100 Tage Dreierkoalition: Die großen Brocken kommen erst

Vor rund 100 Tagen hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen die türkis-rot-pinke Regierung angelobt. Die Dreierkoalition präsentiert heute eine erste Arbeitsbilanz. Der bisher größte Wurf: Die Erstellung des Doppelbudgets 2025/26, mit dem man heuer 6,4 und nächstes Jahr 8,7 Milliarden Euro einsparen will.
Abseits davon können alle drei Parteien kleinere Erfolge für sich verbuchen. Die SPÖ etwa den Mietpreisdeckel, die ÖVP den Stopp des Familiennachzugs und die Neos eine kleinere Pensionsreform. Bei anderen Punkten hakt es aber bereits. Fünf „Brocken“, bei denen es schon bald schwierig werden könnte:
Sozialhilfe
9.000 Euro netto für eine syrische Familie mit elf Kindern in Wien? Solche Auswüchse soll es künftig nicht mehr geben. Die Regierung will die Sozialhilfe bundesweit einheitlich regeln. Ein erster Entwurf hätte Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) laut den Koalitionspartnern Ende Mai vorlegen sollen – die SPÖ widerspricht. Abseits der Legistik, gibt es jedenfalls auch politisch noch offene Fragen.
Etwa, ob Familien für jedes zusätzliche Kind dieselbe Summe erhalten sollen, wie es die SPÖ gerne hätte. Da an die Sozialhilfe-Reform auch Verschärfungen im Integrationsbereich gekoppelt sind, auf die Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) drängt, werden diese nun vorerst blockiert. Dazu zählt eine dreijährige Wartefrist für Asylberechtigte, bevor sie vollen Anspruch auf Sozialleistungen haben.
Messenger-Überwachung
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und sein Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) sind sich prinzipiell einig: Der Gesetzesentwurf zur Überwachung von Messengerdiensten, die punktuell bei Gefährdern eingesetzt werden soll, ist ein guter. Experten sind unterschiedlicher Meinung. Wie schon beim Bundestrojaner, 2019 von Türkis-Blau eingeführt, könnte auch die neue Lösung nicht verfassungskonform sein.
Das sieht auch Neos-Mandatar Nikolaus Scherak so. Scheitert das Projekt, von der ÖVP forciert, an den Pinken? Die Signale von Neos-Außenministerin Beate Meinl-Reisinger gingen zuletzt eher Richtung in Zustimmung. Insofern könnte das Thema vor allem Neos-intern zum Streitfall werden.
Mietrecht
Die Regierung hat zwar beschlossen, dass heuer keine Mieterhöhungen stattfinden dürfen – und 2026 sowie 2027 nur geringe. Allerdings gilt das nur für regulierte und ohnehin billigere Mietwohnungen – etwa Richtwert- und Kategoriezins oder Genossenschaftswohnungen. Vizekanzler und Wohnminister Andreas Babler (SPÖ) hat mehrmals angekündigt: Er will auch im nicht-regulierten Bereich künftig zu hohe Mieterhöhungen verhindern.
Konkret strebt die SPÖ einen Index an. Dieser soll die jährlichen Anpassungen aller Mieten auf drei Prozent plus die Hälfte der darüberliegenden Inflationsrate begrenzen. Ob ÖVP und Neos dem auch im privaten Bereich zustimmen – der Punkt steht nur vage im Regierungsprogramm – bleibt fraglich.
Pensionen
Türkis-Rot-Pink hat die „größte Pensionsreform seit 20 Jahren angekündigt“. Beschlossen ist derzeit aber nur eine sanfte Erhöhung des Eintrittsalters in die Korridorpension – von 62 auf 63 Jahre. Nachhaltige Sparmaßnahmen, wie die Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters, sollen in einem Mechanismus verankert werden, der ab 2030 greift – falls die aktuellen Maßnahmen nicht reichen. Die gesetzliche Regelung fehlt noch. Auch die Pensionserhöhungen für 2026 werden im Sommer verhandelt. Abzuwarten bleibt, ob die Neos, eventuell auch die ÖVP, für eine Anpassung der Pensionen unter der Inflationsrate plädieren.
Föderalismus
Mit dem Doppelbudget ist die Konsolidierung des Haushalts noch lange nicht abgeschlossen. Zumindest dann nicht, wenn Österreich langfristig ein ausgeglichenes Budget anstrebt. Türkis-Rot-Pink will in der Struktur, also auch bei den Gebietskörperschaften, sparen. Wo und wie konkret? Darüber will man im Rahmen einer „Reformpartnerschaft“ mit Bund, Ländern und Gemeinden nun 18 Monate verhandeln. Eine, vorsichtig formuliert, spannungsgeladene Gemengelage.
Doppelbudget: Die Regierung will heuer und 2026 in Summe rund 15 Milliarden Euro einsparen.
Pensionsreform: Das Eintrittsalter in die Korridorpension steigt ab 2026 schrittweise von 62 auf 63 Jahre. Quasi fix: erleichterter Zugang zur Schwerarbeitspension für Pflegekräfte.
Arbeitsmarkt: Abgeschafft werden: geringfügiger Zuverdienst neben der Arbeitslosigkeit und Bildungskarenz. Eingeführt wird: steuerfreie Mitarbeiterprämie von bis zu 1.000 Euro pro Jahr.
Mietpreisstopp: Im regulierten Wohnungsmarkt gab es heuer keine Mieterhöhungen. Für 2026 und 2027 sind weitere Preisregulierungen geplant.
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