"Langsam eine Katastrophe": Ist es zu spät für eine große Pensionsreform?

PK DER BUNDESREGIERUNG "PENSIONSANPASSUNG 2026": WÖGINGER/SCHUMANN/GASSER
Ökonom Dénes Kucsera glaubt nicht mehr an eine Anhebung des Pensionsantrittsalters vor 2040. Ein Grund: Die Wählergruppe der über 65-Jährigen wächst rapide.

Braucht Österreich eine tiefgreifende Pensionsreform? Muss das gesetzliche Antrittsalter angehoben werden? Die meisten namhaften Ökonomen fordern das, auch EU-Kommission und OECD empfehlen es. Dennoch zählt Österreich nach wie vor zu jenen EU-Staaten, die diesbezüglich keine Pläne haben. Mit Folgen: 2029 wird jeder dritte Steuer-Euro in die Stützung des Pensionssystems fließen.

Ein Nebeneffekt dieser Politik: Aufgrund der schlechten Budgetsituation muss die Bundesregierung nun anderweitig bei den Pensionen sparen. Kommendes Jahr steigen Monatsbezüge ab 2.500 Euro brutto unterhalb der Inflationsrate. Die Folge: Aufregung bei Gewerkschaften und FPÖ, Proteste der Seniorenvertreter. Vor allem in der SPÖ sorgte die Sparmaßnahme für gewaltiges Rumoren.

Nun kann man argumentieren, die Regierung habe den sozial verträglichsten Weg gewählt. Es ist eine faktische Pensionskürzung, die aber nur drei von zehn Pensionisten betrifft: Und zwar jene, die über die Jahre viel Geld in die Pensionsversicherung einbezahlt haben. 

Gestaffelte Pensionsanpassungen würden gerade deshalb das Vertrauen ins Versicherungsprinzip untergraben und seien "die schlechteste aller Lösungen, um im System zu sparen", sagt Ökonom Dénes Kucsera vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria zum KURIER.

"Erwarte keine Reform bis 2040"

Auch die Agenda Austria plädiert seit Jahren für eine Anpassung des Pensionsalters an die Lebenserwartung. Aber wer soll das umsetzen, wenn der Widerstand bei den aktuellen, kleineren Einschnitten bereits so massiv ist? Kucseras Einschätzung ist mittlerweile eine pessimistische: "Ich erwarte keine Reform bis 2040 und bis dahin sind die Babyboomer ohnehin in Pension.“

Der Ökonom geht also davon aus, dass eine Anhebung des Antrittsalters die Pensionisten der kommenden 15 Jahre nicht mehr betreffen wird. Und selbst eine Anhebung ab 2040 müsste jetzt in die Wege geleitet werden, betont Kucsera und verweist auf ein Beispiel: "Wenn die Anhebung des Antrittsalters der Frauen 2033 abgeschlossen ist, wird der gesamte Prozess 40 Jahre gedauert haben."

Ein weiterer Faktor zeigt, warum die Reform eigentlich sofort erfolgen müsste: Die Wählergruppe der Senioren wächst kräftig. Kommende Regierungen werden es also nicht einfacher haben, das System umzubauen, so sie wiedergewählt werden wollen: "Der Anteil der Wähler über 65 Jahren ist seit 1982 kontinuierlich gestiegen – von 19,5 Prozent auf heute 27,5 Prozent", sagt Kucsera. Bereits 2033 werde jeder dritte Wähler über 65 Jahre alt sein: "Das ist eine ziemlich große Gruppe. Wer dann noch die Pensionen kürzen will, begeht politischen Selbstmord."

Nachhaltigkeitsmechanismus? "Kommt nie im Leben"

Ohne Sparmaßnahmen müsste der Staat bereits 2029 das Pensionssystem mit jährlich 40 Milliarden Euro stützen. Eine große Reform hätten die Regierungen in der Vergangenheit einleiten müssen, meint Kucsera: "Die skandinavischen Staaten haben reagiert, Österreich nicht. Die demografischen Daten lügen nicht."

Immerhin: Mit dem Nachhaltigkeitsmechanismus hätte die Dreierkoalition ein Instrument geschaffen, dass die Regierung 2030 zu tiefgreifenden Pensionsreformen verpflichtet. Und zwar für den Fall, dass die aktuellen Reformen – wie die Einführung der Teilpension – nicht ausreichen, um das System nachhaltig aufzustellen. Bei den Neos, die auf den Mechanismus gedrängt haben, geht man aufgrund eigener Berechnungen davon aus, dass dieser Fall eintritt.

"Das wird aber erst die nächste Regierung treffen und deshalb nie im Leben kommen", winkt Kucsera ab. Die Politik schaffe es einfach nicht, den Pensionisten klar zu verkaufen, warum eine Anhebung des Antrittsalters nötig sei: "Weil nur dann die Pensionen sicher sind und künftig nicht dauernd unter der Inflationsrate angepasst werden müssen." Fazit: "Das ist einfach eine Katastrophe langsam."

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