70 Jahre Marshall-Plan: Der "Spezialfall" Österreich und das Milliardengeschenk aus den USA

Care-Pakete für die Bevölkerung, Maschinen für die Wirtschaft: Die Marshall-Plan-Hilfe hat den Wiederaufbau maßgeblich vorangebracht
Österreich gedenkt der US-Hilfe für den Wiederaufbau und den Kampf gegen den Kommunismus.

Das Joseph-Brot, bio und knusprig, kennt fast jeder in Wien – und weit darüber hinaus. Die Joseph Brotmanufaktur hat mehrere Standorte in der Stadt, das Gebäck wird in vielen Geschäften verkauft. Eine Starthilfe bekam das flotte Unternehmen mittels eines günstigen Kredites aus dem ERP-Fonds.

ERP steht für "European Recovery Program", das erfolgreichste Wirtschaftsprogramm der neueren Geschichte, allgemein bekannt unter Marshall-Plan, der Österreich und anderen 15 europäischen Staaten den ökonomischen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichte.

Am Mittwoch wurde in einem Festakt in Wien an dem die Staatsspitze mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Wolfgang Brandstetter teilnahm, an "70 Jahre Marshall-Plan" erinnert.

Am 5. Juni 1947 hat der damalige US-Außenminister George C. Marshall in seiner berühmt gewordenen Rede vor Studenten in Harvard seine Idee von einem umfassenden Hilfsprogramm für das vom Krieg zerstörte Europa skizziert. Als politisches Instrument war der Marshall-Plan auch gegen den Kommunismus gerichtet.

Österreich bekam damals rund 1,1 Milliarden US-Dollar (der damalige Gegenwert waren 17,6 Milliarden Schilling was rund zehn Prozent des damaligen BIP entsprach) in Form von Hilfsgütern und Geld geschenkt. Wegen seiner exponierten Lage zwischen Ost (russische Besatzung) und West wurde Österreich ein Sonderstatus ("special case") zugeschrieben. Die meisten anderen westeuropäischen Staaten erhielten die US-Hilfe hingegen in Form von wieder rückzahlbaren Krediten.

Insgesamt betrug die Marshallplan-Hilfe an alle europäischen Staaten von 1948 bis 1953 rund 17 Milliarden US-Dollar (nach heutigem Geldwert rund 130 Milliarden US-Dollar).

Die Güter, die aus Amerika nach Österreich kamen (Nahrungsmittel, Kohle, Chemikalien, Maschinen, Stichwort "Caterpillar"), konnten von heimischen Firmen zu inländischen Marktpreisen gekauft werden.

Großer Kapitalstock

Die Einnahmen wanderten auf ein gesperrtes Sonderkonto bei der Nationalbank. Dieses Konto bildete das Kernstück der Marshallplan-Hilfe, den ERP-Fonds, der 1962 in österreichischen Besitz überging und seither als Kapitalstock für geförderte Kredite dient.

Ökonomen sagen, dass Österreich durch den Marshallplan auf Anhieb einen Entwicklungsvorsprung von zehn Jahren gewonnen hatte. Das meiste Geld floß in den Aufbau der E-Wirtschaft: Kraftwerke wie Kaprun wurden finanziert. Zu den Prestigprojekten gehörten auch die Oesterreich-Alpine-Montan-Gesellschaft und das Stahlwerk Donawitz. Zum Zug kamen damals aber auch kleine Unternehmen wie der Mozartkugel-Hersteller "Mirabell" oder die Bettenfabrik "JOKA".

Das Fondsvermögen beläuft sich derzeit auf rund 2,9 Milliarden Euro, verwaltet wird der Fonds seit 2002 von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws), der Förderbank der Republik.

2016 betrug des Kreditvolumen rund 494 Mio. Euro für 1126 Projekte. Für 2017 stehen laut aws 600 Millionen an zinsgünstigen Krediten für Klein- und Mittelbetriebe zur Verfügung. Gründer sowie Jungunternehmer erhalten besonders günstige Konditionen in Form eines niedrigen Fixzinssatzes von 0,5 Prozent über die gesamte Laufzeit.

Heute werden in erster Linie moderne, innovative Dienstleistungsunternehmen gefördert. Als eines der Erfolgsprojekte gilt die Brotmanufaktur Joseph.

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