Staatssekretär Pröll: „Wir fahren keinen Kuschelkurs“

Alexander Pröll, Staatssekretär
Der ÖVP-Staatssekretär über die langen innerkoalitionären Verhandlungen, die nur geringe Erhöhung der Pensionen, die Strukturreform mit den Ländern und seine politische Familie.

In der Koalitionsregierung sitzt Alexander Pröll, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, für die ÖVP im Koordinierungsgremium. Was mit unzähligen langen Verhandlungen verbunden ist.

KURIER: Herr Pröll, seit März ist die neue Bundesregierung im Amt. Und seither sitzen Sie fast jeden Tag an einem Verhandlungstisch. Das reicht vom Budget bis zu den Beamtengehältern. Sind Sie als Verhandler ausgebildet worden?

Alexander Pröll: Tatsächlich verbringe ich gefühlt 50 Prozent meiner Lebenszeit am Verhandlungstisch. Dort ist es ein Learning by Doing. Irgendwie benötigt man ein Gespür, um zu verstehen, wie die Menschen ticken. Entscheidend ist aber, dass man erstens das Regierungsprogramm kennt und zweitens ideologisch weiß, wofür die ÖVP steht.

In der türkis-grünen Vorgängerregierung gab es den Spruch: Wenn ein Thema in der Koordination der Koalition landet, ist es praktisch bereits versenkt, weil so lange diskutiert wird, bis nichts mehr daraus werden kann. Das muss ja für eine Dreierkoalition noch mehr gelten?

Jetzt ist es genau andersrum. Wenn ein Thema in die Koordinierung kommt, dann wird es gelöst. Wir sind der Maschinenraum der Bundesregierung, wir halten den Motor am Laufen und versuchen, Dinge auf den Boden zu bringen. Wir sind die Hüter des Kompromisses. Im Regierungsprogramm gibt es für jede der drei Parteien Leuchtturmprojekte. Am Ende des Tages möchte man das Leben der Menschen verbessern. Das funktioniert aber nur, wenn man die Punkte der anderen Parteien auch anerkennt und umsetzt.

Was auch auffällt: Es gibt weniger innerkoalitionäre Streitereien und Querschüsse als in den Regierungen davor.

Dafür ist eine starke Disziplin notwendig. Wir sind in der Sache total hart. Das ist kein Kuschelkurs, den wir fahren. Im Koordinierungsausschuss arbeiten und verhandeln wir unermüdlich. Es ist nicht zuträglich, in der Öffentlichkeit zu streiten. Wir reden intern sehr hart, aber immer auf Augenhöhe. Deswegen haben wir auch viel weitergebracht.

Staatssekretär Pröll: „Wir fahren keinen Kuschelkurs“

Ein entscheidender Punkt ist dabei, wie sehr man sich gegenseitig vertraut. Wie sieht es da bei den drei Parteien aus?

Aus meiner Sicht sehr gut. Eine Einigung zwischen drei Parteien zu finden, ist naturgemäß viel, viel aufwendiger und viel, viel schwieriger zu erzielen. Wir haben unsere Arbeit auf eine Legislaturperiode von fünf Jahren angelegt, da muss man einander vertrauen. Dieses Vertrauen ist aufgebaut. Es gibt viele Achsen, die gut funktionieren.

Wie sehr wird dieses Arbeiten von aktuellen Umfragen beeinflusst? Wächst da nicht der Druck aus den Parteien heraus, wenn sich die Werte nicht verbessern?

Christian Stocker steht dafür, dass er nicht auf die kurzfristigen Umfragen schaut, sondern auf den langfristigen Erfolg des Landes. Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen. Wir wissen, dass es kein Sprint ist, sondern ein Marathon, der langfristig angelegt ist.

Kommen wir jetzt zu einem konkreten Thema, das Sie mitverhandelt haben. Diesmal werden Pensionen unter der Inflationsrate erhöht, was ein Abweichen von der bisherigen Praxis bedeutet. Wie sind die Reaktionen in der Partei und in der Öffentlichkeit, mit denen Sie sich konfrontiert sehen?

Unser Zugang ist, der Realität ins Auge zu blicken. Wir haben extrem große Herausforderungen zu bewältigen. Wir wollen die Inflation auf zwei Prozent drücken. Das ist sehr ambitioniert, weil sie derzeit bei rund vier Prozent liegt. Und wir wollen ein leichtes Wirtschaftswachstum von einem Prozent erreichen. Da ist es notwendig, die Lohn-Preis-Spirale zu durchbrechen. Deswegen musste auch bei den Pensionen das Richtige getan werden. Umfragetechnisch ist die ÖVP wahrscheinlich die stärkste Partei bei den Pensionistinnen und Pensionisten. Deswegen ist die Maßnahme auch schmerzhaft für die Partei, aber faktisch ist dieser Schritt notwendig.

Zumindest von den jungen Menschen müsste Ihre Partei jetzt Applaus bekommen.

Es geht nicht nur um kurzfristigen Applaus, sondern wir fokussieren uns auf das langfristig Richtige. Da ist das nächste Thema, dass wir mit den Gewerkschaften über den Lohnabschluss für Beamte für 2026 noch einmal sprechen wollen. Auch das ist nicht leicht. Aber es geht in der Politik nicht darum, ob es leicht oder schwer ist, sondern dass wir jetzt in Österreich den Turnaround schaffen müssen. Das geht nur, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. 

