Positionspapier: So will die ÖVP Sozialbetrug bekämpfen

Die Regierung feilt an einem Paket für Betrugsbekämpfung. Für die SPÖ verhandelt federführend Finanzminister Markus Marterbauer, für die ÖVP Finanz-Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl, für die Neos der politische Direktor Lukas Sustala. Aber was ist „Betrugsbekämpfung“?
Laut Regierungsprogramm geht es um Steuerbetrugsbekämpfung. Marterbauer hat dazu jüngst Expertenvorschläge vorgelegt. Ein dazugehöriges Gesetz soll heuer beschlossen werden, die Legistik sei den Koalitionspartnern am Freitag übermittelt worden, heißt es aus dem Büro des SPÖ-Ministers auf KURIER-Anfrage. Man gehe von einer zügigen Umsetzung des Pakets und davon aus, dass die ÖVP das auch so sehe und nicht verzögern wolle. Wie ist das zu verstehen?
Nun, die ÖVP definiert Betrugsbekämpfung zur Irritation der SPÖ etwas breiter: Auch Sozialmissbrauch soll Teil des Pakets werden.
ÖVP-Vorschläge
Zuerst forderten das Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Laut WKÖ gab es 2024 2.865 Fälle von Sozialleistungsbetrug – ein Anstieg von 9,1 Prozent im Vergleich zu 2023. Die Zahl der Krankenstände sei seit 2000 um drei Tage auf 15 gestiegen. Auf diese Punkte zielt ein neues Positionspapier der ÖVP ab, das dem KURIER aus Regierungskreisen vorliegt. Es enthält konkrete Maßnahmen gegen Sozialleistungsbetrug, die eine „ganzheitliche Betrugsbekämpfung“ sicherstellen sollen.
Prinzipiell drängen die Türkisen darauf, dass Betrugserkennung vernetzter, datenbasierter, digitaler und insgesamt effizienter wird. Dabei helfen sollen Aufklärungsplattformen und regelmäßige „Erfolgsberichte“. Es gibt aber auch schon Detailforderungen, die für hitzige Debatten sorgen dürften:
- Sozialhilfe: Aus ÖVP-Sicht soll das AMS künftig „Jobvereitelungen durch Sozialhilfebezieher“ konsequent sanktionieren. Wer Sozialhilfe erhält und gleichzeitig Betreuungspflichten hat, soll zudem bereits ab dem ersten Geburtstag des Kindes am Arbeitsmarkt verfügbar sein. Und für alle, die Sozialleistungen erschleichen oder Vermögen verschweigen, soll ein „Sozialbetrugstatbestand“ eingeführt werden.
- Arbeitslose: Wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld endet, landen Bezieher in Österreich in der unbefristeten Notstandshilfe. Diese soll laut ÖVP-Papier künftig nur noch befristet ausbezahlt und danach durch eine „bedürftigkeitsgeprüfte Sozialhilfe“ ersetzt werden. Weiterer Punkt: Derzeit unterbrechen Krankenstände den Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Das soll nicht mehr möglich sein. Erkrankte Arbeitslose sollen sich zudem verpflichtend bei der ÖGK zu Kontrollterminen melden – am Anfang und Ende des Krankenstandes. Wer die Termine nicht einhält, bekommt für mindestens sieben Tage keine Leistungen. Wer zudem bereits Anspruch auf die Korridorperson hat, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe erlischt. Apropos Anspruch auf Arbeitslosengeld: Diesen soll man künftig nur noch am regulären Arbeitsmarkt erwerben können.
- Pensionen: Die Volkspartei will gezielt überprüfen lassen, ob Bezieher aus anderen EU-Staaten, die in Österreich erwerbstätig waren, tatsächlich Anspruch auf eine Teilpension oder die Ausgleichszulage haben. Und: Sollte jemand wegen einer psychischen Erkrankung die Invaliditätspension beziehen, soll die Pensionsversicherung künftig diese Daten für Führer- oder Waffenscheine an die jeweils zuständige Behörden übermitteln.
- Krankenversicherung: Mit „digitalen und datenbasierten“ Methoden will die ÖVP künftig schneller Krankenstandsmissbrauch identifizieren. Unter anderem soll der Dienstgeber einen gesetzlichen Anspruch darauf haben, dass die ÖGK „unverzüglich“ kontrolliert, ob der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt ist. Krankschreibungen sollen künftig zudem laut Gesetz „tätigkeitsbezogen“ sein. Was ist darunter zu verstehen? Die Debatte ist nicht neu: Wer beispielsweise ein gebrochenes Bein hat, könnte theoretisch ja gewisse Bürotätigkeiten verrichten.
- Sozialleistungen: Die ÖVP will Strafbestimmungen bei Meldeverstößen gesetzlich verankern – auch Beitragstäter sollen dabei erfasst werden. Dabei will man den Druck auf Gemeinden erhöhen, die „Kontrollpflichten nicht nachkommen“. Von Geringverdienern, die Sozialmissbrauch begehen, sollen erstatte Beiträge rückgefordert werden. Und: Der Datenaustausch zwischen den Sozialversicherungsträgern und anderen Stellen – auch ELGA – soll künftig gesetzlich erlaubt sein.
Sozialleistungsbetrug
Laut WKÖ gab es im Vorjahr 4.865 Fälle von Sozialleistungsbetrug – etwa durch Verschleierung von Auslandsaufenthalten, fingierten Identitäten oder Wohnsitzen. Das entspricht einer Steigerung von 9,1 Prozent gegenüber 2023. Seit 2018 hätten Sozialbetrüger einen Schaden von 135 Millionen Euro verursacht. Die WKÖ geht von einer hohen Dunkelziffer aus.
Steuerbetrug
Das Finanzministerium will von 2026 bis 2029 rund 1,4 Milliarden Euro durch verschärfte Steuerbetrugsbekämpfung einnehmen – etwa bei Scheinfirmen, im Bereich der Luxusimmobilien, der Umsatzsteuer oder Kryptowährungen. Eine Expertenkommission hat dazu Vorschläge erarbeitet.
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