Ärztemangel: Kein Bedarf an mehr Medizin-Studienplätzen

In Studien wurden Krankheitserreger an Arztkitteln, besonders an Ärmelaufschlägen und Taschenrändern, entdeckt.
Faktencheck: Österreichs Problem sind nicht zu wenige Studierende, sondern schlechte Rahmenbedingungen.

Österreich steht nicht zuletzt aufgrund der bevorstehenden Pensionierungswelle der „Baby Boomer“ in den kommenden Jahren vor einem Ärztemangel. Bereits jetzt können etwa Kassenstellen in bestimmten Fachbereichen oftmals nicht nachbesetzt werden.

Die Landeshauptleute von Wien (Michael Ludwig, SPÖ), Niederösterreich (Johanna Mikl-Leitner, ÖVP) und dem Burgenland (Hans Peter Doskozil, SPÖ) sehen den Bund am Zug. Dieser müsse mehr Studienplätze zur Verfügung stellen, forderten sie am vergangenen Montag im Rahmen des „Unique Talk“ im Wiener Ringturm.

Doskozil brachte zusätzlich die Idee ins Spiel, insbesondere deutsche Studierende dazu zu verpflichten, nach dem Studium eine gewisse Zeit in Österreich beruflich tätig zu sein. Andernfalls müsse man andenken, die Kosten für das Medizinstudium, laut Doskozil etwa 150.000 bis 200.000 Euro bei Mindeststudienzeit, von den ausländischen Studierenden zurückzufordern.

Aber wären das sinnvolle Maßnahmen? Ein KURIER-Faktencheck.

Wie viele Medizin-Studienplätze gibt es?

Für das Studienjahr 2019/20 stehen an den öffentlichen Universitäten in Wien, Graz, Innsbruck und Linz 1.536 Plätze für Humanmedizin zur Verfügung. Dazu kommen 375 Plätze an Privat-Unis.

Wie viele davon sind für Österreicher reserviert?

75 Prozent der Plätze an den öffentlichen Universitäten sind für Österreicher reserviert. Weitere 20 Prozent stehen EU-Bürgern zur Verfügung, die restlichen 5 Prozent Drittstaats-Angehörigen.

Wäre eine Verpflichtung für Absolventen, eine Zeit lang in Österreich zu arbeiten, rechtlich möglich?

In Verbindung mit einem Stipendiensystem: ja, sagt der Europarechtsexperte Walter Obwexer von der Uni Innsbruck. Südtirol zahlt etwa Studierenden einen Teil der Ausbildung, dafür müssen sie eine gewisse Zeit im Land praktizieren. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das abgesegnet.

Brauchen wir auch so ein System?

Anita Rieder, Vizerektorin der MedUni Wien, fände es „schwierig“, die freie Berufswahl einzuschränken. Durch die Quote wäre ohnehin der überwiegende Teil der Studierenden aus Österreich. Auch würden nicht alle deutschen Absolventen weggehen. Und: „Wenn die Umstände nicht passen, gehen auch die Österreicher ins Ausland“, sagt Rieder. Auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres würde Absolventen lieber positiv zum Bleiben motivieren, als sie zu zwingen.

Brauchen wir mehr Studienplätze?

Szekeres sieht hier „keinen Mangel“. Das Problem sei, dass nur 6 von 10 Absolventen in Österreich zu arbeiten beginnen (siehe Grafik). Was es brauche, seien bessere Rahmenbedingungen, „damit die gar nicht erst ins Ausland gehen bzw. zurückkommen“. Hier gehe es etwa um zu wenig Ausbildungs-Personal, aber auch um zu geringe Bezahlung und Wertschätzung.

Ärztemangel: Kein Bedarf an mehr Medizin-Studienplätzen

Auch Rieder ortet vielmehr ein Verteilungsproblem. Einzelne Programme wie das „Exzellenzprogramm Allgemeinmedizin“ in Wien, eine Kooperation mit der Stadt, seien aber sehr erfolgreich. Das „Nadelöhr“ sei außerdem die Wartezeit vor der klinischen Ausbildung.

Das sieht man auch im Bildungsministerium so. Es gebe nicht zu wenige Plätze, sondern ein Verteilungsproblem. Manche Stellen würden von den Absolventen „als nicht attraktiv empfunden“. Das liege aber in der Verantwortung der Gesundheitsdienstleister.

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