Wie ist das Klima bei den Gesprächen mit den Beamtenvertretern? Die können sich darauf zurückziehen, dass es bereits einen vereinbarten Pakt gibt.

Ich bin auch für den Öffentlichen Dienst zuständig. Deswegen ist es mir wichtig, in der Öffentlichkeit klar zu sagen, dass das Hunderttausende Menschen betrifft. Wir reden da nicht nur über Bedienstete in Ministerien, sondern auch über Lehrkräfte, Polizisten, Pflegepersonal etc. Die sind schon in gewisser Art und Weise das Rückgrat des Staates. Deswegen gibt es hier größte Wertschätzung. Deswegen ist es extrem schwierig und sensibel, über einen gesetzlich bereits verankerten Abschluss zu sprechen. Finanzminister Marterbauer und ich haben dennoch die Gewerkschaftsvertreter eingeladen, darüber noch einmal zu sprechen. Wir haben die wirtschaftliche Lage dargestellt, dass es ernst ist und der Öffentliche Dienst kein geschlossenes System ist. Wir müssen schauen, dass wir gemeinsam die Wirtschaft wieder in Gang bringen.

Als Ihr Vater Finanzminister war, hatte er in einer Rede den Vorschlag gemacht, Vertreter des Bundes und der Länder wie bei der Papstwahl so lange einzusperren, bis bei Strukturreformen weißer Rauch aufsteigt. Geglückt ist es ihm nicht. Jetzt verhandeln Sie Reformen mit den Bundesländern. Was ist diesmal zu erwarten?

Wir haben kurz vor dem Sommer eine Reformpartnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beschlossen. Es wird auf allen Ebenen anerkannt, dass wir gemeinsam auftreten müssen, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Wir haben in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Energie sowie im Block Verwaltung und Verfassung strukturelle Themen, die wir wesentlich effizienter gestalten könnten. Es finden intensive Gespräche statt, und ich bin in allen Bereichen zuversichtlich, dass wir aufgrund des Leidensdrucks zu Lösungen finden.

Zum ausführlichen KURIER TV-Interview mit Staatssekretär Pröll

Sie orten genügend Bereitschaft in den Bundesländern? Da geht es ja auch sehr viel um Macht und Einfluss.

Ich orte auf allen Ebenen eine Bereitschaft, gemeinsam darüber zu sprechen, wie wir die Dinge verbessern.

Aber in den aufgezählten Bereichen gibt es so viele komplizierte strukturelle Verflechtungen, dass man sich kaum vorstellen kann, wie dieser gordische Knoten durchschlagen werden soll.

Wir werden zu Ergebnissen kommen müssen. Es muss auch eine Kompetenzbereinigung geben: Wofür ist der Bund verantwortlich, wofür die Länder, wofür die Gemeinden? Und in weiterer Folge – das muss man auch ganz klar ansprechen – muss das auch mit Finanzierungsströmen im Finanzausgleich hinterlegt werden. Wir müssen das auch im Sinne der Menschen denken. Wie bringen wir eine bessere Bildung zustande? Wie kommen Patienten schneller zu einem Arzttermin? Wie senken wir die Energiekosten? Wir machen das alles ja nicht zum Selbstzweck oder für die Frage, wer welche Macht hat.

Theoretisch könnte bei dieser Kompetenzentflechtung das Ergebnis sein, dass für den Gesundheitsbereich der Bund zuständig ist, für die gesamte Verwaltung der Schulen die Länder?

Das ist eine theoretische Frage, aber faktisch geht es darum, die Kompetenzen dementsprechend zu entflechten. Ich bin ein Fan von klaren Verantwortungen. Und derjenige, der die Verantwortung trägt, soll auch die finanziellen Mittel dafür erhalten.

ZUR PERSON

Alexander Pröll (35)
Der Schritt in die Politik erfolgte für Alexander Pröll 2017, als Sebastian Kurz die Partei übernahm. Zuerst war er in der Parteizentrale, dann im Kabinett von Kurz tätig. Kanzler Christian Stocker holte ihn im März als Staatssekretär an seine Seite

Zum Abschluss eine Frage zu Ihrem privaten Umfeld. Sie kommen aus der sehr politischen Familie Pröll. Ihr Vater Josef war Agrarminister, Finanzminister und Vizekanzler, Ihr Großonkel Erwin als Landeshauptmann in Niederösterreich einer der mächtigsten ÖVP-Politiker. Fürchten Sie da nicht Familienfeiern, weil Sie dann von allen Seiten belehrt werden, wie die Regierung arbeiten sollte?

Es ist eher so, dass ich ab und zu nach einem guten Tipp frage. Das Lustige ist, dass ich eigentlich nie Politiker werden wollte. Aber ich habe jetzt die Möglichkeit, ein kleines Rädchen zu sein, um Österreich weiterzubringen. Dadurch, dass ich politisch geprägt worden bin, haben wir bei den Familienfeiern immer über Politik gesprochen.

Es ist aber auch nicht jeden Tag ein Familienmitglied am Handy, um zu erklären, wie von der Bundesregierung ein Problem gelöst werden soll?

Es gibt keine ungefragten Tipps, außer ich rufe an und frage tatsächlich nach.

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