Grasser-Urteil: 1.258 Seiten führen zum Schuldspruch
In der Zeitrechnung von Karl-Heinz Grasser ist die 1.258 Seiten starke Ausfertigung seines Urteils wegen Untreue, des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels und des Verbrechens der Geschenkannahmen nur ein Zwischenschritt – wenn auch ein wesentlicher.
Jeden Buchstaben im Urteil werden Grassers Anwälte unter die Lupe nehmen, um einen Formalfehler zu finden. Das Ziel ist klar vorgegeben: Vor dem Obersten Gerichtshof soll das Urteil von Richterin Marion Hohenecker nicht halten.
Dieses Prozedere wird weitere zwei bis drei Jahre dauern – bis das Urteil möglicherweise dann rechtskräftig wird.
Doch wie baute Hohenecker das Urteil gegen Grasser auf? Wie begründet die Richterin, dass Grasser die Bietersumme von 960 Millionen für die Buwog an Walter Meischberger verraten haben soll?
Hier die wichtigsten Indizien, die gegen Grasser & Co. sprechen, im Überblick.
- Tatplan ist glaubwürdig
Man erinnert sich: Schon in der Anklageschrift spielte die Aussage des ehemaligen Kabinettsmitarbeiters Willibald Berner (er war bei Michael Schmid im Kabinett) eine zentrale Rolle. Im Hotel Bristol soll ihm Hochegger auf einer Serviette den Tatplan aufgezeichnet haben, wie sich Meischberger, Grasser und Hochegger über Privatisierungen Anfang der 2000er Jahre bereichern wollen. Hochegger bestritt dies trotz seines Geständnisses stets.
Doch das Schöffengericht glaubte der Zeugenaussage von Berner vollumfänglich. Walter Meischberger wiederum wollte im Prozess glaubhaft machen, dass Berner, der ein enges Verhältnis zu Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer hat, wegen seiner politischen Ausrichtung belastende Aussagen tätigte. Auch das glaubte die Richterin nicht. Im Urteil heißt es dazu: "In der Frage des Tatplans folgte der Senat den widerspruchsfreien Aussagen der Zeugen Berner, Michael Schmid. Es war kein Grund ersichtlich, weshalb diese die Unwahrheit haben sollten." Selbst die saloppe Formulierung eines anderen Zeugen über Berner, wonach Berner "sehr oft, sehr viel daher redet, dass man nicht wisse, was stimmt", genügte laut Richterin nicht, um die Aussage von Berner zur "Skizze zu widerlegen".
- Information kam von Grasser
Für das Gericht steht außer Frage, dass die Information (über die Gebotshöhe für die Buwog) direkt von Grassers damaligem Schlüsselmitarbeiter Heinrich Traumüller an Grasser kam – und dass dieser die Angebotshöhe an Meischberger weitergegeben hat.
Andere Möglichkeiten, etwa einen "Spion oder Informanten" in den Reihen der Konkurrenz, schließt das Gericht deshalb aus, weil Traumüller sich in der Sitzung 960 Millionen notiert, das tatsächliche Angebot aber sogar mehr, nämlich 960,65 Millionen Euro betragen hat.
Bemerkenswert ist dabei: Obwohl Traumüller seinen Chef, Grasser, auch vor Gericht mehrfach verteidigte, ging das Gericht davon aus, dass der honorige Beamte die bittere Wahrheit nicht sehen wollte.
Wörtlich heißt es im Urteil: "Der Zeuge Dr. Heinrich Traumüller hat sich bis zuletzt für die Abwicklung des Privatisierungsverfahrens verantwortlich gefühlt und daher selbst nicht wahrhaben wollen, dass der Angeklagte Mag. Karl-Heinz Grasser die alles entscheidende Information verriet."
- Die Geldverteilung
Der eigentliche Grund, warum es überhaupt zum Buwog-Verfahren kam, nämlich die Überweisung von 9,6 Millionen Euro Provision durch die siegreichen Bieter, ist letztlich ein zentraler Punkt, warum das Gericht davon ausgeht, dass Grasser & Co. schuldig sind.
Denn im Zuge der Ermittlungen wurden hoch komplexe Stiftungs- und Konten-Konstrukte offengelegt, die – vereinfacht gesagt – nach dem immer selben Muster funktionierten: Es gab eine minutiöse Dreiteilung, bei der das Gericht davon ausgeht, dass Meischberger wie ein Treuhänder die Anteile von Minister Grasser verwaltet hat, um den Minister auf dem Papier aus den Transaktionen herauszuhalten.
Konkret soll Meischberger wieder und immer wieder Bargeld von den Konten behoben und an Grasser übergeben haben.
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