An der Rede selbst können die Streichungen wohl kaum gelegen haben. Sie war, was man von der Chefin einer Oppositionspartei erwarten durfte – eine gnadenlose Abrechnung mit der Kanzler-Partei.
Kritik an Kurz - "türkise Führungstruppe"
Rendi-Wagner geißelte die moralische Verkommenheit der „türkisen Führungstruppe“. Sie kritisierte die kalte Machtpolitik des „Systems Kurz“, das „einen nie da gewesenen Tiefpunkt des moralischen Anstands“ erreicht habe. Es ist diese Stelle, an der die Delegierten das erste Mal applaudieren. Nicht euphorisch, aber immerhin.
Und auch die Inhalte scheinen auf Zustimmung zu stoßen. Etwa, als Rendi-Wagner fordert, dass die Kosten für die Pandemie nicht allein an den Arbeitenden hängen bleiben dürften. Konzerne, Millionäre und Milliardäre müssten einen Beitrag leisten – und zwar einen höheren als derzeit, denn: „Breitere Schultern können höhere Lasten tragen.“
All das wird beklatscht, Kritiker ergreifen selten bis gar nicht das Wort. Trotz allem wird ein Viertel der Delegierten später die Bundesparteichefin streichen.
Wie kam es dazu?
Wer an diesem Samstag mit Delegierten spricht, gewinnt den Eindruck, dass zur Schau getragene Stimmung und Ergebnis nicht zusammenpassen.
Die Atmosphäre ist nicht enthusiastisch, aber in Ordnung. Laut sagt das etwa Landesparteiobmann Georg Dornauer. Der Tiroler hat sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch zum Kurs der Bundespartei geäußert. Im Gespräch mit dem KURIER glaubt er aber an eine Änderung der Stimmungslage: „Die Bundesparteiobfrau hat in den vergangenen eineinhalb Jahren mehr Rückhalt in der Partei und in der Bevölkerung gewonnen.“ Dornauer hat sich offenkundig geirrt – und nicht nur er. Denn in der Gewerkschaften, einzelnen Landesparteien und auch in der Löwelstraße geht man auch nach der Wahlschlappe nicht von einer konzertierten Aktion aus.
Rendi-Wagner selbst hat sich vorab um Beruhigung bemüht und die interne Kritik mit keinem Wort angesprochen – das hatte sie am Vortag erledigt. Beim Bundesfrauenkongress der SPÖ nämlich, wo sie sinngemäß meinte, dass nicht alle, die in der Partei das große Wort schwingen, gerne Verantwortung übernehmen.
Wurde ihr vielleicht das übel genommen?
Im Parlamentsklub wird vermutet, dass Niederösterreich, die Steiermark und das Burgenland Rendi-Wagner vermehrt gestrichen haben – bestätigen will das keiner.
Eher nicht verantwortlich für das bescheidene Ergebnis ist Wiens Stadtpartei. Bis hinauf zu Michael Ludwig versicherten Funktionäre unter dem Schutz der Verschwiegenheit, dass man hinter Rendi-Wagner stehe. Die Wahl sei alternativlos, zudem hätten sich die Umfragewerte erholt.
Zumindest das ist empirisch messbar: In der aktuellen Sonntagsfrage des OGM-Instituts für den KURIER, legt man wenig aber doch auf nun 25 Prozent zu.
Zur Erinnerung: In den Hochphasen der Pandemie war die SPÖ klar unter 20 Prozent und damit hinter das historisch schlechteste Wahlergebnis von 2019 ( 21,2 Prozent) gerutscht.
„Sie ist gewählt und wird versuchen ihre Kritiker zu überzeugen“, sagt die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures zum KURIER. Das Ergebnis habe sie überrascht, dass die Kritiker nicht offen aufgetreten seien, mache die Sache nicht leichter.
Das Ende des Parteitags war ebenso überraschend wie die Abstimmung über Rendi-Wagner. Zum Schluss war man wegen zu vieler fehlender Delegierter nicht beschlussfähig. Die Abstimmung über Statutenänderungen musste verschoben werden – wie manche Diskussion über die Chefin.
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