Abschaffung der kalten Progression für Kocher "umstrittene Frage"
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sieht die in Österreich seit Jahren geforderte Abschaffung der kalten Progression als "umstrittene Frage". In der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung stehe lediglich, dass sie geprüft werde, so Kocher am Samstag beim 14. europäischen Mediengipfel in Lech am Arlberg. Würde ein solcher Automatismus geschaffen, könnten Reformen des Steuersystems anschließend deutlich schwieriger werden, gab Kocher zu bedenken.
Dass die Frage unterschiedlich bewertet werde, zeige sich daran, dass manche EU-Staaten oder auch die Schweiz diesen Automatismus eingeführt hätten, andere aber nicht. Auch unter Experten sei umstritten, wie vom Staat zusätzlich ausgegebenes Geld an die Bürger zurückgegeben werden soll.
Fokus auf Geringverdiener
In Sachen Teuerung - die größtenteils importiert sei - hätten Österreich und die Europäische Zentralbank (EZB) aktuell relativ wenige Ausgleichsmöglichkeiten. Der heimische Fokus liege insbesondere auf den Geringverdienern, ein Ausgleich für alle sei nicht möglich. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, wie in Deutschland gehandhabt, hielt Kocher gerade nicht für "zielgenau" und deshalb nicht für zielführend. In seinen Augen aber könnte man etwa über die Bindung der Strom- an die Gaspreise oder über hohe EU-Zölle auf Energie-Substitute reden, um der Inflation entgegenzuwirken.
Das Hauptziel der EZB sei die Preisstabilität, sie habe aber auch einen Blick auf die Staatsschulden der EU-Mitgliedsländer. "Österreich könnte höhere Zinsen leicht bewältigen", stellte Kocher im Hinblick auf eine mögliche Anhebung des Leitzinses in naher Zukunft fest. Auch seien die meisten anderen EU-Staaten "besser abgesichert als vor fünf oder zehn Jahren". Bei einer raschen Zinserhöhung bestünde aber die Gefahr, in eine Stagflation zu geraten, warnte er.
Ebenso warnte Kocher vor einem Boykott von russischem Gas, dieser würde "uns stärker treffen als Russland", zeigte sich Kocher überzeugt. Mehrere zehntausende Arbeitnehmer würden dadurch vermutlich in die Kurzarbeit gezwungen werden. Er glaube nicht, dass ein Gas-Embargo den Krieg in der Ukraine rasch beenden würde. Auf die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge angesprochen sagte der Minister, dass es derzeit 124.000 offene Stellen gebe. Somit wären 10.000 bis 20.000 ukrainische Arbeitnehmer "gut integrierbar". Wirtschaftlich habe sich Österreich von der Pandemie gut erholt, "viel schneller als erwartet". Zwei, drei wirtschaftlich gute Jahre hätten aber gut getan. Aufgrund des Ukraine-Kriegs bremse sich die Dynamik ein.
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