„Graues Haus“
Das Straflandesgericht Wien wird in dieser Hinsicht seinem Spitznamen „Graues Haus“ gerecht: Erst ein Drittel der Richter hat einen Laptop, der Rest arbeitet mit älteren Stand-PCs.
Die Ausdrucke liegen in rosafarbenen, abgegriffenen Bänden, die stapelweise auf Wagerln zwischen den Kanzleien von Staatsanwaltschaft und Gericht herumgeschoben werden. Es gibt sogar noch zwei hauptberufliche Aktenträger, die aber bald in Pension gehen.
Am Ende eines Verfahrens wandern die Akten ins hauseigene Archiv, wo sie 50 Jahre lang gelagert werden müssen. Und das Archiv geht über. In einen 300 Quadratmeter großen Raum mit Regalen bis zur Decke passt Papier aus sechs Jahrgängen.
Es sind steinzeitliche Zustände, die die Richterschaft jetzt dazu veranlassen, mehr Geld zu fordern – für den flächendeckenden Ausbau einer elektronischen Infrastruktur, die zum Jahr 2020 passt.
"Dienst am Bürger"
Investitionen bringen Effizienz, sie wären ein Dienst am Bürger – und letztlich am Rechtsstaat selbst, appelliert Gerichtspräsident Friedrich Forsthuber an die künftige Regierung. Das „Graue Haus“ – das größte Gericht Österreichs – könnte nach der anstehenden Generalsanierung frühestens 2026 papierlos sein.
Bei den Zivilgerichten gibt es den elektronischen Akt schon vereinzelt, demnächst startet man mit Pilotprojekten im Bereich der Strafjustiz. Die Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft arbeitet mit einem speziellen Programm, um ihre Mammutverfahren zu bewältigen.
Digitale Angebote werden auch außerhalb gut genutzt, weiß man am Wiener Handelsgericht: 200 Millionen Abfragen aus der Ediktsdatei, 23 Millionen aus dem Grundbuch und 9,5 Millionen aus dem Firmenbuch gibt es pro Jahr.
Datensicherheit
Im modernen Gerichtsgebäude in Wien-Mitte arbeiten 16 der 48 Streitabteilungen (wo es um Klagen geht) digital. Alle Beteiligten – vom Staatsanwalt über den Beschuldigten bzw. dessen Anwalt bis zum Richter – haben den elektronischen Akt jederzeit per Mausklick parat.
Elf Verhandlungssäle im Handelsgericht sind an ihren Plätzen mit Bildschirmen ausgestattet, darauf werden Aktenteile und Beweismittel gezeigt. Überall sonst reicht man noch Zettel herum. Im „Gerichtssaal der Zukunft“ ist Papier maximal ein Hobby.
Wesentlich ist aber, dass ausreichend in Ausstattung und IT-Personal investiert wird, merkt Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, an – Stichwort Datensicherheit und Zuverlässigkeit. Blöd wären nämlich auch Hackerangriffe, oder wenn mitten in einer Verhandlung das System abstürzt.
Kommentare