EU-Wahltrend: Abneigung gegen eine Partei als starkes Wahlmotiv

Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg
Europas Wähler könnten laut einer Studie im Mai mehrheitlich gegen statt für eine bestimmte Partei stimmen.

Vorbei die Zeiten, als Stammwähler treu ihr Kreuz bei ihrer bevorzugten Partei machten. Bei der kommenden Wahl zum Europäischen Parlament Ende Mai scheint hingegen ein ganz anderes Wahlmotiv zu dominieren: Ablehnung. Zu diesem Schluss kommt die jüngste Studie der Bertelsmann Stiftung. Dafür wurden rund 23.700 Menschen in zwölf EU-Staaten, darunter auch in Österreich, befragt.

Dabei zeigte sich: Immer weniger Wähler können sich mit den etablierten politischen Parteien in Europa identifizieren  - im europaweiten Durchschnitt nur noch 6,3 Prozent aller Wähler.

Den stärksten Rückhalt genießen die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien: 10,3 Prozent ihrer Wähler identifizieren sich voll mit den jeweiligen Parteien.Gleichzeitig wecken sie aber auch den größten Widerstand: 52,8 Prozent der europäischen Wähler lehnen die extremen Rechten kategorisch ab.

Vieles weise deshalb darauf hin, heißt es in der Studie, "dass Bürger nicht in erster Linie für die Partei stimmen, mit der sie sich am meisten verbunden fühlen.Sondern sie könnten auch gegen jene votieren, die sie am meisten ablehnen." Kurz: Sie stimmen für jene Parteien, die einen Wahlerfolg der abgelehnten Parteien am besten verhindern.

Etablierte gegen Populisten

Die bisherigen Ideologien von links und rechts spielen zudem im Wahlkampf eine weitaus geringere Rolle als bisher. Populisten gegen etablierte Parteien sei vielmehr die Losung, ist in der Studie zu lesen. Anders als die "noch etwas wahlmüde politische Mitte" konstatieren die Studienautoren bei den europakritischen Parteien an den politischen Rändern eine stärkere Mobilisierung.

Die Studie zeigt aber auch: Einig sind sich die Populisten nur in ihrer EU-Skepsis und Demokratiekritik. In Sachfragen zeigen sich die Wähler der Links- und Rechtspopulisten noch stärker gespalten als die Wähler der etablierten Parteien.

Für das neue EU-Parlament bedeutet das: Konsensentscheidungen und Mehrheiten erfordern noch größere Koalitionen der etablierten Parteien als bisher. "Je stärker die populistisch-extremen Ränder werden, umso stärker zwingt es die etablierten Parteien zum Konsens. Gelingt den etablierten Parteien dieser Brückenschlag nicht, können negative Mehrheiten zu Selbstblockade und Stillstand führen", so Robert Vehrkamp, Mitautor der Studie und Demokratieexperte der Bertelsmann Stiftung.

EU-Wahltrend: Abneigung gegen eine Partei als starkes Wahlmotiv

Als die drei wichtigsten Wahlkampfthemen in den zwölf untersuchten Ländern ermittelte die Studie die Europäische Asyl- und Migrationspolitik, die europäischen Sozialausgaben und die Regeln der Massentierhaltung. Dabei zeigte sich in Österreich wie bei der Mehrheit der anderen befragten EU-Bürger: Die EU möge ihren Einfluss auf die heimische Asylpolitik zurückfahren (44 Prozent); 27 wollen die Vorgaben der EU beibehalten und 29 sie sogar noch ausbauen.

Die Europäischen Sozialausgaben wollen 29 Prozent der Österreicher gesenkt wissen, 49 Prozent wollen sie beibehalten und 23 Prozent erhöhen.

Nur bei den Auflagen zur Massentierhaltung sticht Österreich heraus: Hier wünschen sich die Österreicher (68 Prozent) viel mehr Regulierungen durch die EU als der Durchschnitt der untersuchten Länder (41%): Nur sechs Prozent aller Österreicher würden die Auflagen der EU im Bereich der Massentierhaltung abschaffen wollen - das ist der geringste Wert aller von der Studie untersuchten Länder.

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