90,56 Prozent für Lercher bei steirischem SPÖ-Landesparteitag

Der neue Vorsitzende der SPÖ Steiermark, Max Lercher, hat bei der Direktwahl durch die rund 15.000 stimmberechtigten Parteimitglieder 90,56 Prozent Zustimmung erhalten. Das Votum hatte im Mai begonnen. 48 Prozent hatten mitgestimmt. Das Ergebnis ist am Samstag beim Landesparteitag in Premstätten südlich von Graz bekannt gegeben worden. Einen Gegenkandidaten gab es nicht.
"Ich weiß, dieses Ergebnis ist nicht selbstverständlich. Mir ist bewusst, dass ich auch polarisiere", dankte Lercher für das Ergebnis. Er selbst habe nicht mehr daran geglaubt, noch einmal an dieser Stelle zu stehen: "Und jetzt stehe ich da mit allen meinen Erfahrungen, Erfolgen, aber auch Niederlagen, und will das tun, wofür ich in die Politik gegangen bin: Probleme lösen und Zukunft schaffen."
Ego- und Machtpolitik schlechte Berater
Vor zwölf Jahren hatte er schon am "Reformparteitag" eine Rede gehalten: "Ich bin nach zwölf Jahren geläutert und geerdet". Ego- und Machtpolitik seien schlechte Berater für die Herausforderungen der Zukunft, weil sie zu falschen Entscheidungen führen, so seine Erkenntnis. Die Sozialdemokratie habe oft ein Bild abgegeben, "das uns alle schmerzt", gab er zu.
"Viel zu oft haben wir uns in Parteitaktik verloren und ein Schauspiel aufgeführt, statt uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich bin mir bewusst, dass ich dazu beigetragen habe. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe." Nun habe er eine andere Aufgabe und Fehler seien nichts Schlechtes, sofern man daraus lerne.
Die Sozialdemokratie dürfe kein Selbstzweck sein, fuhr er fort, sondern sie müsse "Motor für Entwicklung und Fortschritt" sein. Seine Grundsatzrede startete Lercher mit einem für die SPÖ ungewöhnlichen Thema, nämlich Migration: "Wir haben uns bei diesem wichtigen Thema viel zu lange weggeduckt. Ein Großteil hört uns nicht mehr dabei zu und wir werden nicht ernst genommen. Um interne Diskussionen zu vermeiden, haben wir geschwiegen, aber wir dürfen das Thema nicht totschweigen. Wir müssen eine klare Linie haben, aber auch die Sorgen ernst nehmen und auch negative Entwicklungen ansprechen."
Sein Vorsatz: "Keine Toleranz den Intoleranten." Das sei übrigens keine Übernahme von freiheitlichen Positionen: "Wir wollen Lösungen, die anderen wollen keine Lösungen, weil Probleme der Nährböden ihres politischen Erfolgs sind", so Lercher.

Größte Dialogtour geplant
Der neue Parteivorsitzende erntete viel Applaus für seine Position: "Ein Mensch, der Vollzeit arbeitet, muss ohne Förderungen leben können." Weiters dürften Pflege, Gesundheit, Energieversorgung und Daseinsvorsorge nicht die Sparten für Gewinnmaximierung sein. "Die Pflege darf nicht auf Profit aus sein." Er kündigte "die größte Dialogtour unserer Geschichte" an, ob digital oder am Stammtisch. "Wir müssen auch da hingehen, wo es wehtut, weil auch dort haben wir zu diskutieren." Er wolle auch die Betriebsorganisationen wieder stärken.
Ein paar Seitenhiebe auf die FPÖ-ÖVP-Landesregierung verkniff sich Lercher nicht: Diese habe das Infrastrukturbudget gekürzt, "aber dafür Sandburgen in Jesolo gebaut". Der Tourismus sei zwar wichtig, "aber das Fundament unseres Wohlstands ist die Industrie". Geht es nach Lercher, werden die rund 70 Mio. Euro Rendite der Energie Steiermark zur Hälfte für einen Steiermark-Fonds für Investitionen und die andere Hälfte für einen günstigen Steiermark-Stromtarif genutzt. Die Energie Steiermark müsse auch zu 100 Prozent in den Händen des Landes bleiben.
"E-Card muss reichen"
Lercher sprach sich "für eine flächendeckende, kostengünstige, und letztlich kostenlose Kinderbetreuung" sowie eine 24/7-Akutversorgung an jedem Krankenhaus-Standort aus: "Es braucht alle Krankenhaus-Standorte in der Steiermark, um dem Versorgungsauftrag gerecht zu werden." Die Zweiklassen-Medizin müsse beendet werden: "Die E-Card muss reichen. Wir zahlen genug Abgaben." Der Obersteirer sprach unter anderem auch Bildung, Pensionen und Sicherheitspolitik an, von Klimathemen war dagegen nichts zu hören.
Zum Abschluss meinte er: "Wahrscheinlich hat es den FPÖ-Wahlsieg gebraucht, damit auch wir uns auch ändern. Heute steht eine geerdete Sozialdemokratie da, die bereit ist, sich zu ändern." Er verspreche keine Wunder, sondern harte Arbeit. Dafür erhielt er stehende Ovationen, begleitet von "You Get What You Give" von den New Radicals.
Start mit Frühstück und "klaren Linien"
Der Parteitag der steirischen Roten hatte traditionell mit einem Frühstück, begleitet von Jazzklängen, begonnen. In der Premstätten Halle am Schwarzlsee war überall "Deine Lebensrealität. Mein Auftrag" zu lesen, Lerchers Motto. Hinzu kamen auffällige Markierungslinien am Boden, die beispielsweise den Weg zum Catering wiesen. "Klare Linie mit Max Lercher" lautete die dazu passende Erklärung.
Rund 400 Delegierte sowie etwa 600 weitere Gäste waren zum Parteitag gekommen. Auf sämtlichen Stühlen hingen weiße Stoffsackerl mit dem Motto und dem Konterfei von Lercher in Rot aufgedruckt. Neben gratis Pickerl und Bierdeckel mit demselben Branding gab es auch T-Shirts mit dem durchaus einprägsamen Aufdruck zu je zehn Euro zu kaufen. Zum Einzug erhielt Lercher Standing Ovations sowie herzliche Begrüßungen etwa durch seine Vorgänger Michael Schickhofer und Anton Lang sowie auch Staatssekretär Jörg Leichtfried.
Christian Kern nur per Video
Lang hatte die Direktwahl eingeführt und im Jänner 2024 knapp 91,7 Prozent der Stimmen erhalten. Nach der Schlappe bei der Landtagswahl im November 2024 zog sich Lang an der Spitze der steirischen SPÖ zurück und übergab an Lercher. Dieser ist nun auch offiziell zum Vorsitzenden gewählt worden. Landesgeschäftsführer Florian Seifter zeichnete Lerchers Aufgabe in den Begrüßungsworten vor: Er muss die Partei neu aufstellen.
Nach der Grundsatzrede des neu gewählten Vorsitzenden sollte am Nachmittag auch noch Ex-Bundeskanzler Christian Kern eine Keynote sprechen, doch er musste unerwartet auf eine berufliche Auslandsreise. Seine Rede über den Industriestandort Österreich und Europa wird daher per Video eingespielt.
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