl-Leitner nicht aus dem Konzept bringen. Eine andere Badenerin meint, dass professionelle Soldaten vielleicht doch besser wären. Mikl-Leitner argumentiert: „Unsere Feuerwehrleute sind auch unbezahlte Freiwillige und trotzdem Profis.“

Weiter geht’s zum Roten Kreuz Baden: „Hier arbeiten neben 300 ehrenamtlichen Mitarbeitern bis zu 32 Zivildiener als Rettungsfahrer.“ Gerade während des Grundwehr- oder des Zivildienstes lerne man, „füreinander da zu sein.“ Ohne das Hineinschnuppern durch den Zivildienst werden sich nicht genügend Freiwillige finden. „Sieben von zehn Zivildienern bleiben über ihre Dienstzeit hinaus den Blaulichtorganisationen erhalten“, appelliert die Ministerin. Um gleich nach Mödling weiterzufahren. Am Abend besucht sie noch den Offiziersball in der Wien Hofburg. Denn: „Nur noch 48 Stunden bis zur Volksbefragung. Wir sind im Endspurt.“

48 Stunden vor der Grundsatzentscheidung, wie es mit dem Heer weitergeht, versuchten die Regierungsparteien noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren.

Die SPÖ gab sich Staatstragend und bat zu einem Auftritt im Bundeskanzleramt. Eben dort erklärten Parteichef Werner Faymann, Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Verteidigungsminister Norbert Darabos, warum am Berufsheer kein Weg vorbeiführt. Die Frage am Sonntag sei einfach, befand Norbert Darabos: „Wollen wir konservativ verharren oder gehen wir den Weg der motivierten Freiwilligkeit?“

Die drei Sozialdemokraten gaben sich zuversichtlich, dass sich nicht nur für das Berufsheer, sondern auch für das damit verbundene freiwillige soziale Jahr genug Kandidaten finden. „Ich sehe das ganz entspannt“, sagte Sozialminister Hundstorfer. „Wir werden die nötigen 8000 Menschen finden.“

Regierungschef Faymann wiederum appellierte an die Österreicher auf jeden Fall zur Abstimmung zu gehen, denn: „Wer hingeht, entscheidet. Es zählt die Teilnahme.“ Wobei Faymann – selbstredend – hofft, dass sich die Mehrheit dann „für Freiwilligkeit und nicht Zwang“ entscheidet.

Ein wenig anders mobilisierte die ÖVP: Während Innenministerin Johanna Mikl-Leitner schneeschaufelnde Rekruten besuchte ließ Parteichef Michael Spindelegger ein Heer an ÖVP-Funktionären ein und die selbe Presse-Aussendung verschicken. Der Titel – nicht weiter überraschende: „Aus Überzeugung für Wehrpflicht und Zivildienst.“

Ginge es nach den Schülern der Oberstufe des Bundesrealgymnasiums in Rohrbach (OÖ), würde es in Österreich künftig ein Berufsheer geben. Mit 51 Prozent eine klare Entscheidung, berichten die Geschichtslehrerinnen Elisabeth Mayrhauser und Ludmilla Leitner, die in den Tagen vor der Volksbefragung bei ihren Schülern vorgefühlt haben. Ein Heer aus Profis und ein freiwilliges soziales Jahr sei dem Vernehmen nach eine willkommene Alternative zum „Zwangsdienst“. Nur 37 Prozent wollen die allgemeine Wehrpflicht beibehalten.

„Viel interessanter finde ich den hohen Anteil an ungültigen Stimmen“, sagt Mayrhauser. 12 Prozent der Befragten ließen ihren Musterwahlzettel ohne Kreuzerl zurückgehen. Der Grund? „Einige hatten mit der Fragestellung ein Problem oder fühlten sich mangelhaft informiert. Das ist ihr Weg, ihren Unmut zu zeigen “, sagt Mayrhauser.

Dabei sind die 183 befragten Mädchen und 80 Burschen im Alter von 15 bis 19 Jahren so umfassend vorbereitet wie kaum jemand in ihrem Alter. Podiumsdiskussionen in der Klasse, Debatten am Schulhof, ganze Unterrichtsstunden des Abwägens zwischen Pro und Contra – sogar der Originalunterlagen des Bundesheeres habe man sich bedient, sagen die Lehrerinnen.

„Wir sehen uns nicht in der Lage, so etwas zu entscheiden. Das ist die Aufgabe der Politiker. Für uns besteht vor allem deshalb Klärungsbedarf, weil es noch immer kein konkretes Konzept gibt“, spricht die 17-jährige Magdalena Panzenböck vielen ihrer Mitschüler aus der Seele. „Direkte Demokratie“ stellen sie sich anders vor.

Von der Politik sei man generell enttäuscht. „Dieser Hickhack bringt uns nicht weiter. Es gibt keinen Politiker, dem man etwas glauben kann“, so der Tenor in der Jungwählerschaft. Schüler Daniel Wöss (17) wird deutlicher: „Es darf keine parteipolitische Entscheidung sein. Die Roten und Schwarzen ändern eh wieder ihre Meinung, also sollte sich jeder seine eigene bilden.“ Von Politikverdrossenheit könne aber keine Rede sein, betont Leitner. „Das Interesse an der Tagespolitik ist sehr groß. Wir fangen mit der politischen Bildung im Geschichtsunterricht an, bevor sie im wahlfähigen Alter sind. Mit den 14- bis 15-Jährigen gibt es oft die lebendigsten Diskussionen.“ Bezüglich ihrer eigenen Tendenz halten sich die beiden Lehrerinnen bedeckt. Der Politikunterricht solle so objektiv wie möglich sein. Mayrhauser verrät nur so viel: „Es ist zu hinterfragen, ob man die Verantwortung bei einem so komplexen Thema überhaupt ans Volk weiterreichen sollte.“

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